Ratschläge gegen das Schnarchen des Vaters waren im letzten, an seine Eltern gerichteten Brief zu lesen. Und dass sie nun länger nichts von ihm hören würden. Kurze Zeit danach, im Jahr 1943, wurde der Verfasser, der im kommunistischen Widerstand tätig war, wegen Hochverrats in Wien hingerichtet. Der Architekt Herbert Eichholzer wurde nur vierzig Jahre alt.
Eichholzers Biographie war voller Zäsuren, Brüche und vermeintlicher Widersprüche, sein Leben wurde jedoch von einem Gerüst aus Freiheitsdrang, Hingabe, Engagement und Furchtlosigkeit fest zusammengehalten. Er war ein Reisender, seine Neugierde führte ihn schon während seiner Studentenzeit durch halb Europa, Kleinasien und Afrika. Befand sich auch sein Zentrum immer in Raum Graz (er war ja längere Zeit in Prenning in der jetzigen Kulturpension Feuerlöscher; Anm.) und entstanden für seine kurze Schaffensperiode nicht wenige Bauten in der Steiermark, war seine Arbeit stets über die Grenzen hinaus ausgerichtet. Ob Praktikum bei Le Corbusier in Paris, Planungen für Deutschland und Russland oder im zwischenzeitigen Exil nach dem Anschluss Österreichs als Mitarbeiter Clemens Holzmeisters in der Türkei: Eichholzer brauchte die Bewegung.
Pavillon – Hommage à Herbert Eichholzer nennt sich eine noch bis 31. Oktober laufende Ausstellung, die das Leben und Werk eines unbeirrbaren Menschgebliebenen in einer Zeit der Unmenschlichkeit würdigt.
Der Ort dafür ist von den Organisatoren – Christian Marczik von der Intro-Graz-Spection und Wenzel Mraček in Kooperation mit dem Institut für Kunst im öffentlichen Raum – mit ebenso feinem Gespür gewählt.
Seit 1936 steht auf dem ehemaligen Areal der Marienmühle, im heutigen Innenhof des Rondos, ein, von der Ateliergemeinschaft Herbert Eichholzer und Viktor Badl entworfenes Gartenhaus. Das im Außen- und Innenbereich unverändert gebliebene architektonische Kleinod, bisher nicht öffentlich zugänglich und daher nur wenigen Insidern bekannt, ist der Kern für eine Schau von Plänen, Modellen und Objekten aus dem Besitz Eichholzers. Tafeln mit Faksimiles von Korrespondenzen des Vielschreibers Eichholzer – vorwiegend an seine Eltern –, in der die Abenteuerlust während seiner Auslandsaufenthalte mitreißt, aber auch die Gefasstheit seinem Schicksal gegenüber im Gefängnis in Wien tief berührt, erweitern diesen Gedenkort ins freie Offene hinaus.
Eichholzer war Patriot, im besten Sinne des Begriffs. Für ein demokratisches Österreich war ihm jedes Mittel recht. Er wurde Sozialdemokrat, um gegen den Ständestaat zu kämpfen, Mitglied der austrofaschistischen Vaterländischen Front, um sich gegen den immer mächtiger werdenden Nationalsozialismus in Österreich zu stellen, er wurde Kommunist, um im Exil nach der Machtübernahme Hitlers Widerstandsgruppen aufzubauen. Er gab sich als geläuterter Nationalsozialist aus, um seine Widerstandsarbeit in der Heimat fortsetzen zu können und meldete sich freiwillig an die französische Front, um auch innerhalb der Wehrmacht konspirativ tätig zu sein. Erst ein, in die Widerstandsgruppe in Graz eingeschleuster Gestapoinformant wurde Eichholzer und drei seiner Mitstreiter zum Verhängnis.
"Glaubt mir, es ist gar nicht so wichtig, alles wirklich und greifbar vor sich zu haben. Viel wichtiger ist’s, seine Heimat im Herzen drin zu tragen. Nur da heraus wird sie dann zum Halt im Leben.", blieb Eichholzer auch in der Haft in einem Brief an seine Eltern konsequent, knapp zwei Wochen vor dem Todesurteil.