Am 19. Oktober 2018 wurden im Rahmen einer feierlichen Abendveranstaltung im Orpheum, Graz die diesjährigen GewinnerInnen des ZV-Bauherrenpreises ausgezeichnet. Aus insgesamt 106 Einreichungen wurden zuvor
22 Projekte nominiert. Daraus ermittelte die Hauptjury, bestehend aus Andreas Bründler (Architekt, Basel), Gabriele Kaiser (Architekturpublizistin und Kuratorin, Wien) und Stefan Marte (Architekt, Feldkirch), die sechs PreisträgerInnen des ZV-Bauherrenpreises 2018.
Um die Einreichungen und deren Genese beurteilen zu können, werden alljährlich alle Projekte im jeweiligen Bundesland von einer Nominierungsjury besichtigt. Je Bundesland werden bis zu drei Projekte nominiert, welche im Rahmen einer österreichweiten Reise durch die HauptjurorInnen nochmals besucht werden, um die PreisträgerInnen zu ermitteln.
„Die fühlbaren Unterschiede zwischen den abgebildeten Projekten und den Erfahrungen vor Ort verdeutlichten einmal mehr, wie sehr Architektur auf die Unmittelbarkeit des Begehens und räumlichen Erfassens angewiesen ist. Ohne die direkte Begegnung vor Ort, ohne Kontext, Geschichte und Geschichten, ließe sich die Synthese aus Architektur- und Bauherrenleistung kaum erfassen. [...] Die ausgezeichneten Projekte 2018 eröffnen in ihrer Eigenständigkeit auf jeweils unterschiedliche Weise den unerschöpflichen Möglichkeitsraum von Architektur.“ (Gabriele Kaiser, Auszug aus dem Resümee der Hauptjury)
Der Bauherrenpreis der Zentralvereinigung der Architektinnen und Architekten Österreichs würdigt seit 1967 herausragende Bauten, Freiraumgestaltungen sowie heuer erstmals städtebauliche Lösungen der letzten drei Jahre, die sich besonders durch die intensive Zusammenarbeit zwischen BauherrInnen und ArchitektInnen auszeichnen. Ein Großteil der rund 300 bisher ausgezeichneten Bauten ist zu einem fixen Bestandteil des Kanons der österreichischen Architekturgeschichte der jüngeren Vergangenheit geworden.
„Die zahlreichen Einreichungen für den Bauherrenpreis 2018 zeigen erneut die Vielgestaltigkeit der österreichischen Szene. Mit den Nominierungen und PreisträgerInnen werden vor allem die innovativen, architektonischen Qualitäten gewürdigt, die durch das gelungene Zusammenspiel von BauherrInnen und PlanerInnen entstehen können. Die diesjährigen PreisträgerInnen veranschaulichen, dass die gesellschaftlichen Kernthemen Wohnen, Schule und Bildung auch zukünftig zu den wesentlichen Bauaufgaben gehören. Ebenso gilt es, eine hohe Wertschätzung für Sonderprojekte, die außergewöhnliche Themen aufgreifen und damit die Szene bereichern, zu vermitteln.“ (Maria Auböck, Präsidentin der Zentralvereinigung der Architektinnen und Architekten Österreichs)
ZV-Bauherrenpreis 2018 – PreisträgerInnen
Projekte in alphabetischer Reihenfolge nach Bundesland und Projekt, Jurytexte: Gabriele Kaiser
Kärnten:
- Häuser im Wald
9565 Turracher Höhe 12
Bauherr: Robert Hollmann, Klagenfurt
Architektur: Winkler + Ruck, Klagenfurt
Tragwerksplanung: Klaus Gelbmann, Villach
Fertigstellung: 12/2017
Luki, Toni und Franzi stehen aufrecht zwischen den Zirben- und Lärchenbäumen, ohne nach der Weite des Ausblicks zu streben, die auf dem Plateau der Turracher Höhe zu Füßen liegt. Die drei Blockhäuser, denen der passionierte Bauherr die Namen seiner Kinder gab, sowie eine straßenseitig in Holzständerbauweise errichtete Gemeinschaftsscheune samt Garage bilden in 1700m Seehöhe ein hotelähnlich geführtes Refugium, das seinen Gästen die Erfahrung gönnt, inmitten eines Waldes zu wohnen.
Dass die typischen Hervorbringungen einer Fremdenverkehrsgemeinde wie Liftanlagen, Hotelburgen und Riesenparkplätze in greifbarer Nähe liegen, spielt spätestens beim Betreten der bekiesten Fußwege, die zu den einzelnen Häusern hangaufwärts führen, keine Rolle mehr. Für die Errichtung der behutsam auf dem Grundstück platzierten Häuser, die nur minimale Grundfläche beanspruchen, mussten lediglich drei Bäume weichen. Die Sockel- und Erschließungsbereiche der vertikal organisierten Einheiten sind aus dunkel eingefärbtem Sichtbeton mit vertikaler Bretterschalung gegossen, deren Archaik dank zweischaliger Konstruktion mit Kerndämmung auch im Inneren unverfälscht bleibt. In der Holzblockbauweise der Wohnräume und in der Eindeckung der Dächer mit Brettern haben Winker + Ruck Architekten bei regionalen Bauernhäusern, wie man sie auf der Fahrt auf die Turrach noch vereinzelt sieht, Anleihen genommen. Die formal unterschiedlich interpretierten Stiegenhäuser muten wie minimalistische Skulpturen an, deren Handwerkskunst sich in ausgereifter Einfachheit zeigt. Überall auf dem Rundgang durch die Häuser greifen das Massive und das ganz Zarte scheinbar mühelos ineinander. Die 20 cm dicken Blockwände mit in die Konstruktion eingefräster Dämmung als fremde Feder kommen – wie der raue Sichtbeton der Sockel – ganz ohne Verkleidung aus. Die abgebundenen Stämme wurden mit einer Zinkung versehen, die Räume nach Baumlänge bemessen.
Ein Geschoß, ein Raum, ein Bad, Schlupfwinkel, hier und da Ausblicke auf Wurzeln, Waldboden, Baumnachbarn. Komfort, der sich nicht aufdrängt, Reminiszenzen an So-war-es-einst. Der pure handwerkliche Umgang mit Material, Raumorganisation und Konstruktion ist in jedem der drei Häuser fühlbar, die mit Stube, Eckbank und Ofen Intimität und Geborgenheit ausstrahlen. Eine unbändige Liebe zum Detail ist vonseiten des Bauherrn in das Projekt eingeflossen, der den Beruf des Gastgebers mit Leib und Seele verkörpert.
Oberösterreich:
- Paneum – Wunderkammer des Brotes
4481 Asten, Kornspitzstraße 1
Bauherr: backaldrin International
The Kornspitz Company/Peter Augendopler
Architektur: Coop Himmelb(l)au, Wolf D. Prix
Ausstellungsgestaltung: Gruppe Gut, Bozen
Fertigstellung: 10/2017
Die glühende Leidenschaft für Brot hat backaldrin-Firmeninhaber Peter Augendopler in alle Welt geführt und zum Sammler gemacht. In drei Jahrzehnten hat er – aus unterschiedlichen Kontinenten und Epochen – rund 15.000 Kunst- und Kulturobjekte rund um das Thema Brot, Getreide und Backen zusammengetragen. Kostbare Gemälde und Porzellanfiguren wurden ebenso erworben wie ägyptische Kornmumien und volkstümliche Mehlsiebe. Mit der Sammlung wuchs auch der Wunsch, die faszinierende Welt des Brots mit anderen zu teilen. Der gelernte (und nach alter Handwerkstradition stets weiß gekleidete) Bäcker, Erfinder des Kornspitz und international agierender Produzent von Backmittelmischungen hat auf dem Gelände des Stammsitzes in Asten eine Wunderkammer des Brotes errichtet, die dem „essenziellsten Produkt dieser Welt“ gewidmet ist. Der Entwurf für das kleine Spezialmuseum, dessen Freiform schon von weitem die Phantasie beflügelt, stammt von Coop Himmelb(l)au Architekten, die das uneingeschränkte Vertrauen des Auftraggebers genossen. Schon beim ersten Treffen habe Wolf D. Prix sofort die richtigen Fragen gestellt und eine Skizze angefertigt, die die wesentlichen Parameter des Konzepts definierte.
Die intensive Schilderung des Bauherrn habe den Architekten an ein Wolkenschiff denken lassen, an eine „Arche Noah, mit der wertvolle Objekte gleichsam in eine andere Welt gerettet werden sollen.“ In diese andere Welt, die hinter schillernder Fassade unerwartete Raumruhe bereithält, werden nun die Besucher geführt: Über einer schlichten Sichtbetonbox, die das Foyer, das Kundeninformationszentrum und ein Veranstaltungsforum für 120 Gäste beherbergt, erhebt sich die eigentliche Wunderkammer – eine gebauchte Figur aus 3D CNC-gefrästen Brettsperrholzelementen, deren 88 Schichten durch Stahlschrauben miteinander verzahnt sind. Im Innenraum bleibt die lasierte Oberfläche der kreuzverleimten Lagen sichtbar, außen wurde der konstruktive Holzbau mit über 3000 rautenförmigen Edelstahlschindeln bekleidet. Der zweigeschoßige Ausstellungsraum, dessen Boden aus geräucherter Eiche den Eindruck verstärkt, einen Schiffsbauch zu durchschreiten, wird durch eine selbsttragende Stahltreppe erschlossen, die sich in kühner Drehung nach oben schraubt. Auf dem Weg hinauf können die im Treppenauge abgehängten Exponate – etwa die Darstellung eines in den Schandkorb gezwängten Bäckers – von allen Seiten betrachtet werden. Die exzellent präsentierten Gegenstände einer ungewöhnlichen Sammlung und der sie bergende Raum bilden ein Ganzes, das die Besucher vereinnahmt. Der Bauherr hat seinen Deal mit dem Architekten gewiss nicht bereut, als er ihm zuge- stand: „Was immer Sie vorschlagen, ich sage ja.“
Steiermark:
- Prinzessin Veranda
8020 Graz, Grüne Gasse 7/9
Bauherrin: Prolend Projektentwicklung/Klaus Jeschek, Graz
Architektur: Pentaplan, Graz
Fertigstellung: 7/2017
In den peripheren Neubauquartieren rasch wachsender Städte bleibt urbane Vielfalt oft ein Phantom. Demgegenüber haben gegebene Strukturen – seien es auch schlecht beleumundete Problemzonen – bessere Chancen, die Qualitäten eines lebendigen Stadtteils anzunehmen. Die Transformation des Lendviertels in Graz vom schwierigen Stadtteil zur begehrten Adresse hat in kleinen Schritten begonnen und ist längst nicht abgeschlossen. Das Projekt mit dem klingenden Namen Prinzessin Veranda beweist in heterogen bebauter Umgebung, dass nicht nur gute Grundrisse, konsequente Materialisierung und hochwertige Ausstattungsdetails den Stellenwert eines Stadtbausteins bestimmen, sondern vor allem seine städtebauliche Strahlkraft im Kontext der Entfaltungsmöglichkeiten eines Quartiers.
In der seit 20 Jahren bewährten Personalunion aus Projektentwicklung und Architekturbüro wurde auf den Grundstücken eines ehemaligen Tischlereibetriebs unweit des Lendplatzes ein 6-geschoßiges Wohn- und Geschäftshaus errichtet, das in seiner strukturellen Robustheit in der Lage ist, die Funktion eines urbanen Katalysators zu übernehmen. Zwei miterworbene denkmalgeschützte Bestandsbauten begrenzen im Norden und Süden den polygonalen Bauplatz an der Schnittstelle von Gewerbe- und Wohngebiet.
Die spezielle Konstellation Bauträger/Architekturbüro ermöglichte die reibungslose Abwicklung sämtlicher Planungsschritte von der Umwidmung der Gewerbegrundstücke zum Kernbaugebiet, über die Mitwirkung bei der Erstellung des Bebauungsplans (der u.a. die Konturen eines öffentlichen Platzes festschrieb, der auch für künftige Ansiedlungen verbindlich ist), bis hin zur Fertigstellung und Verwertung des gemischt genutzten Objekts. Ein Merkmal des Gebäudes, das in der Umrundung des Blocks gleich auffällt, ist das ausgewogene Verhältnis von Offenheit und Zurückhaltung sowie das Selbstverständnis, mit dem die Kubatur auf dem Areal Fuß gefasst hat. Eine selbsttragende skulpturale Fassadenschicht aus Sichtbeton – durch die Verwendung von Weißzement veredelt – umfängt den Baukörper auf allen Seiten. Sie definiert im für Büronutzung vorgesehenen Erdgeschoß einen offenen Arkadengang und rahmt in den Obergeschoßen die Loggien und Veranden der Wohnungen, die mit einer Raumhöhe von 2,8 m und der Großzügigkeit der Freiräume weit über dem Standard liegen. In der Tiefe des Baublocks erhellt ein elliptisches Atrium mit umlaufenden Laubengängen die Erschließung. Diese durchlichtete Mitte des Gebäudes, in die beide Stiegenhäuser münden, bildet in zerfranster Quartiers-Umgebung einen starken Ruhepol – selten hat man die Nutzung einer Parzellentiefe so elegant gelöst gesehen.
Vorarlberg:
- Georunde Rindberg
6952 Sibratsgfäll, Rindberg
Bauherr: Gemeinde Sibratsgfäll/Konrad Stadelmann
Architektur: Innauer-Matt Architekten, Bezau
Konzeption und Idee: Super–Büro für Gestaltung, Egg
Fertigstellung: 5/2015
Dem Ereignis, das im Mai 1999 einen Berghang im vorderen Bregenzerwald ins Rutschen brachte, gingen heftige Regenfälle voraus. Zuerst seien einige Zaunpfähle plötzlich schief gestanden. „Am Anfang wusste man nicht genau, was eigentlich los war“, sagt Konrad Stadelmann, Ex-Bürgermeister und Obmann des Vereins Bewegte Natur Sibratsgfäll. Durch die stetige Verschiebung von Erdmassen rutschten auf einer Fläche von 1,8km2 allmählich 18 Wohn- und Wirtschaftsgebäude bis zu 240m talwärts; so auch die Kapelle, das Wahrzeichen des Rindbergs, das nach 180m Wanderung in sich zusammenfiel. Dank rechtzeitiger Evakuierung der Parzelle kamen keine Personen zu schaden, doch die Großrutschung hinterließ tiefe Spuren in der Landschaft und im Bewusstsein des 400-Seelen-Dorfs.
Geologische Untersuchungen ergaben, dass der Hang in bis zu 70m Tiefe von einer Lehmschicht durchzogen wird, die ein Absorbieren des Schmelz- und Regenwassers verhindert. Wird der Druck auf die oberste Bodenschicht zu groß, gerät das Erdreich in Bewegung – ein Naturereignis, das sich statistisch alle 300 Jahre wiederholt. Noch heute kommt der Boden in Sibratsgfäll nicht zur Ruhe, aber die Bewohner haben gelernt, mit der bewegten Natur umzugehen. Sie haben mit dem Erinnerungspfad einen erstaunlichen Weg beschritten, ihre traumatische Geschichte zu erzählen und in etwas Positives umzudeuten. 2014 schrieb die Gemeinde einen geladenen Wettbewerb aus, den das Architekturbüro Innauer-Matt mit dem Designteam Super BfG für sich entschied. Ausgehend von „Felbers schiefem Haus“, bei dessen Betreten der konditionierte Raumsinn aus dem Gleichgewicht kippt, wurden an ausgewählten Punkten in der Landschaft acht Objekte platziert, die das Leben in der Schräge, die Kraft der Natur und die Akzeptanz der steten Veränderung sinnlich erlebbar machen. Die Stationen des Rundwegs sind als scharfkantige Installationen in Edelstahl ausgeführt, einem Material, das dem Zugriff von Zeit und Witterung standhält und keine Patina annimmt. Die Objekte, die je ein Thema verorten, zeigen körperliche Präsenz und kommen ohne intermediale Wissensvermittlung aus. Mit Titeln wie Das gewanderte Haus, Schiefe Tanne und Alles im Lot? sind die Stationen in ihrer physischen Direktheit auf Wesentliches reduziert.
Die Spuren der Hangrutschung, der Zusammenhalt der Dorfgemeinschaft und ihr Bemühen, sich mit den Kräften der Natur zu arrangieren, sind auf eindrückliche Weise in die abstrakten Settings eingeflossen, die sich Einheimischen wie Gästen mit der gleichen Selbstverständlichkeit erschließen. Sibratsgfäll verfügt heute über bewegliche und unbewegliche Grundgrenzen, und die neue Marienkapelle mit dem doppelten Boden kann innerhalb von 48 Stunden abgebaut und in Sicherheit gebracht werden. „Wir haben das für uns gemacht“, sagt Konrad Stadelmann, „alles andere kommt dann von selbst“. Das tut es. Selbst die seilgesicherte Tanne hat ihren Wuchs aus eigener Kraft wieder ins Lot gebracht.
- Volksschule Dorf Lauterach
6923 Lauterach, Schulstraße 5
Bauherrin: Marktgemeinde Lauterach/ Vizebürgermeisterin Doris Rohner
Architektur: Feyferlik/Fritzer, Graz
Tragwerksplanung: Johann Birner, Graz
Fertigstellung: 5/2018
Ein ebenerdiges Pavillon-Gefüge, locker zwischen die ehrwürdigen Bäume gestreut, umspielt das alte Schulhaus, verschafft Bewegungsfreiheit, breitet Lern- und Erlebnisräume aus, in denen Kinder uneingeschränkte Entfaltung genießen. Mit einem für Vorarlberg architektonisch untypischen Gebäude betrat die stark wachsende Gemeinde Lauterach Neuland. Der Prozess von der Formulierung eines innovativen pädagogischen Konzepts, über den EU-weit ausgeschriebenen zweistufigen Wettbewerb bis zur Umsetzung des Projekts in drei Bauabschnitten erforderte Mut und Ausdauer aller Beteiligten.
Für Diskussionsstoff hatte nicht nur der pädagogische Neuansatz gesorgt, sondern auch der mögliche Umgang mit dem 80 Jahre alten Bestand sowie die Eingeschoßigkeit des Siegerprojekts selbst. Das Wagnis hat sich gelohnt, längst hat das offene Raumkonzept der in vier Clustern zu je vier Klassen organisierten Schule die Bewährungsprobe bestanden. „Heute lieben selbst die früheren Skeptiker unter den Lehrkräften die Schule, die Kinder sowieso“, sagt die Direktorin. Mit ihrem offenen Raumkonzept und den verschränkten Freiflächen ist die Schule für kommende Formen der Ganztagsbetreuung bestens gerüstet. Jeweils vier Klassen öffnen sich nach innen zu einem zentralen Marktplatz für schulstufenübergreifende Aktivitäten und nach außen zu vorgeschalteten Wintergärten (Klimapuffern) mit direkten Austritten ins Freie. Dazwischen eingeschobene Ruhebereiche federn den Bewegungsdrang ab, ein gedeckter Gang stellt die Verbindung zum sanierten Altbau her, in dem sich nun die Werk- und Verwaltungsräume befinden. Etwas abgesenkt im Rücken des Bestands liegt ein zusätzlicher Bewegungsraum bzw. Mehrzwecksaal mit separatem Zugang. Die vorhandene Durchwegung auf dem Areal ist Teil des umfassenden Erschließungsangebots der Schule, deren Cluster jeweils direkt von außen begehbar sind. Die begrünten, von alten Bäumen beschatteten Dächer geben den Kindern die verbaute Bodenfläche als Spielwiese zurück. Im durchlässigen Kontinuum des Holz-Beton-Hybridbaus mit seinen abwechslungsreichen Nutzungsangeboten ist auch der Umgang mit Materialien unverkrampft. Sie bleiben haptisch präsent, sind was sie sind. Die Architektur macht den Kindern nichts vor, sondern schenkt ihnen einfach Raum für Erfahrung.
Wien:
- Bundesschule Aspern
1220 Wien, Maria-Trapp-Platz 5
Bauherrin: Bundesimmobiliengesellschaft/Gottfried Flicker, Wien
Architektur: fasch&fuchs.architekten, Wien
Freiraumplanung: Pflanz! Garten&Freiraum OG, Obersdorf
Tragwerksplanung: Werkraum Ingenieure ZT GmbH, Wien
Farbgestaltung: Hanna Schimek und Gustav Deutsch
Fertigstellung: 7/2017
Während die neuen Wohnquartiere in der Seestadt Aspern noch damit ringen, die eingeräumten Freiflächen mit Sinn und Leben zu erfüllen, greift das Bundesschulzentrum am Hannah-Arendt-Park im Südwesten der Seestadt beherzt in die Umgebung. Der terrassierte lichtdurchlässige Baukörper, durch dessen Membranhaut die schlanke Stahlkonstruktion schimmert, wurde an drei Seiten direkt an die Grundgrenze gerückt.
Anfangs hatte sich in dem für 1.100 SchülerInnen konzipierten Bildungscampus nur ein kleines Grüppchen ausgetobt, jetzt nehmen bereits rund 800 Jugendliche das Gebäude mit seinen geräumigen Klassen-Clustern, Department-Flügeln, Lerninseln und Freiflächen in Beschlag. Bauherrin und Architekten sind mit diesem Projekt im gemeinsamen Engagement neue Wege gegangen. Im Vorfeld des zweistufigen Wettbewerbs war ein fortschrittliches Raum- und Funktionsprogramm erarbeitet worden, mit dem Österreich an internationale pädagogische Standards im Schulbau anschließt. Das Bundesministerium für Bildung hatte sich eine Arbeits- und Lernlandschaft gewünscht, „die individuelle Förderung, Arbeiten in unterschiedlichen Gruppengrößen, selbstorganisiertes Lernen sowie Projektunterricht“ unterstützt. Dieses Konzept sah vor, die Unterstufe als Cluster-System zu organisieren, wobei sich jeweils vier Klassen einen offenen Lernbereich teilen. In der Oberstufe gilt das sogenannte Department-System, in dem die Unterrichtsräume den Fachgruppen (Sprachen, Naturwissenschaften, Wirtschaft und Informatik) und Lehrenden zugeordnet sind. Die Schülerinnen und Schüler der Oberstufe haben somit keine Stammklassen mehr, sondern wandern je nach Unterrichtsfach von einem Department zum anderen. Zusätzlich finden sie ihren individuellen Arbeitsplatz in vier separaten Homebases mit wohnlicher Atmosphäre und direktem Zugang zu den Terrassen, die zugleich als Fluchtwege dienen. Die mehrgeschoßige Aula mit ihren Freitreppen und Lerninseln wird von einem hohen Sheddach mit einer Tragkonstruktion aus Holz überspannt, ein seitlicher Innenhof bringt zusätzliches Grün ins Innere. Die weitläufige Halle bildet den Ausgangspunkt unzähliger Durchquerungen, die die Idee der räumlichen Entgrenzung sinnlich erlebbar machen. Zahlreiche Blickbeziehungen, etwa zwischen Cafeteria und den eingesenkten Turnsälen, verknüpfen konzentrierte und offene, sitzende und bewegte Szenarien in einem gemeinsamen Erfahrungsraum. Die „moderate Palette“ von Gustav Deutsch und Hanna Schimek setzt farbige Akzente und schafft Orientierung in einem Raumgefüge, das das Attribut Lernlandschaft wirklich verdient.
Jury
- Andreas Bründler
Architekt in Basel, Schweiz. 1997 gründete Andreas Bründler zusammen mit Daniel Buchner das Büro Buchner Bründler Architekten in Basel. 2003 wurde er in den Bund Schweizer Architekten aufgenommen. 2008 und 2009 war er Gastprofessor an der École Polytechnique Fédérale von Lausanne (EPFL). An der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich (ETHZ) folgte von 2010 bis 2012 eine Gastdozentur im Bereich Entwurf. An eine Lehre als Hochbauzeichner in Zug schloss ein Architekturstudium an der Ingenieurschule beider Basel an. 1994–1997 arbeitete er im Architekturbüro Miller & Maranta in Basel.
- Gabriele Kaiser
Architekturpublizistin in Wien, Österreich. Arbeitsschwerpunkt Architektur und Architekturpublizistik in Österreich nach 1945. 2001–2010 war sie Kuratorin im Architekturzentrum Wien. 2003–2010 Forschungsmitarbeiterin am Band III/3 „Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert“ von Friedrich Achleitner. 2010–2016 leitete sie das afo architekturforum oberösterreich. Seit 2009 ist sie Lehrbeauftragte an der Kunstuniversität Linz sowie seit 2016 Vorstandsmitglied der Österreichischen Gesellschaft für Architektur.
- Stefan Marte
Architekt in Feldkirch, Österreich. Nach seinem Architekturstudium an der Universität Innsbruck gründete Stefan Marte gemeinsam mit seinem Bruder Bernhard 1993 das Büro Marte.Marte Architekten in Feldkirch. Zu Beginn seiner Laufbahn hat das Büro vor allem im kleinmaßstäblichen Bereich Projekte realisiert – etwa die Totenkapelle in Weiler oder die Frödischbrücke in Muntlix. In weiterer Folge planten Marte.Marte neben einer Vielzahl an Privatbauten eine Reihe von Bauwerken im Bereich Kultur, Bildung, Infrastruktur und Gesundheit. Derzeit bearbeiten Marte.Marte unter anderem zwei Museen in Berlin und Krems. Stefan Marte ist seit 2005 Präsident des Vorarlberger Architektur Instituts (vai).
Ausstellung / Diskussion
Die PreisträgerInnen sowie alle nominierten Projekte werden von 23. Oktober bis 23. November 2018 im Rahmen einer Ausstellung im HDA Graz zu sehen sein. Am 11. November wird eine Podiumsdiskussion zum Thema Architektur gemeinsam wollen mit Architektin Hemma Fasch (Fasch und Fuchs Architekten, Planung Bundesschule Aspern) Wolfgang Feyferlik (Feyferlik/Fritzer Architekten, Planung VS Lauterach) und Wolfgang Köck (Pentaplan, Bauherr und Planung Prinzessin Veranda) im HDA Graz stattfinden.
Ebenso werden die PreisträgerInnen und Nominierten in der Reihe Architektur im Ringturm ab 10. Dezember 2018 in Wien sowie in mehreren österreichischen Architekturhäusern präsentiert.