Es ist erfreulich, dass wir in Graz endlich über urbane Konzepte, auch wenn es sich „nur“ um die des öffentlichen Verkehrs handelt, reden können. Aber damit bin ich schon am Ende mit den guten Nachrichten.
Wir sollten der Falle einer Spezialdiskussion entgehen, bei der wir an Mobilität als technischen Apparat glauben, den man unabhängig von anderen städtebaulichen Kriterien zur Urbanisierung in die Stadt implementieren kann. Ein zeitgemäßer Diskurs zu Verkehrsproblemen darf einfach nicht mehr von einem entsprechenden Diskurs zu Gebäude- und Grünraumstrukturen in der Stadt getrennt geführt werden - ich gehe sogar so weit zu behaupten, dass es an Fahrlässigkeit grenzt, bereits über Linienführungen von U- Bahnen, Stadtbahnen und Regionalbahnnetzen zu reden, ohne die Ziele des STEK 4.0 („die autogerechte Stadt“), die so genannten regionalen und örtlichen „Entwicklungskonzepte“, den veralteten FLÄWI und das räumliche Leitbild an den öffentlichen Raum und Klimaschutz anzupassen.
1. Diese Stadt besteht – wie beinahe jede „moderne“ Stadt, aus der dichten, „konsolidierten Stadt“ des Jahres 1900 und den „SUBURBIAS“ des 20. Jahrhunderts. Diese Bereiche der Stadt sind bis 1900 ohne und danach mit den Folgen des mIV entstanden, und dem entsprechend müssen wir die räumlichen Ansprüche an Mobilität darauf abstimmen.
2. Graz ist eine mittelgroße Stadt und keine Metropole. Regionalbahnen, S-Bahn und gar noch eine U- Bahn mit einem STRABA Netz zu verknüpfen, wird voraussichtlich zu viel des Guten. Mit Effizienz und mit bis vor 15 Monaten im Wirtschaftsleben noch geltenden Prinzipien wie Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit ist das nicht vereinbar, weil ein Kilometer unter der Erde das Zehnfache einer Bahnstrecke über der Erde verschlingt (ca. 150 Mio. € zu etwa 15 Mio. €)
3. Das S-Bahnsystem in Graz wird von den Pendlern nur mit einer direkten Anbindung ans historische Zentrum mit Umsteigebahnhöfen auf Bikes angenommen werden. Diese direkte Anbindung erspart ein zweites Schienensystem (U- Bahn), ist hoch effizient und relativ kostengünstig. U-Bahn und S-Bahnnetze getrennt zu führen ist eher für Metropolen über etwa einer Mio. Einwohner sinnvoll.
Das große Manko der Grazer Stadt- Entwicklungspolitik der letzten 50 Jahre war und ist nach wie vor die undemokratische Informationspolitik und eine aktionistische Herangehensweise. Kleine und große Projekte der Stadtentwicklung, großräumige und „sanfte“ Mobilitätskonzepte werden immer im Detail bearbeitet, niemals steht bei Fragen zur Entwicklung das „GANZE“ im Fokus der Überlegungen. Das war für mich auch der Anlass, immer wieder den öffentlichen Raum und verbunden damit seit ca. 5 Jahren auch die Relevanz der aufkommenden Klimadiskussion für die Stadtentwicklung in den Mittelpunkt zu rücken. Das Ergebnis ist die Publikation „upgrade SUBURBIA _ Graz 50_2050“, von der ein Auszug auf dem Server von „Mehr Zeit für Graz“ zu finden ist.
Ich schlage deshalb vor, in diesem endlich beginnenden Dialog in mehreren „FORUMS“ herauszufinden, in welchen Bereichen der Stadt etwa Entwicklungsgebiete und Grünräume im Kontext mit öffentlichem Verkehr, „sanfter Mobilität“ und mIV betrachtet werden oder mit dem Ziel der „Verkehrsvermeidung“ neu entstehen sollen. Nur unter Einbindung von Altstadtzentren, Umsteigebahnhöfen zu niederschwelligen Verkehrsmedien, Schnellstraßenbahnen auf der einen Seite und mit Nutzungsmix, Urbanisierung von Zentren mit Verdichtung in Kerngebieten auf der anderen Seite kann es gelingen, eine substantielle Verkehrsvermeidung zu erreichen. Zusätzliche Methoden wie eine „Naturbanisierung“ und ein „Straßennutzungskonzept“ können private Interessen mit gemeinwirtschaftlichen Zielen ergänzen.
An dieser Stelle wurde das Statement vom Moderator wegen Überschreitung der Redezeit leider unterbrochen.....
Das in der Folge vorgestellte Konzept zur S-Bahn „Spange“ ist Teil eines Vorschlags zu einem neuen Stadtentwicklungskonzept, das der Publikation „upgrade SUBURBIA – Graz 50_2050“ von Wolfgang Steinegger (siehe Link) entnommen ist:
- Die S-Bahn „Spange“:
Die bestehenden Trassen der Regionalbahn sind unter der Oberfläche verknüpft und ermöglichen mit Stationen am Jakominiplatz und Lendplatz das direkte „Einpendeln“ in das Stadtzentrum. Dieses kreuzungsfreie Bahnensystem ist innerhalb der „verdichteten / konsolidierten Stadt“ als Stadtbahn (S-Bahn) mit kurzen Intervallen verstärkt.
- Die „Umsteigebahnhöfe“:
Am Stadtrand können in drei neuen Zentren der urbanen Verdichtung Mobilitäts- und Gebäudestrukturen sinnvoll abgestimmt werden. In drei neuen Umsteigebahnhöfen zu Bike und E-Bike sind diese Mobilitätsknoten zugleich Endstationen der Stadtbahn mit kurzen Intervallen und Knoten zu den bestehenden Regionalbahnen aus dem Zentralraum. Natürlich sind auch Jakominiplatz und Lendplatz zentrale Umsteigebahnhöfe für Bikes.
- Das „Bahn / Bike / Kombiticket“:
Mit dem Kauf eines Tickets erwirbt man das Recht auf Hin- und Rückfahrt mit der S-Bahn mit der Tagesnutzung eines Bikes oder E-Bikes. Ein Einpendler übernimmt nach dem Aussteigen aus dem S-Bahnzug (oder Regionalbahnzug) das Bike und kann sich damit für einen ganzen Tag in der verdichteten / konsolidierten Stadt bewegen. Die Pendlerpauschale ist an dieses Ticket gebunden.
- Die Kosten / Nutzen Effizienz:
Für den steirischen Zentralraum mit ca. 600 000 Bewohnern sind die Kosten von ca. 0,6 Milliarden Euro für die „Spange“ mit einer Streckenlänge von ca. 4 km effizient eingesetzt. Der Schwerpunkt der Investitionen kann für „sanfte Mobilität“ (Fußgeher und Radfahrer) und für den Ausbau des Schnell-Straßenbahnsystems (auf mIV beruhigten Straßen) verwendet werden.
Die weitreichende Entscheidung zu einem öffentlichen Mobilitätssystem, das derzeit mit einer neuen U-Bahn diskutiert wird, braucht zugleich auch die Diskussion über ein neues Stadtentwicklungskonzept, mit dem es möglich ist, auch ohne mIV komfortabel in der Stadt zu leben. Das STEK 4.0 geht noch immer von der Zunahme des mIV aus, die Abkehr von diesem Konzept der „autogerechten Stadt“ ist eine Voraussetzung für alle Konzepte zur Mobilität.
S-Bahn ja, doch
stellen sich mir Fragen, die hoffentlich von den Experten (Hüsler etc.) zu beantworten sein werden: 1) Geht es wirklich, das LKH auszublenden und damit auch das östliche Stadtgebiet? Ich fürchte, nein. Es wird also zwischen einer Innenstadt-Linie und einer Ring-Linie zu entscheiden sein. 2) Können S-Bahn-Linien innerhalb von Graz so geführt werden, dass sie neben Anschlüssen an Tram und Bus genug Haltestellen bieten? 3) Eine Quer-Verbindung im Süden (von der GKB über die (noch) Südbahn bis zur Ostbahn scheint mittelfristig unabdingbar; das würde auch das Magna-Werk gut anbinden (die erste Idee stammt übrigens aus dem Jahr 1941, hatte also vielleicht andere Zielsetzungen).
Das Schlagwort "Verkehrsvermeidung" find ich ganz treffend, habe aber wenig Hoffnung. Hat man nicht das Projekt Reininghaus ursprünglich als autarke Stadt angekündigt? Wieso muss jetzt unbedingt eine neue Autostrasse ins Zentrum (Richtung Josef-Huber-Gasse) gebaut werden?
Werden die gerade anlaufenden großen Wohnprojekte so ausgelegt sein, dass die Bewohner nur im Ausnahmsfall ihr "Quartier" verlassen müssen?
Wie lauten die Antworten auf diese Fragen?