31/10/2023

Vom Gespräch zum Zusammenkommen zum Diskurs – nach einem Jahr voller Austausch und Aufbruchsstimmung, und inmitten eines Prozesses junger Architekt*innen, in dem sich viel bewegt, zusammengefunden und geformt hat, stellt sich nun die Frage, wie weiter? Die Gruppe zkmb berichtet.

31/10/2023

Kollektives Arbeiten, zkmb Workshop im afo Linz, 2023

©: zkmb

Abschlussrunde beim Workshop im vai Dornbirn

©: zkmb

zkmb Ausstellung im Architekturzentrum Wien, ©: Stella Rollny Kucher

Aufschlussreiche Gespräche

Doch zurück zum Anfang: Ausgehend von der Interviewreihe junge Architekt*innen verorten sich, die wir im Jahr 2022 für die Webplattform nextroom.at durchführten, entstand mittlerweile ein kollektiver, österreichweiter Prozess mit über sechzig unterschiedlich involvierten Kompliz*innen. Die Interviews sollten in erster Linie jungen Architekt*innen (1) in Österreich ein Forum bieten und deren Anliegen hör- und sichtbar machen. Interviewt wurden vorwiegend Personen, die unter 35 Jahre alt sind und bereits in eigenen Strukturen an Architektur arbeiten oder diese gerade aufbauen.

Neben immer komplexer werdenden Fragen in einer Welt multipler Krisen, einer nach wie vor nicht vorhandenen Gendergerechtigkeit und dem Streben nach Arbeitsverhältnissen jenseits der kapitalistischen Effizienz- und Wachstumslogik, ist auch das Selbstverständnis junger Architekt*innen im Wandel. Die gemeinsamen Gespräche zeigten einen kritisch-motivierten Zugang zur Architekturarbeit, und vor allem den Wunsch, wie auch die Notwendigkeit, sich untereinander und bundesländerübergreifend stärker zu vernetzen und auszutauschen.

Engagiertes Zusammenkommen

Diesem Bedürfnis nachkommend, markierte die zweite Prozessphase die Erarbeitung eines Dialog-Konzepts. Ein mittlerweile auf acht Personen angewachsenes Kernteam (2) organisierte und veranstaltete daraufhin von März bis Mai 2023 drei eineinhalbtägige, kostenlose Workshops, an denen Interviewpartner*innen und weitere junge Architekt*innen teilnahmen. Während den Veranstaltungen, die im afo in Linz, dem vai in Dornbirn und dem HDA in Graz stattfanden, und an denen jeweils etwas mehr als 20 Personen beteiligt waren, ging es darum, den Status quo abzufragen, Anliegen und Herausforderungen abzugleichen, auch die unangenehmen Wahrheiten des Arbeitsalltags und gemachte Fehler anzusprechen, voneinander zu lernen, und darum, gemeinsam an Alternativen und Strategien für die Zukunft zu arbeiten.

Zwei zentrale Fragen, die bei allen Workshops aufkamen und für die Teilnehmer*innen offensichtlich direkt mit dem eigenen Wohlbefinden im Arbeitskontext verknüpft sind – vielleicht durchschlagender als bei vorhergehenden Generationen – waren folgende: Für wen bauen wir und welchen Mehrwert hat unser Tun? Eine Frage, die spätestens mit der gesteigerten und anhaltenden Finanzialisierung des Wohnungsmarktes, wie auch anderen Räumen, im Nachgang der Finanzkrise von 2008, immer mehr Gewicht bekam. Und zweitens: Dürfen wir in der Klimakrise denn überhaupt noch neu bauen?

Trotz dieser oftmals düsteren und scheinbar überwältigenden Ausgangslage haben die Workshops mit dem Titel “Zwischen Kostenschätzung, Muttermilch und Bauwende [kurz: zkmb]” einmal mehr gezeigt, welche Kraft sich entwickeln kann, sobald man kollektiv über Dinge nachdenkt und gemeinsam agiert. Neben dem Mut “dranzubleiben”, welchen viele Teilnehmer*innen aus den Workshops schöpfen konnten, entstanden Freundschaften und ein loses Netzwerk junger Architekt*innen, das sich auf einen kollektiven Ansatz beruft, statt Konkurrenzdenken weiterzutragen. Ohne selbst genau zu wissen, wie sich dieser Zusammenschluss weiterentwickeln wird, bezeichnen sich Teile der Gruppe seither als “zkmb – Kooperation junger Architekt*innen”.

Öffentlicher Diskurs

In den gemeinsamen Workshops kristallisierten sich Themen heraus, die wir als Kernteam für eine Ausstellung im Architekturzentrum Wien – die bis 20. November 2023 läuft – ordneten und aufbereiteten, um diese für Kolleg*innen und eine breitere Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Folgende sieben Themenfelder bilden den inhaltlichen Rahmen der Ausstellung: Vom Anfangen und (nicht) Scheitern, Architecture-Life-Balance, Exklusivität // Diversität, Mitreißen statt Abreißen, Bildet Banden und streut Seedbombs!, Phase 0 und Phase 10 – Kreislaufplanung als Schlüssel zur Bauwende und Taktischer Optimismus. 

Viele der Themen, die wir hier nennen, sind alles andere als neu, umso wichtiger, diese immer wieder anzusprechen, um endlich für Veränderung zu sorgen! Stammtische und informelle Gespräche sind gute Plattformen, um solche Unterhaltungen zu führen. Doch in öffentlichen Foren und gemeinsam mit potentiellen Verbündeten aus anderen Feldern der Bauwirtschaft kann drängenden Fragen mehr Gehör verschafft werden. Wo sind die öffentlichen Diskussionen innerhalb unserer Profession über eigene Fehler, nützliche Strategien und die Kommunikation mit Auftraggeber*innen und Ausführenden? Über die Arbeitsbedingungen von Architekturarbeiter*innen (3) und inwieweit die Vertretungsform der Kammer an dieser Stelle anders funktionieren müsste – was könnten wir diesbezüglich von gewerkschaftlicher Organisation lernen? Wo ist die ehrliche Debatte zur Verbindung von kapitalistischen Wirtschaftslogiken und unserem Berufsfeld? Und im Verhältnis dazu: Wie viele mehr oder weniger relevante Werkvorträge haben wir in den letzten Jahren gesehen? 
Die Ausstellung bietet die Möglichkeit, sich ausgiebig mit den sieben vorhin genannten Themenfeldern und den in den Workshops kollektiv erarbeiteten Erkenntnissen, Fragen und Strategien auseinanderzusetzen und markiert die vorerst letzte Phase unseres Prozesses als zkmb. 

Künftige Strukturen

Also, was nun? Die Workshops sind durchgeführt und die Ausstellung steht, doch die Fördertöpfe sind vorerst ausgeschöpft und die finanziellen, zeitlichen und körperlichen Ressourcen des Kernteams erschöpft. Das ist genau der Punkt, an dem bereits einige Initiativen vor uns gescheitert sind, wenn der erste Elan verflogen ist, und der Arbeitsalltag und die Notwendigkeit, sich zu finanzieren, immer vehementer anklopfen.

Doch wie kann das Momentum und die anhaltende Euphorie genutzt werden, um etwas Langfristiges zu generieren und das Netzwerk wachsen zu lassen? Welche anderen Finanzierungsmöglichkeiten gibt es, ohne dabei Gefahr zu laufen, für zukünftige Teilnehmer*innen Barrieren aufzubauen? Und lässt sich solch ein Format des ebenso “losen” wie intensiven Austauschs wiederholen oder gar ”institutionalisieren” und festigen? Die nächsten Wochen und Monate werden es zeigen.

Dass sich unser Netzwerk so organisch bilden konnte und die Nachfrage nach solchen Formaten hoch ist, zeigt, dass es im föderalistisch organisierten Österreich derzeit keine Strukturen gibt, die für junge Architekt*innen eine solche bundesländerübergreifende Plattform bieten können. Gerade in den ersten Jahren nach dem universitären Abschluss, wären (Zeit-)Räume für ehrlichen Austausch, professionelle Hilfestellung und gemeinsame Reflexion besonders wichtig.

Darüber hinaus, so denken wir, braucht es eine österreichweite Diskursplattform zum Thema Architektur und Baukultur im weiteren Sinne. Abseits der bestehenden Interessengemeinschaften agierend oder diese inhaltlich ergänzend, könnten öffentlich geführte, bundesländer- und generationenübergreifende Debatten entstehen. Obwohl jedes Bundesland eigene Regelwerke und spezifischen Anforderungen an Architekt*innen hat, wäre ein solcher Austausch im größeren Maßstab enorm wichtig, um als österreichische Architekturprofession auf heutige wie künftige Herausforderungen adäquate Antworten geben zu können.


Quellen/Anmerkungen_
(1) Einige aus dieser Gruppe haben die Ziviltechniker*innenprüfung noch nicht absolviert und dürfen sich laut österreichischer Gesetzeslage deshalb nicht als Architekt/in bezeichnen, ein Thema, das während der Workshops öfter zur Sprache kam.
(2) Neben Ella Felber und Silvester Kreil besteht das Kernteam aus Solveig Furu Almo, Anna Firak, Lukas Pankraz Mähr, Natascha Peinsipp, Theresa Reisenhofer und Felix Steinhoff. 
(3) Der Begriff Architekturarbeiter*in wird hier als Sammelbegriff für Personen genutzt, die unabhängig davon, ob sie Mitglieder der Ziviltechniker*innenkammer sind oder nicht, an Architektur arbeiten, z. B. als Angestellte in einem Architekturbüro ohne selbst Mitglied in der ZT Kammer zu sein.

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