Zum dritten Mal wurde heuer der planlos award 2015, eine Initiative der IG Architektur, verliehen, der sich zum Ziel gesetzt hat, auf die „inkompetentesten und planlosesten Entscheidungen der österreichischen Baukultur“ hinzuweisen, die das Entstehen von qualitätsvoller Architektur bereits bei der Planung und Auslobung erschweren oder unmöglich machen. Eine der drei Nominierungen ging heuer in die Steiermark: der Wettbewerb Sportpark Hüttenbrennergasse. Die Reihe der Kritikpunkte an diesem Verfahren ist lang: die Art des Verfahrens mit überzogenen Eignungskriterien und Teilnahmebeschränkung, die Umgehung des Bundesvergabegesetzes, die wenig versprechende Absichtserklärung des Auslobers sowie die geringe Vergütung des Wettbewerbs.
Eignungskriterien und Teilnahmebeschränkung
Der offene einstufige anonyme Realisierungswettbewerb für einen Sportpark mit internationaler Veranstaltungs-Ballsporthalle in der Hüttenbrennergasse Graz wurde bereits im März 2015 unter dem Vorsitz von Architekt Much Untertrifaller entschieden. Aus 32 Projekten ging, nach einer vorgesehenen Überarbeitungsphase von 10 Projekten, als Gewinnerin die ARGE Architekt Winfried Lechner (Ingenos) + projekt.cc hervor. Teilnahmeberechtigt waren ausschließlich ArchitektInnen, ZivilingenieurInnen für Hochbau und ZT-Gesellschaften mit entsprechender aufrechter Befugnis und mit Kanzleisitz in der Steiermark – eine erstmalig(!) auftretende Teilnehmereinschränkung bei offenen Wettbewerbsverfahren in der Steiermark. Zum Nachweis ihrer technischen Leistungsfähigkeit mussten zusätzlich als Eignungskriterium zwei Referenzprojekte im Vorfeld der Wettbewerbsbearbeitung eingereicht werden: ein Projekt mit mindestens € 6,0 Mio. Nettobaukosten, Gebäudeklasse offen, und das zweite Projekt mit mindestens € 3,0 Mio. Nettobaukosten, Gebäudeklasse 6 gem. HOA 2004 oder höher. Bei diesen Referenzen muss der Bearbeitungsumfang gem. HOA 2004 jeweils mindestens Vorentwurf, Entwurf und Einreichplanung umfassen und die Baufertigstellung im Zeitraum 2004 bis 09/2014 erfolgt sein. Jede/r, der diese Eignung nachweisen konnte, durfte am Verfahren teilnehmen.
Das junge bereits etablierte Siegerbüro projekt.cc mit Kanzleisitz in Graz konnte diese Referenzen alleine nicht aufbringen. Sie mussten für das Wettbewerbsverfahren eine Arbeitsgemeinschaft (ARGE) mit einem Kollegen eingehen. Auch das Architekturbüro MA-QUADRAT.AT Mariacher & Partner ZT KG, das 2011 den EU-weiten offenen, einstufigen, anonymen Realisierungswettbewerb Neubau des ASKÖ Centers mit 5,8 Mio. € Baukosten für sich entscheiden konnte, war nicht in der Lage die geforderten Referenzen für den WB Hüttenbrennergasse alleine aufbringen. Eine eigene Kategorie für die Teilnahme junger Büros, wie es vor einigen Jahren noch Usus bei derartigen Ausschreibungen war, sucht man in dieser Auslobung vergebens.
Man könnte nun davon ausgehen, dass, wenn man in ein derartiges Verfahren mit Teilnahmehürde geht und damit auch einen zusätzlichen Arbeitsaufwand hat, der Architekt wenigstens eine Aussicht auf einen entsprechenden Auftragsumfang der Generalplanung bzw. zumindest die gesamten Planungsleistungen, erhält. In diesem Fall darf, lt. Absichtserklärung in der Auslobung, lediglich mit einer Beauftragung bis zur Einreichplanung und hinsichtlich der weiteren Architekturplanungsleistungen (Werk- und Detailplanung, künstlerische Oberleitung, Technische Oberleitung) mit einer in der folgenden Ausschreibung des Totalunternehmerverfahrens festgeschriebenen „Verpflichtung“ zur weiteren Beauftragung gerechnet werden. Damit wird einmal mehr der Architekt in seiner Kompetenz beschnitten und die Architektenleistungen verkommen zu reiner Subleistung im Bauprozess.
Umgehung des Bundesvergabegesetzes
Die Finanzierung des sich auf 16,7 Mio. € Gesamtkosten inkl. Einrichtung belaufenden Projekts ist durch eine Drittel-Aufteilung von Bund, Land und Stadt lt. Gemeinderatsbeschluss der Stadt Graz vom 20.03.2014 scheinbar bereits gesichert. Stefan Herker, Präsident der Sportunion Steiermark betont, dass es aber noch keine verbindlichen Förderbeschlüsse gibt und damit das Risiko der Realisierung und die Kosten vom Wettbewerb bis zur Einreichplanung in der Höhe von 0,5 Mio. Euro von der Sportunion getragen wird. „Wir haben den Wettbewerb selbst finanziert, wir wollen wissen, wer der Architekt ist, und wir wollen ein Mitspracherecht, wir wollten konkret mitreden und nicht irgendwann das Projekt übergeben bekommen“, argumentiert der Landesgeschäftsführer der Sportunion Markus Pichler, „denn es gibt keine funktionierenden Sporthallen in Österreich, selbst die neue Grazer ASKÖ-Halle ist nicht fernsehtauglich. Zudem erhält man die Förderung beim Bund erst konkret nach Vorlage des Projekts.“
Mit diesen Argumenten wurde der Wettbewerb nicht als EU-weites offenes Verfahren nach Bundesvergabegesetz (BVergG) und nicht nach „Grazer Modell“, gegen die Bemühungen der Stadt Graz bzw. des Gemeindratsbeschlusses, durchgeführt. Die Sportunion stützt sich rechtlich bei ihrem Auftritt als privater Bauherr auf ein „Expose“ eines Rechtsanwaltes, das der ZT-Kammer nicht vorgelegt wurde. Also wieder einmal die alt bekannte und bewährte Diskussion um private versus öffentliche Auftraggeber: Wobei in diesem Fall die Anwendung das BVergG klar vorgibt, dass neben der Vergabe von Bau- und Dienstleistungsaufträgen und der Durchführung von Wettbewerben durch öffentliche Auftraggeber (Bund, Länder und Gemeinden) auch jene Vergaben im Oberschwellenbereich, die zu mehr als 50 vH direkt von der öffentlichen Hand subventioniert werden, zu regeln sind. Weiters greift das BVergG bei den im Gesetz explizit genannten Bauaufträgen (inkl. Planung) oder damit in Verbindung stehenden Dienstleistungsaufträgen, u.a. die Errichtung von Sport- und Freizeitanlagen, des Weiteren Krankenhäuser, Erholungsanlagen, Verwaltungsgebäude, Schulen und Hochschulen (§3 Abs.2; Anhang II).
Die Zerstückelung der Aufträge in einen Wettbewerb mit Beauftragungsabsicht bis zur Einreichplanung und einen danach auszulobenden Totalunternehmerverfahrens ist sicherlich nicht im Sinne des BvergG.
Fakt ist, dass keine rechtliche bzw. gerichtliche Klärung bzgl. der Anwendung des BvergG erfolgte und beinahe die gesamte Finanzierung aus Mitteln der öffentlichen Hand stammte. Dass es seitens des Bundes und des Landes keine Bindung der Fördermittel an Vergabeverfahren entsprechend des BVergG gibt. Dass derartige Projekte nicht über den Tisch des im Bundeskanzleramt angesiedelten Beirats für Baukultur und auch nicht über den Baukulturbeirat Land Steiermark, in denen die unterschiedlichsten Vertreter von Institutionen und Ämtern sitzen, laufen bzw. dort diskutiert werden. Fakt ist auch, dass die seit 2009 vorhandenen steirischen Baupolitischen Leitsätze noch immer nicht für Gemeinden und Land verbindlich verankert sind. Und dass keiner der TeilnehmerInnen bzw. der potenziellen TeilnehmerInnen, die aufgrund der Verfahrensbedingungen nicht teilnehmen konnten, sowie kein Jurymitglied gegen dieses Verfahren innerhalb der gesetzlichen Fristen Einspruch bzw. Bedenken erhoben hat.
Zu geringe Wettbewerbsvergütung
Neben dem kollektiven Versagen von Bund, Land bis zur Stadt ist vor allem die (standes)politische Rolle der ZT-Kammer zu hinterfragen. Dem Mangel an Vertrauen an die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft der Architekten sowie der Tatsache, dass scheinbar die Finanzierung im Vorfeld des Wettbewerbs nicht ausreichend abgesichert war und das Verfahren schlussendlich nicht als EU-weit offener Wettbewerb nach BVergG ausgelobt wurde, hatte die ZT-Kammer nichts entgegenzusetzen – vielmehr hat sie der Kooperation zum Verfahren zugestimmt und ihre Preisrichter nominiert. Zudem wurde seitens der Kammer und der Jury bei der konstituierenden Sitzung, bei der alle Auslobungsunterlagen schlussendlich vorliegen, die Preisgeldsumme nicht mehr beanstandet bzw. hinterfragt. Die Preisgeldsumme beim WB Hüttenbrennergasse betrug 59.500 Euro bei einer Nutzfläche (ohne Funktions- und Verkehrsfläche) von ca. 6.200 m² und ist im Vergleich zum Mindestpreisgeldsummen-Diagramm für offene und nicht offene Realisierungswettbewerbe in der WSA 2010 (siehe Grafik links bzw. WSA 2010 Seite 48) zu niedrig angesetzt.
Kommentar zum Wettbewerbsverlauf
Der Fall des Wettbewerbs Hüttenbrennergasse zeigt wieder einmal auf, dass das eigentliche Ziel von derartigen Verfahren mit Eignungskriterien bzw. Bewerberverfahren, seine TeilnehmerInnen und deren langjährige Leistungsfähigkeit zu kennen bzw. auswählen zu können, sich nicht erfüllt hat. Das Kriterium der aufrechten Befugnis hätte ausgereicht und den TeilnehmerInnen Zeit und Kosten gespart. Zudem stehen die geforderten Eignungsnachweise, vor allem die Referenzen, zumeist in keinem angemessenen Verhältnis zum Auftragsgegenstand, vgl. u.a. den Wettbewerb Neubau Kommunalwerkstätte Sturzgasse Graz (2014-15). Die Folge ist eine Spezialisierung des Aufgabenspektrums. Dies lässt sich u.a. bereits seit einigen Jahrzehnten im Krankenhausbau verfolgen, bei dem die immer gleichen wenigen großen Anbieter, die allein die sachlich nicht zu begründenden Anforderungen der öffentlichen Auftraggeber erfüllen können, zum Zuge kommen.
Zudem sind Zugangsbeschränkungen kein geeignetes Instrument, um Bauqualität und qualifizierte Leistungsprognosen für die Projekte zu erzeugen bzw. zu bewerten. Vor allem dann, wenn die Referenzen gar nicht durch die Architekten selbst erbracht wurden, sondern von den Partnern (u.a. auch Fachplanern) und unter anderen Voraussetzungen.
Nicht die Eignungskriterien, Referenzen, Büroumsätze etc., sondern die jeweilige Leistung der TeilnehmerInnen in einem Wettbewerb muss über die Vergabe eines öffentlichen Planungsauftrags entscheiden. Die Qualität des Wettbewerbsbeitrags ist dabei entscheidend und bis dato konnten sich die steirischen ArchitektInnen auch ohne regionale Beschränkung im internationalen Wettbewerbswesen gut behaupten.
Es stellt sich somit die Frage: Vertritt die Kammer wahrlich die Interessen aller ihrer Mitglieder und als Körperschaft öffentlichen Rechts in ausreichendem Masse die Interessen und die Gesetzgebung des Bundes und damit auch der öffentlichen Hand? Und hätte die Kammer in diesem Falle nicht von einer Kooperation Abstand nehmen müssen?
danke petra,
gut geschrieben und ein apell an alle, endlich drüber nachzudenken wie man ohne jedes mal bei null anzufangen einfach das macht wozu man berufen ist, eine teilnahme an einem wettbewerb einereits ohne ausschweifendes wenn und aber zu zulassen (öffentliche hand) und andrerseits selbst entscheiden zu können ob ich daran teilnehme oder nicht (architektIn). ständig diese angst hinter jedem den ich nicht kenne steckt ein gauner, einer der nix kann und der mich nur über's ohr hauen will - VERMUTUNG - diese "angst" kommt vielleicht daher, weil viele entscheidungsträger vielleicht selbst so sind oder so denken, wovor sie sich schützen wollen. es gilt natürlich die unschuldsvermutung, auch für herrn herker. aber es wäre endlich an der zeit die regelwerke die es gibt einfach anzuerkennen und damit zu arbeiten und nicht ständig sich hinter expertisen zu verstecken, die immer nur im nicht vorhhandenen kleingedruckten lesen und interpretieren. und vorallem endlich zu akzeptieren, dass mit öffentlichen mitteln zu bauen keine frage des persönlichen und privanten geschmacks ist.
Wir raten zur Klage
Der Artikel von Petra Kickenweitz trifft den in Deutschland genauso vorhandenen Sachverhalt – einmal wieder – auf den Kopf:
Auslober, denen die Regendichtheit eines Gebäudes die einzig denkbare architektonische Kategorie zu sein scheint, Kollegen, die sich auf zwielichtige Wettbwewerbsverfahren sowohl als Preisrichter, als auch als Teilnehmer einlassen, Berufsvertretungen, sprich: Architektenkammern, denen der Angstschweiß auf der Stirn steht, diesem allen wirksam zu wiedersprechen usf. usf.
Wir haben vor diesem Hintergrund die wettbewerbsinitiative e. V. gegründet (http://www.wettbewerbsinitiative.de/) und inzwischen eine durch crowdfunding finanzierte Beschwerde bei der EU-Kommission eingereicht, da die beschriebene Praxis auch in eklatantem Widerspruch zum EU-Recht steht.
Unsere Erfahrung hier, v. a. in Berlin, läuft daraus hinaus: Das einzige, was wirklich dagegen hilft, ist, sich Top-Anwälte zu nehmen und mit Ihnen gegen unbelehrbare Auslober vor Gericht zu ziehen, bzw. damit zu drohen. Die Vergabegesetze geben das wirklich her, und in nehme stark an, daß das auch in Österreich zutrifft.
Die Generation, die zur Zeit die Vergabegeschicke bestimmt, ist – Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel – scheinbar unbelehrbar in Ihrer sehr eigenen Auffassung, daß man sich um kommende Architektengenerationen nicht zu kümmern braucht, von der Baukultur ganz zu schweigen.
Viele Grüße in das schöne Graz,
Jörn Köppler