Architekturwettbewerbe sind aus Sicht von ArchitektInnen ein unverzichtbares Instrument der Baukultur und stellen für junge Büros ein wichtiges Mittel der Auftragsbeschaffung dar. ArchitektInnen betrachten speziell offene Wettbewerbe auch für den Auslober vorteilhaft, da von einer unabhängigen Jury aus einer Vielzahl von Projekten nach objektiven Kriterien das bestmögliche Projekt ermittelt wird.
Wettbewerbsauslober sehen das leider oft anders: Sie möchten ihren zukünftigen Partner und seine Kompetenz kennen, selbst die Kontrolle in der Hand behalten, auf Altbewährtes zurückgreifen und scheuen schließlich auch die Kosten für einen Wettbewerb.
Aus diesen Gründen wird versucht, Wettbewerbe teils ganz zu umgehen oder zumindest die Teilnehmerzahl mittels Bewerberverfahren auf bekannte, große Büros zu beschränken. Hierzu müssen von den Teilnehmern gewisse Referenzen nachgewiesen werden. Die Auslober erwarten sich erhöhte Planungssicherheit und kompetente Ausführung und Abwicklung von Projekten, wodurch sich wiederum vor allem kleinere Büros um Möglichkeiten betrogen fühlen.
Bewerberverfahren
Wer in Österreich ArchitektIn werden möchte, muss studieren, drei Jahre in einem Büro arbeiten und schließlich die Ziviltechnikerprüfung ablegen. Diese Ausbildung berechtigt zumindest auf dem Papier zum Planen und Bauen von Projekten jeglicher Größenordnung. De facto kann jedoch die Kompetenz für ein Projekt durch hochgelegte Referenzanforderungen abgesprochen werden. Selbstverständlich können manche Projekte nicht von jedem Büro umgesetzt werden. Wer sich mit seinen Fähigkeiten nicht in der Lage sieht, eine bestimmte Bauaufgabe meistern zu können, muss von einer Teilnahme am zugehörigen Wettbewerb Abstand nehmen. Selbst wenn das nicht der Fall sein sollte, wird der Beitrag von einer fachkundigen Jury entsprechend bewertet werden und es nicht zum Auftrag kommen.
Werden restriktive Zugangsregeln weitergedacht, so ergibt sich die Situation, dass sich große Büros weiter etablieren und ihre Marktstellung ausbauen können, während kleinere Büros aufgrund fehlender Referenzen nicht teilnehmen und somit auch in Zukunft die Anforderungen nicht erfüllen werden können. Der Nährboden für diese selbstverstärkende Spirale ist in Österreich vorhanden und in Deutschland bereits weiter fortgeschritten.
Wettbewerbsvermeidung
Für öffentliche Bauaufgaben müssen in den meisten Fällen per Gesetz Wettbewerbe durchgeführt werden. Wettbewerbe sind jedoch in der öffentlichen Wahrnehmung nicht als Beitrag zur Baukultur verankert – hier ist Aufklärungsbedarf gegeben. Nicht zuletzt deshalb wird versucht, Wettbewerbe zu umgehen. Eine Strategie hierfür ist es, die Kosten für die Bauaufgabe sehr niedrig anzusetzen, oder das Projekt zu zerteilen um das Wettbewerbsverfahren überschau- und kontrollierbar gestalten zu können.
Eine weitere Möglichkeit zur Vermeidung ergibt sich durch die zunehmende Privatisierung von staatlichen Aufgaben. So werden komplizierte Rechtskonstruktionen geschaffen, die den öffentlichen Charakter einer Bauaufgabe wirksam verschleiern. Abgesehen von dem Umstand, dass hier wieder kleinere Büros systematisch benachteiligt werden können, sollte es Aufgabe der Politik sein, verantwortungsvoll mit öffentlichen Geldern umzugehen. Der anonyme Architekturwettbewerb stellt im Idealfall ein hervorragendes Mittel dar, optimale Lösungen zu finden und er trägt dazu bei, Vetternwirtschaft in der dafür berüchtigten Baubranche zu unterbinden.
Grazer Modell
Das Grazer Modell ist ein Kompromiss. Die Stadt verpflichtet sich selbst und private Investoren bei großen Projekten zur Durchführung von Wettbewerben nach diesem Modell. Es handelt sich hierbei um ein geladenes Verfahren, bei dem üblicherweise seitens der Auslober kleinere Büros nicht teilnehmen können. Hier hakt die Berufsvertretung der ZiviltechnikerInnen ein: Zusätzlich zu den geladenen Büros werden sechs Büros, die noch nie an einem geladenen Verfahren teilgenommen haben, aus einem Wettbewerbs-Topf der ZT-Kammer gelost. Von diesen sechs wählt die Stadt drei aus, die an dem Verfahren teilnehmen können. Damit soll jungen Büros eine Chance geboten und Vielfalt in der Planung hergestellt werden.
Problematisch erweist sich das Grazer Modell, wenn es als Gewähr für Qualität vorgeschoben wird. Bebauungspläne sollten im Vorfeld von Wettbewerbsauslobungen die Grundlage von spezifischen Projektplanungen darstellen. Sie sollten von der Stadt entwickelt oder durch eigene Wettbewerbe gewonnen werden. In Graz werden aber vermehrt Projekte nach dem Grazer Modell durchgeführt und nachträglich die Bebauungsplanung an das, durch den Wettbewerb generierte, Bauvorhaben angepasst. Dadurch wird ein Gestaltungsmittel der Stadt ausgehöhlt und wertlos, da die in den Ausschreibungen geforderten Kriterien für das Verfahren bindend sind, aber einer vernünftigen Stadtplanung widersprechen können.
Sitzkreis: Junge ArchitektInnen und Kammervertreter
All diese Themen und viele weitere wurden bei einem Sitzkreis der Zentralvereinigung der ArchitektInnen Steiermark am 26. Februar 2015 ausführlich und hitzig diskutiert. Anwesend waren Vertreter der ZT-Kammer und etliche junge ArchitektInnen. Augenscheinlich war ein großes Misstrauen zwischen Kammermitgliedern und -vertretern und dass die Berufsvertretung natürlich nicht nur junge Büros zu vertreten hat. Lediglich die Tatsache: „Beim Wettbewerbswesen liegt einiges im Argen“, kann als Konsens genannt werden. Konkrete Vorschläge für eine Verbesserung fehlten, obwohl es an der Zeit zu handeln wäre. Einmal verfestigte Strukturen können schwer wieder aufgebrochen werden.