21/06/2024

Der historische 6200-Metern-lange Laßnitzhöher Villenwanderweg wurde im Jahr 2012 geschaffen, mit einer Erweiterung in Kainbach bei Graz im Jahr 2015. [1]

In der Zwischenkriegszeit als Wintersportzentrum berühmt geworden – die Schanzenstraße verdankt ihren Namen den Sprungschanzen –, ist Laßnitzhöhe heute als Kurort bekannt.

Im Herbst vorigen Jahres, am Tag des Denkmals, haben sich Architekturinteressierte und Bewohner:innen aus Laßnitzhöhe gemeinsam mit der Gemeinderätin Angela Meister und der Publizistin, Fachjournalistin und Architekturvermittlerin Karin Tschavgova auf einen Spaziergang zu den teils denkmalgeschützten Villen und ihren früher weitläufigen Parks und Gärten des Kurorts begeben.

Autorin Carlotta Bonura war bei dem Spaziergang dabei und beschreibt beeindruckend inspirierende historische und gegenwärtige Beobachtungen und Hintergründe.

21/06/2024

Elisenheim, September 2023, Abb. 2

©: Carlotta Bonura

1.Kurhaus, September 2023

©: Carlotta Bonura

3.Villa Irene, September 2023

©: Carlotta Bonura

4. Greimelvilla, September 2023

©: Carlotta Bonura

5.Villa Lug ins Land, September 2023

©: Carlotta Bonura

6.Villa Lug ins Land, September 2023.

©: Carlotta Bonura

7.Villa Lug ins Land, September 2023

©: Carlotta Bonura

Im Zuge der Erschließung der Region durch die Eisenbahn 1873 entstand in der Laßnitzhöhe ein Kurzentrum. Viele ungarische Gäste kamen mit dem Zug aus dem Osten, so auch die Gräfin Paula Ápponyi de Nagy Áppony (Hofdame der Kaiserin Sissi), die in der Irenenvilla ihren Sommer verbrachte. Im Laufe der Zeit entstanden in der Gegend Parkanlagen, Villen und kleinere Gebäude, die auch als Unterkünfte für Ärzte (Garten- oder Doktorvilla) und für die Gesellschaft der Kurgäste (Sonnenvilla und Villa Bergfried) dienten. Bereits 1898 wurden auf Initiative des Arztes Fritz Huber eine Pension und die ersten Villen, Vorgänger des Kurhauses, errichtet.

Als Italienerin bin ich hier natürlich auch Touristin, wie damals die ungarischen Gäste aus dem Osten auf der Hauptstraße in LaßnitzhöheBeim Spaziergang durch die sattgrüne Landschaft, die noch etwas nass vom Regen ist, fällt es mir nicht schwer zu verstehen, warum hier ein Erholungsgebiet entstanden ist. Das sah auch Dr. Eduard Miglitz so, als er im Jahr 1900 das Konsortium Laßnitzhöhe Heilanstalt und Sommerfrische reg. Gen.M.b.H. gründete. Die Neu- und Umbauten der folgenden Jahre wurden unter anderem vom Architekten Karl Haybäck ausgeführt, so auch das im Stil der altdeutschen Renaissance erbaute Kurhaus. Das ursprüngliche Gebäude, im Zentrum des Kurparks, umgeben von der Villenanlage, mit Türmchen, Kuppeln und Erkern geschmückt, wurde 1901 umgebaut und erweitert zum Kurhaus. (Abb. 1)

Mit dem Aufschwung des Tourismus entstanden in den letzten Jahren des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts (Spätgründerzeit) repräsentative Unterkunfts- und Kuranstalten, die durch Türmchen, holzgeschnitzte Details, Erker, Fensterläden, Giebel und Mauerdekor gekennzeichnet sind. Langsam wurde auch die Wohnhausbebauung vom Stil der historischen Villen geprägt.

Viele berühmte Persönlichkeiten wie Peter Rosegger, die Opernsängerin Ljuba Welitsch, Roberta Knie und Judy Bounds-Coleman verbrachten den Sommer im Kurort. Mit der Ernennung zum Kurort 1928 und der Bildung des Kurbezirkes aus den damaligen drei Gemeinden Höf, Nestelbach und Wöbling (Laßnitzhöhe) wurden in der Zeit bis zum Zweiten Weltkrieg die bestehenden Villen erweitert. Das starke Bevölkerungswachstum und die rasche Suburbanisierung der 80er Jahre brachte den heute sichtbaren Mix verschiedener Baustile.

Die Villen wurden oft nach der Familie, dem Zweck oder der Frau benannt. Daher die Namen Elisenheim (nach der Frau des ersten Feuerwehrhauptmanns Nagel), Pension Luisenheim (nach der Besitzerin Aloisa Griessl, Schwester des Besitzers des Botenhofes und der Botenhofkapelle), und Irenenhaus, auch Villa Irene (nach der Frau von Dr. Miglitz, Baujahr 1901). Die im altdeutschen Stil erbaute Villa Irene befindet sich im ausgezeichneten Zustand und wird noch bewohnt. (Abb. 2,3)

Die Natur ist hier willkommen und rückt immer näher an das Bauwerk heran. Es ist klar, dass diese alten Bauwerke nur mit viel Liebe und Aufwand und natürlich durch ihre Nutzung am Leben zu erhalten sind. Diese Landschaftsmerkmale müssen leben, sich entwickeln und aktiv bleiben. (Abb. 4)

Der interessierte Betrachter erkennt an diesem Weg, ohne lange nachzudenken, dass hier in den letzten Jahren viele Bauten entstanden sind, die das Bild der Landschaft und der historischen Villen stark verändert haben. Das Kurhaus wurde umgebaut, viele Gebäude wurden erweitert und angebaut, ohne viel Rücksicht auf den architektonischen Wert des Bestandes oder auf das Ortsbild zu nehmen. Ein Teil des Problems würde darin liegen, dass die Gemeinde Laßnitzhöhe keinen Ortsbildschutz und keinen Sachverständigenbeirat hat.

Schließlich führt uns der Weg zum letzten Juwel, dem wir auf dem Villenwanderweg begegnen werden: die Villa Lug ins Land, worüber schon Antje Senarclens de Grancy 2022 im GAT berichtet hat. [2] Die Geschichte dieser Villa führt auf die Grazer Likörfabrikantenfamilie Mlekus zurück. 

Sie waren von der Villa Hellenaion des Architekten Adalbert Pasdirek-Coreno im Stiftingtal so beeindruckt, dass sie ihn 1905 mit der Planung eines Sommerhauses in Laßnitzhöhe beauftragten. Der Architekt hatte in Wien, an der Akademie der bildenden Künste, bei Karl Freiherr von Hasenauer studiert. Die Villa Lug ins Land, deren Name zu einem Blick in die umgebende Landschaft einlädt, steht heute unter Denkmalschutz und ist eines der markantesten Bauwerke der Region. Diese Villa unterscheidet sich von den Bauten, die damals im Kurort gebaut wurden: ein Sommerhaus mit Park für eine Familie, die offensichtlich großen Wert auf Garten, Wald und Landschaft legte. Eindeutig dem Jugendstil zuzuordnen, mit Bezügen zu den Villen von Adolf Loos, Josef Hoffmann und Otto Wagner und unter dem Einfluss mediterraner Bauten, hebt sich die Villa heute vom Rest ab. „[…] Villa Luginsland bezieht sich ganz offensichtlich auf den Typus des Aussichtsturmes, der eine weite Landschaft überblickt. Anders ist es nicht zu erklären, dass die nur eine geringe Fläche des großen Grundstücks einnehmende Villa gleich drei Geschoße besitzt.” [3] (Abb. 5-6) 

In der verwüsteten Landschaft, ihres verwilderten Parks beraubt, steht sie aktuell im Mittelpunkt eines spannenden Diskurses über den architektonischen und gesellschaftlichen Wert eines Baudenkmals. Laut Karin Tschavgova, Urenkelin des Kaufmanns Vinzenz Fink (der die Villa der Familie Mlekus abkaufte), die 1999 die Sanierung der Villa für ihre Großtante durchführte, sind die Parkanlage, die Bäume und der Zaun untrennbar mit dem Gebäude verbunden, da sie gemeinsam gestaltet wurden. Pasdirek-Coreno schrieb über „Moderne Architektur“, über das Haus als Individuum, in dem nichts zwecklos ist. [4]

Vinzenz Fink dürfte seiner Frau Josefine Fink die Hälfte des Besitzes überlassen haben; sie scheinen beide ab 1939 als Besitzer auf. Damals wurde allerdings nur das Gebäude, nicht aber der Park unter Denkmalschutz gestellt. Nach dem Verkauf an eine Immobiliengesellschaft wurde der gesamte Park entfernt und der ursprüngliche Zaun abgebaut.

Im Rahmen des Villenwanderwegs erzählt Karin Tschavgova nicht nur von einer Villa. Sie erzählt ihre Familiengeschichte, beginnend mit ihrem Urgroßvater. Er wäre gerne Architekt geworden, deshalb interessierte er sich für das Gebäude und erweiterte es um einen Bibliotheksanbau an der Straßenseite.

Heute steht die Villa allein, ohne den Kirschbaum, der sie lange Zeit begleitete, auf einem geräumten Grundstück. Auch die Terrasse mit Blick in die Landschaft, auf der die Familie an den Geburtstagen der Großtante saß, gibt es nicht mehr. Die Dusche auf dem Flachdach funktioniert nicht mehr. Die Villa steht nackt da, ohne die Bäume, die ihr Bild schützten. (Abb. 7) 

Das betroffene Grundstück ist als Bauland ausgewiesen und als „Wohnen allgemein“ gewidmet, es existieren keine Baugrenzlinien und die Villa erscheint im Flächenwidmungsplan als „Zone 2 Richtlinie 2, primärer Siedlungsraum“. Ein Projekt für eine verdichtete Wohnbebauung wurde eingereicht und im Jänner 2024 hat die Bauverhandlung für die Bebauung des Grundstücks der Villa Luginsland in Laßnitzhöhe stattgefunden. Von der Marktgemeinde Laßnitzhöhe wurde ein Ortsbildgutachten eingeholt, das im Juli 2023 erstellt wurde und keine wesentlichen Einwände gegen das Bauvorhaben enthielt. Daraufhin wurde vom SPÖ-Gemeinderatsclub Laßnitzhöhe ein Gegengutachten bei Prof. Anselm Wagner im Auftrag gegeben (März 2024). Darin beschreibt Prof. Wagner die architekturgeschichtlichen Elemente, die das Bauwerk so besonders und damit schutzwürdig machen.[5]

Für die damaligen Kinder aus Laßnitzhöhe war die Villa ein Schloss, halb versteckt in ihrem Wald. Wie es innen aussah, davon konnte man nur träumen. Die Villa, von ihrem grünen Kleid beraubt, steht nun völlig offen zur Hauptstraße hin. Dass ein besserer Umgang mit dem historischen und architektonischen Bauwerk bis jetzt nicht möglich war, macht einen traurig. Ob die Villa in ihrem ursprünglichen Umfang und Konzept noch zu retten ist, bleibt aber noch offen.

Es bleibt auf jeden Fall zu hoffen, dass man aus dieser Geschichte lernen kann und dass der öffentliche Diskurs und das Kulturerbe von jedem und jeder von uns mitgetragen wird. Denn für die Erhaltung eines historischen Denkmals im ursprünglichen Umfang und seiner vollen Schönheit sind wir alle verantwortlich.

 

__________Quellen:

[1] Die Villen der Marktgemeinde wurden im Bilderband „Wiedersehen mit Laßnitzhöhe“ dokumentiert. Die Folder und Flyer zum Villenwanderweg liegen im Büro des Tourismusverbandes Erlebnisregion Graz auf. Dort gibt es auch die dazugehörige Wanderkarte.

[2] „Villa Luginsland in Laßnitzhöhe“ von Antje Senarclens de Grancy (GAT, 27.07.2022) 
„In liebevoller Erinnerung: Villa Luginsland. Flugblätter zeigen Neubebauung“ (GAT, 24.07.2023)

[3] Prof. Anselm Wagner, Bericht „Aussichtsarchitektur ohne Aussicht? Zur Bedeutung der Villa Luginsland von Adalbert Pasdirek-Coreno“ (GAT, 13.05.2024)

[4] „Villa Luginsland in Laßnitzhöhe“ von Antje Senarclens de Grancy (GAT, 27.07.2022).

[5] „Aussichtsarchitektur ohne Aussicht? Zur Bedeutung der Villa Luginsland von Adalbert Pasdirek-Coreno“ von Anselm Wagner (GAT, 13.05.2024). 

 

Die erwähnten GAT-Artikel sind in den Verweisen abrufbar und nachzulesen!

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