Der Salone del Mobile Milano ist noch größer geworden. Es gibt 2014 noch mehr Möbel, Objekte und noch mehr Celebrity und Parties zu beobachten. Dieser, vorab schon durch die Medien gejagte Eindruck, hat sich trotz gegenteiliger Aussagen eines Mailänder Taxifahrers, voll und ganz bestätigt. Aus diesem Grund hat es keinen Sinn, ein eindeutiges Fazit zu ziehen oder einen vollständigen Überblick zu vermitteln, von dem, was auf der Mailänder Möbelmesse Thema war und erlebt werden konnte. Irgendwie bleibt der Eindruck diffus, zu flimmernd und zu ungeordnet. In kleinen Fragmenten stellt sich dennoch dar, dass zuweilen etwas wirklich Neues gelingt und dennoch die bekannten Variationen an Sesseln, Tischen, Leuchten und Farben ihre Berechtigung haben.
Erst zum Neuen: Da gibt es die niederländische Designerin Nienke Sybrandy, die mit einfachen Kinderseifenblasen Porzellan durch azurblaue, zarte Flecken veredelt. Sie hält damit die Zeit an, stoppt den Kindertraum in dem Moment, in dem er platzt und stellt ihn zurück auf den Tisch der Erwachsenen. Kaum zu glauben, wie atemberaubend sich dadurch die Oberfläche der Teller, Schüsseln und Tassen verändert. 180 Euro für den großen Teller spiegeln den aufwendigen Prozess aus personenabhängigem Handwerk und Brennzeiten wider. Eine griechische Architektin stellt aus Ton Schalen her, in denen Brot gebacken wird und anschließend, gefüllt mit Gemüse, zu Meter hohen Türmen aufgeschichtet werden kann. Auf der Lambrate, einem Gelände mit Edel-Galerien und alten Fabrikshallen, schält man gemeinschaftlich Kartoffeln für belgische Pommes Frites oder lässt sich entspannt von den Marketingprofis der Burg Giebichenstein für wirklich gut gemachtes Design begeistern. Mario Minale stellt, begleitet von alten Kupferstichen einer Zitatelle, Verbindungselemente für einfache Kanthölzer vor. Die Knotenpunkte sind aus Kunststoff im Rapid-Prototyping produziert. Zusammengesteckt mit den Kanthölzern ergeben sie Tische, Garderoben oder kleine Schränke. Er berührt da schon die Grenzen des Designs, an denen es irgendwie zu einer architektonischen Struktur wird.
Wo hat nun die Architektur ihren Auftritt auf dieser Möbelmesse? Sie bildet oft Kulisse für die vielen Objekte und Installationen. Ohne die Räume der mit abblätternder Patina auftrumpfenden Palazzi in der Innenstadt von Mailand, wäre die Möbelmesse kein High-Light, kein einmaliges Erlebnis. Ohne die elegant geschnittene Etagenwohnung aus den 1960ern, die Fritz-Hansen für seinen Showroom umbaute, wäre der wieder neu aufgelegte Egg-Chair in seiner unaufgeregten Farbpallette viel weniger eindrucksvoll. Ohne die aufwendigen Messebauten der großen Firmen Laufen (Keramik), Gaggenau (Küchen), Kartell (Acryl) oder Vitra wären die Besuche der Mailänder Messehallen nicht die Hälfte der Eintrittskosten wert.
Da übertrifft ein Raum den nächsten. Laufen engagiert z. B. Konstantin Grcic und Toan Nguyen für die Standgestaltung. Der eine gestaltet monochrom in weiß, und lässt - wie in der Fabrik - die fertigen Keramiken auf den Brennplatten im Raum aufreihen. Der andere hält sich schwarz in schwarz, lässt dadurch drei Kameras aus dem Blickfeld der Besucher verschwinden und überrascht den Einzelnen damit, dass über eine Videoinstallation die eigenen Bewegungen von drei Seiten in Echtzeit sichtbar werden. Man sieht sich, wie man sich in seinem eigenen Badezimmer wohl nie sehen wird, fühlt sich ertappt in dem Moment, in dem man auf die Keramikoberfläche des Ausstellungsobjekts greift und in den Spiegel schaut.
Im Scandinavian Workshop, untergebracht in einer alten Werkshalle im Stadtzentrum, wird man Teil einer szenischen Raumgestaltung. Nicht nur ausnahmslos jeder Stuhl, der ausgestellt ist, ist hier bequem, die Ausstellungsarchitektur verhält sich angenehm dynamisch. In knappen Zeitabständen verschieben Helfer einzelne Wände. Immer wieder wechselt so der Raumeindruck und ein anderes Möbelstück, ein anderer Weg durch den Raum rückt in den Fokus.
Endlos mehr Einzeleindrücke wären hier noch zu nennen, wie z.B. die Vorschau auf das Thema der Biennale Interieur – Kortrjik, deren Team mit sauber gezeichneten Schnitten durch Wohnbauten der letzten 300 Jahre die Gestaltung des privaten Raums als Thema neu entdecken. Domesticity zeigt private Räume als Spiegel und Fokus der Gesellschaft von morgen.
Oder der Auftritt des Instituts für Raumgestaltung der TU Graz unter dem Titel amm-architekten machen möbel, der mit geballtem Enthusiasmus der Studierenden vermittelt, dass qualitativ und formal ansprechendes Design keineswegs die Sache großer Player ist, sondern von nachvollziehbaren Ideen und handwerklicher Sorgfalt abhängt.
Was letztlich unerwartet war? Monochromatische Räume, also die Einfärbigkeit ist zurück ab diesem Jahr. Farben sind, nach langer Zeit der Zurückhaltung und der Naturfarbenpaletten, wieder erlaubt, sowohl im Design als auch in der Gestaltung von Räumen. Im Rückblick also zu viel Design, aber dafür mit richtig viel Farbe.
Erinnert Mensch sich an die
Erinnert Mensch sich an die Worte von Hans Hollein: "Alles ist Architektur." wird dieser feststellen, dass diese Aussage an Wert verloren hat. Vielmehr heißt es heute "Alles ist Design." In der Architektur, im Möbelbau, bei Gebrauchsgegenständen usw.
Alles ist Design in der Architektur und wenn nicht wird Architektur zum Design.
Die "klassische" Architektur gibt es nicht mehr, denn die Architekten designen Bauwerke, Objekte, Möbel, sowie dieses und jenes. Gebäude werden nicht mehr entworfen, sondern zuerst visuell designt und im Anschluss macht man sich Gedanken darüber wie es eventuell funktionieren, statischen Anforderungen oder ähnlichem gerecht werden kann.
Die Architektur hat sich verändert, in allen Facetten die sie zu bieten hat. Eine Tatsache mit der wir uns wohl abfinden müssen, solange nicht eine Berufung auf die "eigentlichen Wurzeln" der Architektur statt findet.