Am 18. September 2020 hat OEVERwerk die Rösselmühle im Grazer Griesviertel wieder zum Leben erweckt. Das ehemalige Arbeiterhaus der Mühle wird für einen Monat von Künstlerinnen und Künstlern sowie Studierenden der Kunstuniversität Linz bewohnt, die sich während ihrer Residency mit dem leerstehenden Industriegebäude auseinandersetzten und ortsspezifische Kunstwerke entwickelten. Der Raum und die Materialien vor Ort sind für OEVERwerk das Ausgangsmaterial. „Wir begannen damit, die Mühle auszuräumen, und dabei kamen viele Materialien zum Vorschein, die von den Künstlerinnen und Künstlern nun in ihren Projekten verwendet werden. So entsteht etwa aus alten Metallteilen eine Bar, aus Teilen eines Parkettbodens der neue Eingangsbereich und aus übriggebliebenen Mehlbeständen eine Rauminstallation“, beschreibt der Künstler und Projektleiter Antoine Turillon von der Kunstuniversität Linz die nachhaltige Nutzung und den Zugang der Kunstschaffenden. Auf dem dystopisch anmutenden Gelände tönt eine raumfüllende Soundinstallation durch mehrere Stockwerke, Mehlsäcke liegen am Boden, als wären sie dort vergessen worden, ein vom Turm hängendes Kunststoffband bewegt sich im Wind und trägt den Titel Industrial Rapunzel und im Garten neben dem Mühlgang befindet sich ein Friedhof aus gefundenen Materialien. „Ein Projekt in einem so großartigen Industriedenkmal zu realisieren – die Rösselmühle besteht seit 1270 und ist somit eine der ältesten Österreichs –, ist wirklich besonders. Der Betrieb ist seit 2014 eingestellt, nun loten die künstlerischen Interventionen den Raum transdisziplinär aus“, freut sich Elisabeth Fiedler, Leiterin des Instituts für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark, auf dessen Initiative das Projekt entstand. Vor Ort zu leben und zu arbeiten, bezieht den Kontext des Raumes als inhaltliche Grundlage in die künstlerische Auseinandersetzung mit ein. So entstanden künstlerische Interventionen, Installationen und Performances, die sich mit dem Konzept Arbeit und dem vorhandenen Raum auseinandersetzen – mit der Mühle als Industriestandort (Liesl Raff), der Mühle als architektonischer Körper (Seth Weiner), mit der räumlichen Bedeutung der Mühle für die Umgebung (Adrien Tirtiaux), mit der Geschichte der Mühle als Arbeitsstätte (Franziska Schink), mit der direkten Beziehung der Mühle zur Nachbarschaft (Larissa Meyer) und mehr. Als gemeinsames Projekt mit dem steirischen herbst '20 wird am 3. Oktober um 20 Uhr der Film Hautfront von Anna Witt gezeigt. Die Installationen, Performances und Interventionen von insgesamt 21 Künstler/innen sind für Besucherinnen und Besucher an drei Wochenenden (von 18.–20.09., 25.–27.09. und 02.–04.10.2020) frei zugänglich und werden mit Mühlentouren ergänzt. Die Rösselmühle als Objekt und Produktionsstätte bietet vielseitige Zugänge, die das Projekt OEVERwerk in Form von themenspezifischen Führungen erlebbar macht ‒ das gesamte Führungsprogramm ist auf der Webseite oeverwerk.at im Überblick dargestellt. So werden unterschiedliche Rundgänge die Geschichte und Funktion der Mühle, Architektur und Landwirtschaft, die Beziehung zwischen Industrie und Natur sowie den Bezug zu Kunst im öffentlichen Raum aufgreifen.
Ein Erlebnis!
Das Mühlengebäude zeigte sich zwar ohne die 2014 abmontierten Maschinen, aber sonst voller erstaunlicher Gegenstände, die fast unwirklich schienen. Der Geist von uraltem Handwerk, das zur Industrie wurde, zog durch den Riesenbau. Der "Spätschicht"-Kiosk, die Kantine, die Umkleideräume, die Duschen der Arbeiter machten ebenso wie das nicht perfekt aufgeräumte Büro den Eindruck: Montag gehts wieder weiter. Und so viel Unternehmens-Geschichte auf einem - im wahrsten Sinn des Wortes - Haufen! Spannend wie ein Harry-Potter-Roman für Erwachsene.
Den Komplex unter Einbeziehung der "Postgarage" (der inzwischen gottseidank denkmalgeschützten ehemaligen Artillerie-Reitschule) zu einem Kulturzentrum von Gries zu entwickeln, ist wohl ein Muss! Dass die Eigentümerin ähnliche Absichten hat, darf von der Stadtplanung wohl nicht ignoriert werden.
Der Ursprung der Mühle wird wohl richtig dem Jahr 1370 zuzuordnen sein, aber das ist nur ein winziger Teil der Chronik, die in http://stadtteilarbeit-denggenhof.at nachzulsesen ist.
Antwort auf Ein Erlebnis! von Laukhardt
Graz im Herbst, wie schön!
Danke für den "Erlebnisbericht", Herr Laukhardt,
als frisch Hüftimplantierte kann ich den ganzen Grazer Herbst heuer nur über Berichte online miterleben. Merde! gerade heuer, wo es so viele Graz-Walks gibt, die der Stadtwanderin die eigene Stadt und selbst mir noch Unbekanntes, Verborgenes näher bringen (könnten). Erzählen Sie weiter, was Sie entdecken - vielleicht nimmt (oder nähme) GAT Ihre Berichte als Tagebuchnotizen eines Graz-Liebhabers in der schönsten und erlebnisreichsten Jahreszeit für unsere Stadt, damit auch andere miterleben können.