Es ist ein Schulterschluss zwischen Land Steiermark und Stadt Graz, wie es ihn in dieser Dimension zu Gunsten des Radverkehrs noch nie gegeben hat: Nicht weniger als 100 Millionen Euro, zu gleichen Teilen von beiden Gebietskörperschaften finanziert, sollen in die Ertüchtigung der Infrastruktur aufgebracht werden, um den Anteil der Fahrräder im gesamten Verkehrsaufkommen im Großraum Graz bis zum Jahr 2030 zu verdoppeln. Das Land Steiermark plant einen entsprechenden Regierungsbeschluss bereits für kommenden Donnerstag, die Stadt will in der nächsten Gemeinderatssitzung im November nachziehen und ebenfalls einen entsprechenden Grundsatzbeschluss fassen. Mit einem breiten Maßnahmenpaket – dem sogenannten Masterplan Radmobilität – soll das Radfahren gefördert und damit ein wesentlicher Beitrag sowohl zum Klimaschutz als auch zu einer Reduktion des Verkehrsstaus in der und rund um die Stadt Graz geleistet werden.
Pkw-Strecken: 60 Prozent kürzer als 10 Kilometer
Bis zum Jahr 2030 wird dem ohnehin schon dicht besiedelten Ballungsraum rund um die Landeshauptstadt ein weiterer Bevölkerungszuwachs von bis zu 20 Prozent prognostiziert. Das erfordert im Zusammenwirken mit dem steigenden individuellen Mobilitätsbedürfnis – ständig steigende Anzahl der Personenkilometer pro Jahr – ein Handeln, um noch mehr und längere Staus zu vermeiden. Rund 40 Prozent aller innerstädtisch zurückgelegten Wege von Pkw-LenkerInnen sind kürzer als 5 Kilometer – und könnten somit auch von nur mäßig sportlichen Menschen problemlos per „Drahtesel“ bewältigt werden. Und sogar mehr als 60 Prozent aller innerstädtisch zurückgelegten Pkw-Fahrten sind unter 10 Kilometer lang – für sportliche Radler oder NutzerInnen von E-Bikes ebenfalls alles andere als ein unzumutbarer Kraftakt. Detail am Rande: Innerstädtisch ist das Auto in der Praxis meist langsamer als die Straßenbahn oder das Fahrrad. Und das Fahrrad punktet auch in Bezug auf die Kosten: Die Infrastruktur ist bei gleicher Nutzungskapazität um ein Vielfaches günstiger herzustellen und zu erhalten als bei allen anderen Verkehrsmitteln – ganz zu schweigen vom zusätzlichen Trumpf, dass das Fahrrad auch einen weitaus geringeren Platzbedarf in den beengten Städten beansprucht.
Für Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer ist der paktierte Schulterschluss zwischen Land und Stadt ein „Meilenstein zur Erreichung der Klimaziele in Graz und in der Steiermark“. Er rechnet mit einer Verdoppelung des Radwegenetzes im Großraum der Landeshauptstadt.
Landeshauptmannstellvertreter Mag. Michael Schickhofer hält eine verbesserte Infrastruktur und den Trend zum E-Bike für eine Chance für alle Generationen, das Auto stehen zu lassen und somit zu einer Lösung des Stauproblems über die Stadtgrenzen hinaus beizutragen.
Verkehrs und Finanz-Landesrat Anton Lang sieht das Engagement des Landes für den Radverkehr als zweiten großen Wurf nach der Beteiligung am Ausbau des Netzes für den Öffentlichen Verkehr. Jetzt brauche es Mut zur Umsetzung in der Politik und eine breite Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung.
Von einer nachhaltigen Mobilitätswende für Graz sprach Bürgermeister Mag. Siegfried Nagl in der Pressekonferenz, bei der das Maßnahmenpaket heute im Grazer Rathaus vorgestellt wurde: „Mit diesem Engagement werden wir nicht nur zur Fahrradhauptstadt Österreichs, sondern erregen auch international Aufsehen!“ Die 100 Millionen Euro in zehn Jahren bedeuteten eine Investition von 33 Euro pro Kopf und Jahr ins Verkehrsmittel Fahrrad – „so viel gibt keine andere Stadt Europas für diese nachhaltige Mobilität aus!“
Bürgermeisterstellvertreter Mag. (FH) Mario Eustacchio versprach als Personalreferent entsprechende personelle Ressourcen in der Stadt, um die Projekte umzusetzen. Er bedankte sich auch bei den Baudirektoren in Land und Stadt, DI Andreas Tropper und DI Mag. Bertram Werle sowie beim neuen Verkehrsplanungsvorstand DI Wolfgang Feigl, die durch ihre gute Zusammenarbeit den Schulterschluss der Politik perfekt in die Tat umsetzen würden.
Maßnahmenpaket
Viele bahnbrechende Neuerungen sind in dem ehrgeizigen Paket vorgesehen, in das in zehn Jahrestranchen zwischen 2021 und 2030 insgesamt 100 Millionen Euro investiert werden sollen. Land Steiermark und Stadt Graz wollen jeweils die Hälfte dieses Betrags stemmen – eventuelle Bundeszuschüsse wären natürlich herzlich willkommen. Geplant sind in der Stadt Graz dafür folgende Maßnahmen:
• Radschnellrouten (A-Netz) als Langstrecken zwischen Graz und Umgebungsgemeinden, die hohe Geschwindigkeiten am gesamten Streckenzug ermöglichen (Knotenpunkte mit Vorrang, direkte Linienführung, Projektierungsgeschwindigkeit von mindestens 30 km/h und Querschnitte, die ein Überholen ermöglichen
• Mittelstrecken zur flächigen Erschließung mit Netzwirkung (B-Netz) – Linienführung nach Erfordernis mit bevorrangten Knotenpunkten, Projektierungsgeschwindigkeit von mindestens 20 km/h und Querschnittsform für hohe Kapazitäten (zum Beispiel Rad-Highways entlang der Mur für rasche Nord-Süd-Verbindungen)
• Kurzstrecken (C-Netz) zur ergänzenden Erschließung von Potenzialen; Linienführung und Knotenpunkte nach Erfordernis, Projektierungsgeschwindigkeit von mindestens 20 km/h
• Fahrrad-Garagen ober- und unterirdisch in der Grazer Innenstadt
• Videoüberwachte Fahrrad-Abstellplätze insbesondere an intermodalen Schnittstellen, also Umstiegsmöglichkeiten zwischen einzelnen Verkehrsmitteln)
• Beleuchtungsanlagen und Sicherheitseinrichtungen für Radwege
• Radfahr-Leitsysteme
• Flächendeckende Lade-Infrastruktur für E-Bikes
• Bewusstseinsbildung und Öffentlichkeitsarbeit im Sinne der Radverkehrsstrategie
Die beschlossene Verkehrspolitische Leitlinie 2020 der Stadt Graz stimmt übrigens zu 100 Prozent mit den Zielen der Radverkehrsoffensive überein. Da ist wörtlich zu lesen:
• Nachhaltigkeit steht im Mittelpunkt
• Graz als Stadt der kurzen Wege
• Mobilität ist in ihrer Gesamtheit zu betrachten
• Mobilität im urbanen Raum bedeutet Vorrang für die Sanfte Mobilität
• Graz als Teil einer Region setzt auf Kooperation
Die Förderung des Radverkehrs war übrigens auch beim im Oktober in Graz abgehaltenen CIVITAS-Forum, der führenden Jahrestagung Europas für nachhaltigen und umweltverträglichen urbanen Verkehr, ein dominierendes Thema. (Dazu kommt in Kürze ein Bericht auf GAT)
Erfreulicher Schwenk für Ausbau der Radinfrastruktur
Statement von Stadträtin Elke Kahr
„Steter Tropfen höhlt den Stein. Die langwierigen Bemühungen für eine bessere Radinfrastruktur scheinen vor der Landtagswahl Wirkung zu zeigen“, begrüßte Verkehrsstadträtin Elke Kahr am Dienstag, 22.10.2019, die Ankündigung von Bürgermeister und Landeshauptmann im Namen der Regierungskoalitionen von Stadt und Land, bis 2030 100 Mio. Euro für den Radverkehrsoffensive im Großraum Graz zur Verfügung stellen zu wollen. Wichtig dabei sind nicht nur die Mittel für den Infrastrukturausbau, sondern vor allem auch für das Personal, um Planung und Umsetzung zu bewältigen.
Selbstverständlich werde die KPÖ die Grundsatzbeschlüsse in Stadt und Land unterstützen, sehr positiv ist auch die überregionale Herangehensweise zu sehen. Aber bisher ist es nur ein Rahmen, der erst mit Leben, sprich konkreten Projekten gefüllt werden muss, so Kahr weiter. Hier gibt es bisher nur sehr grobe Vorstellungen und Hinweise auf Referenzen in Kopenhagen und Amsterdam. „Dass für die Umsetzung und mehr Tempo dabei auch mehr Personal vor allem in der chronisch unterbesetzten Abteilung für Verkehrsplanung notwendig ist, habe ich mehrfach betont, und ich bin froh, dass der dafür zuständige Personalstadtrat nun die notwendige personelle Ausstattung auch garantiert hat.“
(Text: Dr. Wolfgang Wehap, Referent für Verkehr und Öffentlichkeitsarbeit
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montagsmorgen...
"Mit diesem Engagement werden wir nicht nur zur Fahrradhauptstadt Österreichs, sondern erregen auch international Aufsehen!" zitat bm nagl
ja ja, so stellt sich unser sigi das halt vor. immer superlativ sein zu wollen, aber leider ohne vision und ohne ideen, hauptsache es wird einen event geben. hatte er nicht schon vor ein paar jahren graz als fahrradhauptstadt ausgerufen und danach ist nix passiert. die defizite sind lang bekannt, die projekte liegen seit langem in den schubladen. aber unser bürgermeister träumte von der murgondel, dann von der kurzstrecken-ubahn und dann wieder von der plabutschgondel etc. um nur 3 der montagsmorgenrülpser unseres bürgermeisters in erinnerung zu rufen.
es wäre uns zu wünschen, dass es diesmal anders wird. ich früchte nur, dass der zeithorizont 2030 so weit gefasst ist, da kann schon der ein oder andere montagmorgen dazwischen kommen, an dem man eine andere hauptstadt ausrufen kann.