Die Firma Kohlbacher beabsichtigt, gemeinsam mit Mag. Schlager, auf dem
4,1ha großen Areal im Stadtentwicklungsgebiet Graz-Reininghaus, nördlich der Wetzelsdorfer Straße und westlich der Brauhausstraße, Geschoßwohnbauten für 450 Wohneinheiten sowie Gewerbe-, Büro- und Dienstleistungsräume (ca 5% der BGF) zu errichten. Dazu wurde ein offener, zweistufiger Realisierungswettbewerb ausgelobt und zwischen 27.02.2020 und 28.09.2020 durchgeführt. Das Siegerprojekt wird als Grundlage für den zu erstellenden Bebauungsplan dienen. Im 4.0 Flächenwidmungsplan ist eine Bebauungsdichte von 0,4 – 1,0 festgelegt.
Neben der Schaffung von hochwertigem Wohnraum sind die Bereitstellung qualitätsvoller öffentlicher Flächen, die Herstellung attraktiver grüner Fuß- und Radwegverbindungen, bestmögliche Anbindungen an den öffentlichen Verkehr sowie die Reduktion des motorisierten Individualverkehrs wichtige Zielsetzungen der Stadt Graz.
Wettbewerbsergebnis
Die Jury filterte unter dem Vorsitz von Arch. DI Josef Weichenberger in ihrer ersten Sitzung vom 07.07.2020 aus den vorliegenden 15 eingereichten Projekten sechs für die Stufe 2 heraus. In der finalen Jurysitzung erfolgte am 28.09.2020 die Entscheidung für die Plätze 1 bis 3 und eine Anerkennung.
- Platz 1
Edgar Hammerl Architektur
- Platz 2
ARGE Arch. DI Burkhard Schelischansky, Arch. DI Georg Dornhofer
- Platz 3
Fandler Architektur
- Anerkennung
Arch. DI Reinhard Tschinder
Teilnehmer 2. Stufe
- DI Dr. Roland Heyzl
- DI Markus Pernthaler Architekt
Weitere TeilnehmerInnen
- EDERER+HAGHIRIAN Architekten
- gaft&onion
- Arch. DI Walter Kletzl
- obereder / staller architektur
- Pretterhofer Simbeni Architekten
- REALARCHITEKTUR
- Arch. DI Hubert Rieß
- röthl architektur
- Architektur Strobl
Jurybeurteilung Platz 1
"Das Projekt weist den positiven Ansatz einer kleingliedrigen, stark differenzierten Bebauung in einer Parklandschaft auf. Dadurch entsteht im südwestlichen Abschluss des Reininghausareals als Übergang in die benachbarten Viertel ein suburbaner Charakter. Die innere Gliederung erfolgt mittels zusammengefasster, kleingruppierter Baukörper, bestehend aus jeweils 2- 3 Häusern, die sich eine gemeinsame Erschließung teilen und je einen Cluster bilden. Die Auflösung der Masse stellt dadurch einen guten Übergang zur östlich benachbarten, großgliedrigeren Struktur dar, gleichzeitig erhöht es die Vielfältigkeit an Typologien des Gebiets Reininghaus. In der Mitte des Areals erfährt das vorgeschlagene „Grüne Zentrum“ eine Wendung Richtung Norden und schließt dadurch gut an das nördliche „Stadtwäldchen“ an. Als „Gelenk“ dafür dient der solitäre Baukörper auf dem Gst. Schlager, welcher in seiner Form einen Sondertyp darstellt.
Die Trennung zwischen den Grundstücken funktioniert – auch bezogen auf die Bauabläufe – gut, die formale Ausprägung dieses Baukörpers wird jedoch hinsichtlich seiner Fremdartigkeit hinterfragt und wäre verbesserungswürdig. Die Gemeinschaftsgärten im Bereich der Dachterrassen werden positiv in Bezug auf das soziologische Entwicklungspotenzial gesehen. Die Wohnungsgrundrisse überzeugen durch Kompaktheit, wünschenswert wäre die Reduktion der internen Erschließungsflure. Die Dimensionierung der wohnungsbezogenen Freiräume erscheinen ausreichend, sollten jedoch keinesfalls kleiner ausfallen.
Überarbeitungsempfehlungen für das Siegerprojekt:
Die Positionierung der Bebauung führt zu einer noch eher diffusen Sequenzierung der Freiräume und ist jedenfalls in weiterer Folge noch genauer auszuarbeiten. Die Markanz dieses Vorschlags besteht durch die bewusste Positionierung der Objekte im Grünraum. Dies stellt den Charakter des Projektes dar und ist in seiner Qualität beizubehalten.
Die Jury verweist explizit inhaltlich auf die am Plakat dargestellten Diagramme zu den Themen Städtebau, Nachbarschaft und Plätze, Freibereich und Kleinquartier, „Dazugehören“ und erwartet eine Vertiefung des Projektes für diese Themenbereiche. Darüber hinaus ist insbesondere die Ausführung der Übergänge zwischen den wohnungsbezogenen Freibereichen und den halböffentlichen und öffentlichen Freibereichen zu präzisieren, wobei im Sinne der Idee der Villen im Park folgende Punkte Berücksichtigung finden müssen und in die Weiterbearbeitung den Projektes einfließen müssen: maximales Heranführen des Parks an die Gebäudesockel und Reduktion der erdgeschoßigen Freiflächen auf wohnungszugeordnete Terrassen. Im Sinne der privaten und öffentlichen Zonierung sollten Überlegungen wie beispielsweise das Herausheben der Terrassen aus dem Parkniveau angestellt werden. In diesem Zusammenhang wird ein schlüssiges Landschaftsplanungskonzept erwartet, das auch Teil der Beurteilung im Fachbeirat sein wird. Die Abtrennung zwischen privaten und halböffentlichen Flächen muss so formuliert sein, dass sie auch rechtlich bindend ist. Im Zuge der Freiraumplanung und der Überlegungen in verkehrlicher Hinsicht sollten die Lage und Ausdehnung der PKW-Abstellflächen im Übergangsbereich zur Brauhausstraße kritisch überprüft werden. Weiters ist das übergeordnete Durchwegungskonzept zu vertiefen, insbesondere im Hinblick auf die übergeordnete Vernetzung der einzelnen Quartiersbauplätze. Dabei ist vor allem die interne Erschließung (Anlieferung, Müllentsorgung, Notzufahrten) unabhängig von den ins öffentliche Gut übergehenden Flächen nachzuweisen."
Jurybeurteilung Platz 2
"Das Projekt wird aus 5 Carées gebildet, welches U-förmig auf dem Gesamtareal positioniert wird. In der nördlich ausgerichteten städtebaulichen Lücke wird der Quartierspark angeordnet. Die einzelnen Carées werden wiederum in ihrer U-förmigen Baukörperkonfiguration in Einzelbaukörper gegliedert und aufgelöst. Dies wird in der Überarbeitung noch stärker ausformuliert. Das städtebauliche Konzept erzeugt Kleincarrées, welche über einen Carree-bezogenen Gemeinschafts- Innenhof erschlossen werden. In den Geschoßen erfolgt dies über dem Hof zugeordnete Laubengänge. Das Projekt verfolgt eine Anknüpfung an die bestehende Struktur im Osten, entwickelt diese dann logisch weiter und schafft auch einen entsprechend städtebaulichen Abschluss im Süden und Westen.
Ein hoher Anteil an Wohnungen wird konsequent über Laubengaänge erschlossen. Dadurch werden durchgesteckte Wohnungen mit gut belichteten Trakttiefen angeboten. Lobenswert erwähnt werden die guten und klaren Grundrisse der Wohnungen. Das Konzept der tiefen Laubengänge hat Potenzial, die Gemeinschaftsbildung im Haus zu fördern. Dies müsste allerdings durch ambitioniertes Management von den Hausgemeinschaften nachhaltig verfolgt und getragen werden.
Problematisch erscheint der Brandschutz, insbesondere im Bereich der Fluchtwege. Hier wären u.U. zusätzliche Maßnahmen erforderlich. Auch die Orientierung der Schlafzimmer in den Hof kann zu Schallproblemen und Konflikten führen. In sich schlüssig erscheint das Anbieten von 5 Höfen, die den Carrées zugeordnet sind, während der Park der Quartiersgemeinschaft zur Verfügung steht. Die erdgeschoßige Anordnung von Privatgärten als Übergang zum Park wird durch die Durchwegung gebildet und erscheint schlüssig gelöst. Das Projekt funktioniert zwar gut in der ersten Bauphase. Der Baukörper des Grundstücks Schlager wird in der Überarbeitung durch einen eigenen Lift erschlossen. Diese Lösung wird hinsichtlich einer Teilbarkeit jedoch hinterfragt, Freiflächen und Erschließungen sind nicht klar getrennt. Seitens der Stadt wird darauf hingewiesen, dass Laubengangerschließungen zwar nicht ausgeschlossen, jedoch nicht Ziel in der Reininghaus- Entwicklung sind. Anerkennend erwähnt wird, dass die Positionierung der Laubengänge im Inneren der Höfe geschickt gewählt wurde (keine Einsehbarkeit von der Straße aus). Die Fassade zeigt sich als „sauber strukturiert“ und ist tragfähig. Die interne Erschließung bedürfe einer intensiven Weiterentwicklung. Die dargestellte Tiefgaragenlösung entspricht nicht der Vorgabe einer Quartiersgarage über beide Bauplätze. Eine Umorganisation inklusive Erschließung und Anbindung an der Oberfläche müsste erfolgen."
Jurybeurteilung Platz 3
"Das Projekt orientiert sich stark an der Bebauung im Osten und Südosten und entwickelt 4 Hofformen mit einem kreuzförmigen Park. Die 4 Hofformen bilden im Quartier weitere Quartiere, was zur Identitätsbildung beitragen kann. Die Wiederholung und Fortführung der Struktur insbesondere zur östlich angrenzenden Umgebung wird jedoch kritisch hinterfragt. Das Projekt zeigt zwar den Versuch eine einfache Antwort zu finden, löst aber den westlichen Abschluss des übergeordneten Reininghaus-Areals nicht schlüssig. Durch das leichte Abrücken von der Straßenflucht im Südosten wird, als Reaktion auf die südöstliche Entwicklung ein Platz aufgespannt, der in seiner Maßstäblichkeit angemessen erscheint und nicht den Anspruch eines urbanen Platzes aufweist.
Generell ist das Projekt geradlinig, orientiert sich am östlichen Nachbar und funktioniert auch gut. Diskutiert wird die etappenweise Umsetzung, welche einen Baukörper für Q18a am Grundstück Schlager vorschlägt, der in der 1. Phase so nicht umzusetzen wäre. Der daraus resultierende „Halbzustand“ in der 1. Bauphase ist städtebaulich nicht ideal. Der kreuzförmige Quartierspark bietet als Ost-West-Anbindung ein attraktives Aktivitätsband an. Nicht gelöst ist der Abschluss des Parks in Richtung Süden, wo dieser keinen schlüssigen Abschluss findet. Hier werden auch die Gewerbeflächen durch den Park unterbrochen."
Jurybeurteilung Anerkennung
"Das Projekt bildet 4 Carrées mit einem kreuzförmigen Parkband. Positiv ist die differenzierte Ausführung der einzelnen Carrés, welche die Adressbildung begünstigt. Ecksituationen werden durch die Gestaltung mit eigenen Zeilen und Punkthäusern vermieden. Der Park erfährt durch die Bearbeitung in der 2. Stufe keine wesentliche Verbesserung. Die Lage der oberirdischen Stellplätze als Abschluss des Parks in Richtung Süden wird kritisch hinterfragt und ist so nicht umsetzbar (Zufahrt aus der Wetzelsdorfer Straße ist nicht genehmigungsfähig).
Das Projekt weist eine geringere Ausdifferenzierung auf, es besteht eine große Gleichförmigkeit zwischen Freiraum und Baukörpern. Siedlungsöffentliche Freiräume sind dabei nicht ausgeprägt. Dem Projekt fehlt es diesbezüglich an Spannung sowie klarer räumlicher Betonung der Nutzung der Freiflächen (öffentlich, halböffentlich). Es hat den Anschein, als wäre das Gebiet gleichmäßig durchwegbar. In der Überarbeitung wurden Hochpunkte durch Punkthäuser ergänzt. Die Änderung der Struktur in der Überarbeitung erscheint dabei wenig überzeugend, da sie die städtebaulichen Parameter nicht entscheiden verbessert. Die Empfehlungen zur Überarbeitung der Mittelgangerschließung wurde aufgenommen und durch die Einführung von Spännertypen gelöst. Lobenswert erwähnt wird die Durcharbeitung und Modularität der Grundrisse. Vorgeschlagen wird eine konsequente systematische Lösung für die unterschiedlichen Typologien anhand eines durchgezogenen Rasters. In der Dachzone werden qualitativ hochwertige Freiräume geschaffen. Die Ausführung der TG entspricht nicht den Vorgaben einer Sammelgarage."
Einfach übersehen...
Die Juryentscheidung ist wohl zu akzeptieren, auch wenn man damit nicht einverstanden ist.
Was aber nicht zu akzeptieren ist, ist der Umstand dass in den Auslobungsunterlagen geforderte Themen immer häufiger ignoriert und großzügig übersehen werden.
Das mag einerseits mit Bequemlichkeit (weil man die Auslobungsunterlagen erst gar nicht ausreichend liest, obwohl man dazu verpflichtet ist), andererseits mit Untauglichkeit oder -möglicherweise noch schlimmer- mit bewusster Ignoranz zu tun haben.
Beim vorliegenden Wettbewerb war die Beiziehung eines/r entsprechend Befugten zur Erbringung von Leistungen auf dem Gebiet der Freiraumplanung bzw. Landschaftsarchitektur/Landschaftsplanung als SubplanerIn oder ARGE-PartnerIn bereits in der 1. Stufe „verpflichtend“ erforderlich…
Der Begriff „verpflichtend“ ist eineindeutig und bedarf keiner weiteren Interpretation!
Nun was war geschehen:
Es gab 15 Wettbewerbsteilnehmer.
10 WB-Teilnehmer hatten keinen Landschaftsarchitekten angeführt.
5 WB-Teilnehmer hatten einen Landschaftsarchitekten korrekt laut Auslobung involviert!
Wurde dieser „verpflichtendende“ Passus vom Verfahrensbetreuer aufgezeigt. Nein!
Wurde seitens der Jury auf diesen „verpflichtendenden“ Passus hingewiesen. Nein!
Ist der Wettbewerb damit ungültig: Ja!
Kümmert es irgend jemanden: Nein! --> weil Alle um zukünftige Aufträge bangen und nur nicht auffallen möchten.
Und die Moral von der Geschicht, es kümmert uns doch alle nicht. Macht weiter so wie bisher das ist einfach, gar nicht schwer.
Antwort auf Einfach übersehen... von Nikolaus Fedl
Zusatz
Vielleicht ergänzend noch etwas auch nicht ganz Unwichtiges: Jene, die sich an die Vorgaben gehalten und eine/n Landschaftsarchitekten/in beigezogen haben, mussten diese "Konsulententätigkeit" möglicherweise auch bezahlen. Es gibt daher auch diesbezüglich ein Ungleichgewicht.
stoned...
....stoned jury :-)
Antwort auf stoned... von Anonymous
....stoned jury
Dem - sicherlich lustig gemeinten Kommentar mit smiley- kann ich als Teilnehmer entkräften: laut Juryprotokoll hat sich die Jury in der Schlussphase gute anderthalb Stunden Zeit genommen um die jeweiligen Vor- und Nachteile der letzten beiden verbliebenen Projekte nocheinmal abzuwägen. Das dabei ein relativ homogener Ansatz mit einem relativ heterogenen Ansatz verglichen werden mußte, machte die Entscheidung letztendlich sicherlich sehr schwierig. Leichtfertigkeit (oder 'stonedness') kann man ihr jedenfalls gewiss nicht unterstellen.
Antwort auf ....stoned jury von Georg Dornhofer
1,5 Stunden an Zeit, die
1,5 Stunden an Zeit, die sich die Jury genommen hat, um den Gewinner zu eruieren, in Ehren. Aber beantwortet das die städtebaulichen Fragen des Erstkommentators? Pardon, der vielleicht Erstkommentatorin?
Noch eine Frage: hat für dich, Georg Dornhofer, der 2.Platz einen heterogenen Ansatz? Wenn ja, bitte eine Erklärung, warum.
Quartiersbildung?
Wo ist beim ersten Platz der gute Städtebau?
Quartiersbildung, Identifikationsmöglichkeit mit dem "eigenen" Haus, mit der eigenen engeren Nachbarschaft, Signifikanz des Quartiers, einfache Orientierung und Erschließung, Milieubildung.
Lernt man das nicht mehr?