Eines ist sicher: dies ist keine Empfehlung für ein Spektakel oder ein Event. Der Wald im Klagenfurter Fußballstadion ist auch keinesfalls „deppert“ oder entbehrlich, wie der Haupttenor jener Geifenden in den sozialen Medien ist, die sich offensichtlich weder mit dem Thema des Projekts noch mit dem Anliegen, das der Wald vermitteln soll, auseinandergesetzt haben und es auch nicht tun werden.
Da steht nun also ein Wald aus 299 Bäumen im Wörtherseestadion, das seinerzeit von Haider im hochverschuldeten Kärnten um 30 Millionen Euro ganz ohne Kritik gebaut werden durfte. Hochgestemmt wurde For Forest von Klaus Littmann, einem Schweizer Kurator und Kunstvermittler, der bei Beuys studiert hat und mehrere Großprojekte verwirklichen konnte. Finanziert wurde For Forest allein durch Unterstützung von Unternehmern und Kunstfreunden, die die Vision von Littmann so gut fanden, dass sie etwas zu ihrer Realisierung beitragen wollten. Das will man betonen, muss man doch immer noch in Leserbriefen der Kleinen Zeitung lesen, dass es „für andere eine Steuergeldverschwendung ist“.
Die Idee oder besser, der unbändige Wunsch, so ein Riesenwerk zu verwirklichen, kam Littmann, als er vor rund 30 Jahren eine Zeichnung von Max Peintner sah, die einen Wald im Stadion darstellt, der als Installation und Überbleibsel von zerstörter Natur am Rasen aufgebaut und wie ein Zootier zu betrachten ist. Die ungebrochene Anziehungskraft der Natur stammt aus 1970/71, einer Zeit, in der kein Mensch über die Vernichtung von Wald und Natur als Folge von Technisierung und Wohlstand gesprochen hat. Der Tiroler Peintner, immer schon ein begeisterter Geher und Bezwinger des Schneebergs, hatte lange vor anderen eine mikrofeine Beobachtungsgabe entwickelt, die ihn die Zerstörung von Landschaft zeichnerisch in ironische Zivilisationskritik bannen ließ: eine Staumauer, die ein Tal durchschneidet, die Autobahn, gepflastert mit Gruftplatten, einen Friedhof mit Bildschirmen auf Gräbern, ein Hausgrab als vorläufiges Swimmingpool oder eben den Wald, der nur mehr im Stadion zu erleben ist.
Nun kann man also diesen Wald als holistisches dreidimensionales Nachbild von Max Peintners Bleistiftzeichnung in Klagenfurt wahrnehmen. Was dieses Bild in einem auslöst, bestimmt man selbst – dadurch, wie weit und wie lange und vielleicht auch wie oft man bereit ist, sich darauf einzulassen. Es empfiehlt sich, einen längeren Aufenthalt zu planen, vielleicht einen ganzen Nachmittag oder den Abend bis zum Einbruch der Dunkelheit, denn die Wirkung dieses Waldes ist ganz unterschiedlich, je nachdem, wo man sich positioniert, von welcher Höhe der Tribünen man ihn anschaut und wie weit man zulässt, dass die Ruhe, die er ausstrahlt, auf einen selbst überspringt. Tut man das, so stellen sich Fragen nach den eigenen Möglichkeiten, einen Beitrag zum Schutz von Wald und Natur zu leisten, von selbst ein. Das eindrückliche Bild und die Größe des Stadions bewirkt, dass man fokussiert nachdenkt, ganz so, als wanderte man allein durch Wald und Wiesen.
Wie auch immer man sich der Installation nähert: es ist ein poetisches Bild, das sich uns darbietet und zweifelsfrei ein eindrucksvolles Kunstwerk. Dass Littmanns Absicht, dieses Bild als Mahnzeichen und höchst aktuelle Zivilisationskritik um die Welt gehen zu lassen, sich erfüllt, wünscht man ihm. Dass Martin Kusej, selbst aus Kärnten stammend, als neuer Leiter des Burgtheaters ein solidarisches Zeichen setzt, indem er eine öffentliche Lesung der Kleist’schen Hermannsschlacht im Stadion aufführen lässt, freut die Wohlwollenden. Dass es ein vielfältiges Rahmenprogramm im Stadion und ein passgenau dazugehöriges in den Klagenfurter Galerien gibt, ist beachtlich. All das zeigt, dass Kärnten mehr sein kann als GTI-Treffen, Beachvolleyball und Wörtherseebühne (die eh schon „untergegangen“ ist). Daher: Empfehlung zum Anschauen, zur Teilhabe, zur individuellen Auszeit im Wörtherseestadion irgendwann bis zum 27. Oktober 2019.