Die Kunst des Wettermachens
… everywhere you go you always take the weather with you …
Crowded House
Wenngleich die momentane Hitzewelle sich während meines Schreibens (6. August 2018) mit prognostizierten und einigermaßen erträglichen 30° C äußern sollte, wird sich die Situation in den kommenden Tagen wohl um ein paar Grad verschärfen. Infolge der Hitze und Luftfeuchtigkeit entwickeln sich regelmäßig Unwetter, die durch den Einsatz der Hagelflieger im Raum Graz bisher erfolgreich kontrolliert werden konnten. Mit dem Thema Wetter war ich anlässlich eines Konzepts des steirischen Künstlers Klaus Schafler im Jahr 2011 beschäftigt. Damals, unterstützt durch die Einwohner der Gemeinde, überzog Klaus Schafler den Hauptplatz von Pischelsdorf mit (umweltverträglicher) weißer Farbe.
Anlagen und Klima
In seiner Studie Losing Our Cool (1) kam der US-Autor Stan Cox 2010 zu der Ansicht, mit zunehmendem Gebrauch von Klimaanlagen in den USA seit den 1990er Jahren habe sich auch das Sozialverhalten der Menschen geändert. Dies zeigt sich in dem Phänomen, dass sich Amerikaner nachweislich weniger im Freien, dagegen vermehrt in klimatisierten Räumen aufhalten. Nach Cox entsprechen die Kosten für Klimaanlagen in den USA einem Fünftel des gesamten Aufwandes für Energie. Dabei muss man sich gewahr sein, dass diese Art der Klimatisierung von Innenräumen eine Temperaturerhöhung im Außenraum mit sich bringt – eine der Ursachen für die globale Klimaerwärmung.
Wenn sich also eine technisierte Wohlstandgesellschaft offenbar dazu bequemt, das künstliche Klima der Innenräume – winters beheizt, sommers gekühlt – dem „natürlichen“ Klima im Freien vorzuziehen, ist solchem Verhalten allerdings auch geistiger wie körperlicher Tribut zu zollen (2). Mit dem sukzessiven Rückzug geht nach Cox eine Minderung des Umweltbewusstseins einher. Man verschließt sich quasi den Umweltproblemen. Physisches Erleben der Natur weicht dem medial vermittelten zu Hause. Sportliche Betätigung im Freien wird durch Indoor-Aktivitäten in klimatisierten Hallen ersetzt. Mangels wirklicher Treffen schließen Kinder weniger wirkliche Freundschaften, und Barbecues werden bestenfalls noch im Garten zubereitet – verzehrt werden sie immer öfter im Haus. Überhaupt nehmen Beziehungsprobleme zu, weil man einander auf die Nerven geht und mit dem vermehrten Aufenthalt in den klimatisierten Räumen könnte auch Fettleibigkeit in Zusammenhang stehen, meint Stan Cox. Die Menschen, schließt der Medienphilosoph Florian Rötzer in seinem Artikel über Losing Our Cool, „wollen […] nicht mehr der Willkür der Natur ausgeliefert sein, sondern in angenehmen Wunschwelten leben“ (3). Und die werden unter anderem mit Klimaanlagen geschaffen.
Seit der Erfindung der Feuerstelle – oder bereits mit dem Gebrauch von Kleidung – haben die Menschen wohl immer schon, mehr oder weniger lokal, das natürliche Klima beziehungsweise meteorologische Phänomene manipuliert. Allein das spürbare Temperaturgefälle einer freien Feuerstelle bildet eine Art klimatisierten Raum.
In größerem Stil, mit brachialen wie subtilen Methoden, versuchte man in Europa seit dem Spätmittelalter in den Wetterverlauf einzugreifen respektive lokale meteorologische Phänomene zu lenken. Spätestens seit 1600 schoss man in der Steiermark mit Mörsern in Gewitter- und Hagelwolken. Ebenfalls in der Steiermark kam es in den Jahren 1506 bis 1510 zu einem Hexenprozess, im Zuge dessen man neun Frauen verurteilte, weil sie durch „Wettermachen“ Ernteschäden verursacht hätten (4). Für gute Ernte, infolge des von ihnen arrangierten günstigen Wetters, sorgten im Friaul des 16. und 17. Jahrhunderts die Benandanti, die in Trance gegen Schlechtwetterdämonen kämpften (5).
Der Wetterzauber hatte längst sein Ende gefunden, als 1838 der Meteorologe James Espy den US-Senat bat, ihn bei seinem radikalen Plan zu unterstützen. Ganze Wälder wollte Espy abbrennen lassen, um mittels aufsteigender heißer Luft der Landwirtschaft zugutekommende Regengüsse auszulösen. Für sein Vorhaben konnte er allerdings keine Sympathien finden. Als wirklich effektiv erwies sich Bernard Vonneguts Entdeckung im Jahr 1947, Wolken mit Silberjodid zu impfen, so Hagel aufzulösen und Regen zu erzeugen. Bis heute praktiziert, kam die Methode während des Vietnamkrieges in der Operation Popeye durch die US-Militärs zum Einsatz. Der über den Ho-Chi-Minh-Pfad geleistete Nachschub des kommunistischen Nordens sollte durch Verschlammung infolge künstlichen Regens unterbunden werden. Erfolgreich war die Operation offenbar nicht (6).
Angesichts auch in Österreich seit etlichen Jahren zu konstatierender Unwetterereignisse und der wohl nicht unbegründeten Annahme, diese stünden in direktem Zusammenhang mit einer weltweiten Klimaveränderung, führen Exempel historischer Wettermanipulation gegenwärtig in den Bereich des Geo-Engineerings, Überlegungen zu hochtechnisierten Methoden, dem Klimawandel beizukommen. Spiegel im Weltall etwa könnten die Sonneneinstrahlung von der Erde ablenken. Wer aber, und nach welchen Verhandlungen, wäre befugt, das Wetter in welchen Zonen unseres Planeten zu kontrollieren? Was wären die Risiken? Die wahrscheinlich banalste Überlegung ist, ob man mit lokal hergestelltem Regen andernorts Wassermangel verursacht. Seit 1995 betreibt die US-Army in Zusammenarbeit mit Wirtschaftsunternehmen und Universitäten einen riesigen Radiosender in Alaska, der elektromagnetische Wellen in die Ionosphäre schickt. Der Zweck von HAARP (High Frequency Active Auroral Research Program) ist die Erforschung von Funkwellenausbreitung und ihre Verwendung bei Kommunikation und Navigation. Einer der Initiatoren, der Plasmaphysiker Ben Eastlund, hofft, mittels Radiowellen eines Tages die Jet Streams lenken und den von ihnen bewirkten Wärmeausgleich auf der Erdoberfläche steuern zu können (7).
Gegenüber solchem Ansinnen wirkt die Aufstellung von Artilleriekanonen und Raketenwerfern während der Olympischen Spiele in Peking 2008 vergleichsweise kleingeistig, nichtsdestotrotz war sie eine Demonstration allumfassenden Machtanspruches. Die Waffenbatterie sollte bei Anlass in trockenen Regionen Regenwolken erzeugen oder solche im Bereich der Sportstätten auflösen. Praktiziert wurde glücklicherweise nicht.
Macht … Bill Gates bald auch das Wetter? Eine auf ihn und weitere Investoren lautende Patentanmeldung (8) vom 9. Juli 2009 beschreibt das verblüffend naheliegende Verfahren, sich entwickelnde Hurricanes durch Hochpumpen von Kaltwasser schon über dem Ozean zu eliminieren. „Wetter auf Bestellung“ bietet eine russische Firma um 200 Dollar für einen Bereich von 200 Quadratmeilen an, berichtete jedenfalls das Wall Street Journal am 2. Oktober 1992. Weniger auf sprachliche denn auf praktische Qualitäten setzte noch im Jahr 2011 eine in Kärnten ansässige Firma und warb für ihre Dienstleistung: „Wenn Sie uns rechtzeitig Bestellen können wir Ihnen helfen den Ablauf Ihrer Veranstaltung, die durch starken Nebel in Gefahr ist, zu retten! [sic.]“ (9)