14/11/2017

Wolkenschaufler 04

Grabenkämpfe um das tiefste Schwarz

Die Kolumne Wolkenschaufler von Wenzel Mraček erscheint jeden 2. Dienstag im Monat auf GAT.

14/11/2017

Freiflughalle, Hong Kong

©: Zita Oberwalder

Grabenkämpfe um das tiefste Schwarz

Eine politische Partei in Österreich hat während ihrer Kampagne zur Nationalratswahl 2017 die traditionell mit ihr assoziierte Farbe gewechselt. Als Zeichen, dass sich da „etwas ändern“ soll/wird. Die Partei nennt sich jetzt auch „Bewegung“ (wir kennen das eigentlich schon), wechselte vom Schwarz – wenn ich mich recht erinnere – zunächst zu einer Art Violett, der französisch Mauve genannten Farbe der Wilden Malve.
Vielleicht trügt meine Erinnerung und ich habe Mauve der neuen Bewegung aus der alten Partei nur angeträumt. Mauve liegt ja auch nah bei Pink und das gehört schon einer anderen Partei. Türkis dagegen liegt im Farbspektrum nah an Blau und jetzt von einer Fügung zu sprechen, wäre doch nur g‘schlamperte Schwarzweiß-Malerei.

Salopp gesagt, hapert es gewissermaßen an der Terminologie. Die Farbenlehre erklärt Schwarz (wie auch Weiß) als unbunte Farbe. Kontradiktisch wäre Schwarz eben keine Farbe und bedeutete allein die Abwesenheit sichtbaren Lichts jeglicher Wellenlänge. Gleichwohl wurden für den künstlerischen Bedarf seit dem 1. Jahrhundert schwarze Pigmente aus Trester gewonnen oder aus gebranntem Elfenbein. Schwarz ist in der Kunst seit jeher ein Desiderat.

Surrey NanoSystems, eine britische Firma, die in der Rüstungsindustrie und Weltraumforschung zugange ist, entwickelte den Farbstoff Vantablack. Wenn Farbe, dann ist Vantablack der Dunkelste Farbstoff der Welt, der aus einem Netz von Kohlenstoff-Nanoröhrchen besteht, das 99,9 Prozent des einfallenden Lichts schluckt. Körper, bestrichen mit der Substanz, verlieren scheinbar ihre Konturen und sind für das menschliche Auge in ihren Umrissen nicht mehr zu erfassen.
Für den allein künstlerischen Bedarf hat sich nun im Vorjahr der Brite Anish Kapoor die Exklusivrechte an Vantablack gekauft. Das bedeutet, außer Anish Kapoor darf niemand auf der ganzen Welt Vantablack als Werkstoff für ein Kunstwerk verwenden. Kapoor erklärt (art. Das Kunstmagazin, März 2017), er möchte mit dem „Ultraschwarz philosophische Fragen über Zeit, Raum und Identität“ stellen.
Der Fall erinnert freilich an den französischen Künstler Yves Klein, der sich 1960 sein von ihm entwickeltes Ultramarinblau – mit Goldpartikeln versetztes Lapislazuli-Pigment – als International Klein Blue (IKB) patentieren ließ. Es ist nicht bekannt, ob sich KollegInnen an Kleins Ausschlussverfahren gestoßen haben. Eher im Gegenteil ging seine Strategie als Beispiel früher Konzeptkunst in die Kunstgeschichte ein.
Anders im Fall Kapoors: Der Maler, Konzeptkünstler und Kurator Stuart Semple – ebenfalls Brite – reagierte mit einer sauer ironischen Aktion, indem er das „pinkeste Pink“ entwickelte, das er nun jedem auf seiner Website (stuartsemple.com) zum Kauf und zur Verwendung anbietet – nur nicht Anish Kapoor und eventuellen Mittelsleuten: „This ultra-bright paint by Stuart Semple is available to everyone except Anish Kapoor! (who won't share his black!).“
Wir sollten es alle nutzen können, sagt sinngemäß Christian Furr, es sei nicht rechtens, dass Vantablack nur von e i n e m Künstler verwendet werden darf. Furr immerhin war der bisher jüngste Künstler, der 1995 beauftragt worden war, ein Porträt der Queen zu malen. Für eine Bilderserie mit dem Titel Animals wollte Furr mit Vantablack malen, but: No way!
Stuart Semple hat nach Pink offenbar ein Geschäftsmodell gefunden. Nun bietet er – gleichfalls auf seiner Website – auch Diamond Dust an, angeblich der glitzerndste Flitter, den es je gab. Zu kaufen von jedermann und -frau, ausgenommen sind natürlich wieder Anish Kapoor und eventuelle Mittelsmänner.
Es scheint, als würden künstlerische Mittel knapp. Die 1978 geborene Chinesin Cao Fei ist die dritte Frau und als Künstlerin die/der bisher jüngste, die ausgewählt wurde, ein BMW Art Car zu gestalten. Das Autokunstwerk ist – erraten! – schwarz. Völlig schwarz war die ursprüngliche Idee der Künstlerin und völlig schwarz geht nur mit Vantablack. Im Wissen um das Problem kontaktierte sie das Studio von Anish Kapoor. Kapoor aber blieb auf Linie und Cao Fei änderte ihr Konzept. Richtet man sein Smartphone auf das schwarze Art Car #18, umspielt eine Augmented Realty App das Chassis der schwarzen Kiste mit allen Farben des Spektrums.

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