13/06/2024

Erstmals richtet eine Region, bestehend aus 23 Gemeinden, eine Kulturhauptstadt Europas aus: Bad Ischl Salzkammergut 2024. Damit rückt ein Kulturraum ins Zentrum der Aufmerksamkeit, der sich vom Ausseerland in der Obersteiermark bis in das achtzig Kilometer entfernte Voralpenland in Oberösterreich erstreckt. Das Projekt water cosmos des Grazer Architekten und Künstlers Markus Jeschaunig erforscht diese Kulturhauptstadt-Region künstlerisch über das Medium von Wassertropfen.

Zwischen 13.6. und 15.6.2024 ist water cosmos im Rahmen der Munk-Festtage im Kur- & Amtshaus in Altaussee zu erleben.

13/06/2024

Trockenbildfotografie, Water Cosmos, Markus Jeschaunig, 2024 (Mikrospkopie Georg Schröcker)

©: Markus Jeschaunig

Einer von 23 Wasser-Fingerabdrücke für 23 Gemeinden, Trockenbildfotografie, Water Cosmos, Markus Jeschaunig, 2024 (Mikrospkopie Georg Schröcker)

©: Markus Jeschaunig

Ausstellung in der PKS-Villa, Bad Ischl, Water Cosmos, 2024

©: Markus Jeschaunig

Wasser als universelles Moment, Trockenbildfotografie, Water Cosmos, Markus Jeschaunig, 2024 (Mikrospkopie Georg Schröcker)

©: Markus Jeschaunig

Wasserprobe aus Alt Münster, Salzkammergut, 2024

Wasserreise Grundlsee, Water Cosmos, 2024

©: Markus Jeschaunig

Das Salzkammergut ist seit der Jungsteinzeit vom Salzbergbau geprägt. Dabei bildeten Salz, Wasser und Holz die dominierenden Kräfte. Erstaunlicherweise erzielten frühere Gesellschaften des  Salzkammergutes – im Gegensatz zu anderen Regionen der Welt – durchgehend eine ausgewogene Balance zwischen Nachfrage und Nachwachsen, sodass der Ressourcenverbrauch nie die Regenerationsgrenze der örtlichen Natur überstieg. Man könnte sagen das war 7000 Jahre gelebte Nachhaltigkeit, lange bevor der Begriff eigentlich entstand. 

Im Zuge der Klimaveränderungen führen uns Extremwetterereignisse, die immer weiter an unsere Haustüren heranrücken, immer stärker vor Augen, wie sehr der Mensch bedroht ist. Die Gewalt der Natur, und so weiter und so fort. Was wir aber weniger sehen ist, wie sehr dabei der Mensch selbst einen bedrohenden Faktor darstellt. UNO-Generalsekretär António Guterres sagte unlängst, der Einfluss der Menschheit ist mit dem des „Meteoriten, der die Dinosaurier ausgelöscht hat“ zu vergleichen. Ohne Artenvielfalt, ohne Biodiversität, ohne den respektvollen Umgang mit der Biokapazität der Erde, ist auch der Mensch vom Aussterben bedroht. Vor dem Hintergrund dieser Interkonnektivität bedarf es – um den Planeten habitabel zu erhalten – eines grundsätzlichen Umdenkens und Handelns. Weg von einer Mensch-zentrierten Sicht der Dinge (anthropozentrisch) hin zum ökozentristischen Denken ('multi-species' Ansatz).

Wie kommen wir nun schnell ins Handeln? Wie soll die viel beschworene klimaneutrale Gesellschaft der Zukunft praktisch aussehen? Was hindert uns daran, den Wandel voranzutreiben?

Kunst spielt hier eine entscheidende Rolle. Sie kann sichtbar machen, was in Daten und Zahlen oft verborgen bleibt, oder in der Natur für das Auge unsichtbar vor sich geht (z.B. CO2 Konzentrationen in der Luft etc.). Kunst und Wissenschaft sind ideale Verbündete, wenn es um die Wegbereitung neuer Narrative, Lebensmodelle und wirtschaftliche und gesellschaftliche Veränderungen geht. Kunst kann Sachverhalte erproben und darstellen, die zukunftsfähig sind, indem sie wahrnehmbare sensuelle Erfahrungsräume aufspannt. Das Entscheidende in der Veränderung von Handlungsmustern ist es, eine Information mit Emotionen zu verknüpfen.

Warum Wasser?

Hydrosphäre und Wasser durchziehen den gesamten Metabolismus des Planeten Erde wie ein Rückgrat, und stellen einen Raum für mögliche Narrative dar. Das zeigt die künstlerische Operation water cosmos in der Salzkammergut 2024 Region.

Ausgangspunkt und Grundansatz sind es, dass Wasser ein universelles Element darstellt, welches alle Lebewesen betrifft. Eine Faszination am Wasser ist es sicherlich, dass es ständig unterwegs ist, war und für lange Zeit sein wird. Riesige Mengen werden in einem kontinuierlichen Kreislauf zwischen Land, Meer und Luft umgewälzt, ohne dass dabei ein Tropfen verloren geht. Der Motor: die Sonne. Die Konstante Wasser begegnet uns als Dunst im Nebel über der Almwiese, als Eis in den (Noch)Gletschern, im Rauschen der Bäche, mikroskopisch klein durch das Karstgestein der Gebirgsmassen kriechend, als Trinkwasser in den Körpern vieler Lebewesen und Pflanzen oder gasförmig in den Wolken am Himmel.

Das Porträt einer Region

Bei der Klimakonferenz Open Water Dialogues, die im März 2024 als Kulturhauptstadt-Projekt in Bad Ischl ausgerichtet wurde, war ich als bildender Künstler eingeladen, einen Beitrag zu gestalten. Im Setting des multidisziplinären Veranstaltungsformates war bewusst gewünscht, einen künstlerischen Beitrag zu entwickeln. Zum Beispiel war im Programm neben einer Keynote der Meteorologin und Klimaforscherin Prof. Helga Kromp-Kolb auch die niederländische Flusswanderin und Autorin Li An Phoa vom Projekt drinkable rivers vertreten. In engem Austausch mit den Organisator:innen Ingrid und Jörg Schauberger und der Kuratorin Fariba Mosleh entwickelte ich die Idee des Projektes water cosmos. Dabei sollte ein Porträt einer Region durch den Blickwinkel des Wassers entstehen und als verbindendes Element und Sphäre aller Menschen und Lebewesen in der Region präsentiert werden. Eine Begegnung mit sogenannten Wassertropfenbildern in der PKS Villa in Bad Ischl – dem Ort an dem die Naturforscher Viktor und Walter Schauberger wirkten –, brachte mich auf die Idee Wasserproben aller 23 Gemeinden der Kulturhauptstadt Region zu sammeln und mit dieser Methode abzubilden. Über Jörg Schauberger war schnell der Kontakt zu dem Wasserforscher Georg Schröcker hergestellt. Er beherrscht die Trockenbildmethode, mit der sich derartige Bilder mit einem Dunkelfeld-Mikroskop herstellen lassen. Von ihm kam auch der Tipp, „alte Wasserorte” aufzuspüren, die seit jeher von Menschen genutzt wurden.

Faszination Trockenbildmethode

Die Wasserreise führte mich über drei Wochen durch alle 23 Gemeinden der Kulturhauptstadt Region. Lokale und ortskundige Personen sowie Expert:innen wurden eingeladen, Quellen, Seen, Brunnen, Bäche oder andere Gewässer, die für die Gemeinde charakteristisch sind, zu identifizieren. Die Auswahl, welche Probe ich entnahm, ließ ich inhaltliche und künstlerische Gesichtspunkte entscheiden. Das Projekt brachte faszinierende Begegnungen mit Menschen und ich lernte abenteuerliche Orte kennen beispielsweise den saisonal trockenen Koppenwickelsee in Obertraun, einen durch den Klimawandel neu entstandenen Gebirgsbach in Gosau, eine warme Quelle in Bad Goisern, den Hl. Bründl in Gmunden bis zur Vorchdorfer Dachstalquelle, die gerade als neuer Trinkwasserquell erschlossen wird.

Jede Probe musste randvoll abgefüllt, unter Ausschluss von Licht transportiert und unmittelbar danach im Mikroskop fotografiert werden. Die Methode erwies sich als simpel. Mehrere Wassertropfen werden auf Glasblättchen (Objektträger) aufgetropft und an der Luft rund 20 min. getrocknet. Zurück bleiben Mineralien, Salze und Sedimente.

Die Struktur dieser Mineralien wird dann digital (in Kooperation mit dem Experten Georg Schröcker) unter dem Dunkelfeld-Mikroskop fotografiert. Darin erkennt man, das jeder Wassertropfen völlig unterschiedlich aussieht. Im Kontext dieses Projektes liegt es nahe von einer ‘Signatur’ oder einem charakteristischen Fingerabdruck jeder Gemeinde zu sprechen.

Zwei Ausstellungen

Für die Ausstellung im Rahmen der Konferenz im März 2024 in der Trinkhalle als auch für die PKS Villa in Bad Ischl wurden die 23 Wassertropfenbilder in zweifacher Ausführung gedruckt. In 100-facher Vergrößerung auf großen Fahnen, die mit 90 x 230 cm Stückmaß als Rauminstallation den Innenraum der PKS Villa (Rothstein-Villa) zierten und abends illuminiert wurden. Und zum Zweiten wurden 23 kleinere Wassertropfenbilder (25 x 35 cm) in 40-facher Vergrößerung auf Alu-Dibond gedruckt und gerahmt, um sie später auch als Wanderausstellung zu verwenden.

C-Print-FotografienJetzt sind diese Fotografien vom 13.6. bis 15.6. im Rahmen der Munk-Festtage im Kur- & Amtshaus in Altaussee zu sehen.

Neue Einheit

Mit der künstlerischen Transformation entsteht eine ungewöhnliche und neue Perspektive auf das täglich genutzte Element Wasser. Die Abstraktion und die unerwarteten Muster dieser einfachen, aber künstlerisch ansprechenden und technisch interessanten Methode eröffnen einen faszinierenden anderen Blick auf die Sphäre des Wassers. Im Salzkammergut verdrängt eine abstrakte neue Hydrosphärengeographie politische Grenzen und bildet eine neue Einheit der „24“ aus 23 Unterschiedlichkeiten.

 

_________

Liste der Wasser Orte des Projektes water cosmos:

01. Bad Goisern, Warme Quelle
02. Unterach am Attersee, Kaiserbründl
03. Steinbach am Attersee, Kienbach
04. Ebensee, Miesenbach
05. Bad Mitterndorf, Ödensee
06. Bad Ischl, Soleleitung
07. Obertraun, Koppenwickel Lacke (Fels)
08. Hallstatt, Hallstättersee
09. Bad Aussee, Tiefenbrunnen (Park)
10. Gosau, Neuer Bach (Stausee)
11. Altaussee, Altausseer See
12. Grundlsee, Simitzbach
13. Gmunden, Hl. Brunnen
14. Scharnstein, Almfluss
15. Roitham, Traunfall
16. Laakirchen, Ortsbrunnen
17. Traunkirchen, Klosterbrunnen
18. Altmünster, Quelle Kösslhalt
19. Pettenbach, Leonhardi Bründl
20. Kirchham, Laudach (Stegbinder)
21. St. Konrad, Schulbach
22. Vorchdorf, Dachstal Quelle
23. Grünau im Almtal, Kleiner Ödsee

Projektausstellungen in:
Open Water Dialogues Ausstellung: 22. – 24.3.2024, Trinkhalle und PKS Villa, Bad Ischl/ AT
Munk-Festtage im Kur- & Amtshaus in Altaussee: 13. – 15.6.2024, Altaussee/ AT

Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
GAT+