Gibt man Architekturvermittlung als Schlagwort in die Internetsuchmaschine ein, so erhält man unendlich viele Suchergebnisse, die sich mehr oder weniger mit der Architekturvermittlung auseinandersetzen: Studiengang Architekturvermittlung, Literatur zur Architekturvermittlung, Texte, Bilder, Folder, auch Videos sind zu finden. Doch was bedeutet Architekturvermittlung, wo und wie wird sie angewandt, ist sie eine wissenschaftliche Disziplin oder nur ein Begriff, hinter dem sich Bastelworkshops für Kinder verbergen?
In der Öffentlichkeit wird mit Architekturvermittlung eine Erinnerung an eine Vielzahl an Projekten verbunden, die in den letzten Jahren im öffentlichen (Stadt-)Raum oder eben in Schulen stattgefunden haben. Die Bandbreite reicht von Stadterkundungen, Modellbauworkshops, kreativem Gestalten bis hin zu Projekten im Rahmen von Planungsprozessen. Dies lässt den Eindruck entstehen, dass sich Architekturvermittlung nur auf den schulischen Bereich beschränkt, doch zunehmend lässt auch ein Trend in der Forschung erkennen, dass mehr dahinter steckt: Master-, Diplom- und Doktorarbeiten in den unterschiedlichsten Disziplinen zeigen, dass Forschungsbedarf vorhanden ist und auch in einem geeigneten Rahmen vorgestellt, diskutiert und definiert werden sollte.
Einen solchen Rahmen hat das Forschungskolloquium Über Architekturvermittlung nachdenken gebildet, in dem internationale Forscherinnen unterschiedlichster Disziplinen ihren Stand der Forschung vor- und auch zur Diskussion gestellt haben. Das Forschungskolloquium fand erstmals am 20. und 21.11.2013 im Vorfeld des internationalen Symposiums Architektur ganztags – Spielräume für baukulturelle Bildung statt – zugleich ein Modul der LehrerInnen- und ArchitektInnenfortbildung. Es dient als Plattform des wissenschaftlichen Austausches neuer Erkenntnisse und Forschungen im Bereich der Architekturvermittlung. Dabei ist nicht nur Architekturvermittlung an Schulen gemeint, sondern inkludiert auch Bereiche wie Vermittlung in Museen, Universitäten oder Partizipation im Städtebau. Initiiert, organisiert und geleitet wurde das Forschungskolloquium von Prof. Dr. Riklef Rambow vom Karlsruher Institut für Technologie (Karlsruhe/ D) und Dr. Ernst Wagner (München, Erlangen / D) vom UNESCO-Lehrstuhl Kulturelle Bildung der Universität Erlangen.
Beide Veranstaltungen wurden im Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt (DAM) abgehalten, dessen Kuratorin Christina Budde den Bereich der Architekturvermittlung in den letzten Jahren aufgebaut und seitdem viele unterschiedliche Veranstaltungen im Bildungsbereich, wie Fortbildungen dieser Art, aber auch Vermittlungsprojekte für die jüngere Generation sowie Workshops, anbietet, die sehr gut angenommen werden.
Inzwischen ist ein neuer Begriff zur Sprache gekommen: baukulturelle Bildung. Baukultur und Architektur betrifft alle, aus diesem Grund sollte das Bewusstsein für die Gestaltung und Mitbestimmung in der Gestaltung der gebauten Umwelt schon früh geweckt und den Kindern und Jugendlichen auch die Möglichkeit der Kommunikation ihrer Wünsche geboten werden. Nun schließt sich der Kreis – mit dem Forschungskolloquium als Ausgangspunkt. Dort wurden Forschungsarbeiten aus den unterschiedlichsten Disziplinen – der Pädagogik, der Kunstgeschichte, der Architektur –, die sich mit Architekturvermittlung, Pädagogik, Didaktik, neuen Lehrkonzepten oder der Entwicklung von neuen Lehrmitteln befassen, vorgestellt:
_ Martina Dlugaiczyk (Trier/ D): Reloaded!? – oder wie aktuell ist historische Architekturvermittlung?
_ Susanne Henning (Paderborn/ D): Architektonische und skulpturale Bildungsprozesse im Kunstunterricht
_ Celina Martinez (Vaduz/ LI): Vermittlungsmodelle zur Förderung von Raumwahrnehmung und Kulturentwicklung
_ Isabelle Blanc und Chiara Riccardi (Wien/ A): Architekturvermittlung und Musealisierung am Beispiel der Wiener Werkbundsiedlung
_ Valerie Sargk und Miriam Pottgiesser (Frankfurt a. Main/ D): Bild macht Stadt – Stadt macht Bild – Macht Bild Stadt?
_ Ina Scheffler (Düsseldorf/ D): Miró in Golzheim – Das Gesamtkunstwerk der Rolandschule im Spannungsfeld zwischen Architektur, Kunst und Schule
_ Athanasia Siegl-Hadjiioannou (Wien/ A): Die Rolle der Baukunst in der Wissensvermittlung am Beispiel des Wahlpflichtfaches Architektur an der AHS – SchülerInnen auf dem Weg zur Partizipation
_ Marion Starzacher (Graz/ A): Wie kommt Architektur in die Schule? Methodiken der Wissensvermittlung und Fachdidaktik in der Architektur mit dem Schwerpunkt Entwurf und Arbeiten mit SchülerInnen und Studierenden
_ Eszter Tóth (Hamburg/ D): Spielerische Kinderbeteiligung. Die Anwendung von analogen und digitalen Spielen in der partizipativen Stadtplanung
Beispielhaft wird nachstehend auf zwei Vorträge genauer eingegangen, daraus ergibt sich keinerlei Wertung, eine Kurzfassung aller Vorträge ist als Pdf herunterzuladen.
Athanasia Siegl-Hadjiioannou hat in ihrer Rolle der Architektin und Pädagogin Architektur als Vertiefungsfach an ihrer Schule in Wien etabliert und stellte in ihrem Beitrag Die Rolle der Baukunst in der Wissensvermittlung am Beispiel des Wahlpflichtfaches Architektur an der AHS – SchülerInnen auf dem Weg zur Partizipation vor. Ziel bei diesem Fach ist nicht, Werbung für den Beruf der ArchitektInnen zu machen, sondern Bewusstseinsbildung und Sensibilisierung für die gebaute Umwelt. Intention ist unter anderem, dass die SchülerInnen über ihre eigenen Bedürfnisse Klarheit erlangen, diese kommunizieren wie kritisch hinterfragen können und ihre Wahrnehmung stärken.
Athanasia Siegl-Hadjiioannou ist gerade bei der Erstellung des Curriculums des Wahlplfichtfaches Architektur und ihr Lehrplan ist mit persönlichkeitsbildenden Faktoren durchzogen, denn Architektur ist subjektiv – in der Wahrnehmung, in der Betrachtung und in der Planung – eine Objektivierung und sachliche Betrachtung ist ein wichtiger Faktor in der Bewertung, in der Beschreibung von Architektur, von Baukunst. Sie baut auf intrinsisches Lernen durch Erlebnisse und strebt Synergien mit externen Instituten an, um eine Nachhaltigkeit in der Wissensvermittlung zu erlangen.
Eszter Tóth präsentierte die Spielerische Kinderbeteiligung. Die Anwendung von analogen und digitalen Spielen in der partizipativen Stadtplanung. Es geht ihr im Rahmen der baukulturellen Bildung darum, wie Kinder in die Gestaltung von gebauter Umwelt eingebunden werden, wie Theorie und Praxis verbunden werden können. Der Lernprozess fördert das Lernen über die gebaute Umwelt mittels kooperativer Spiele. Die Erweiterung der Partizipation in der Stadtplanung gelingt durch die Einbeziehung benachteiligter Gruppen, daher stellt sich die Frage, ob Spiele die Beteiligung in der Planung fördern? Durch Spiele werden auch Randgruppen angesprochen, die sich möglicherweise in anderen Beteiligungsformen nicht aktiv einbringen würden.
Eszter Tóth entwickelt eine Theorie zu Kriterien zur komparativen Datensammlung, Einbeziehung von Experten in Bezug auf die Erstellung eines Kategoriensystems der ausgewählten Spiele für die Spielesammlung. In der Praxis erprobt hat sie ein Stadtspiel, dessen Hintergrund ein realer Ort bildet. In verschiedenen Spielergruppen kann mit Bezug zur Realität Partizipation erfahren werden: Spielergruppen sind zum Beispiel Freiflächen oder Verkehr. Der Testlauf hat ergeben, welche Aspekte im Spiel wichtig sind, welche Lücken auftauchen. Diese Erkenntnisse fließen in die Weiterentwicklung des Spiels ein. Ein spannender Aspekt ist, dass die Wissensvermittlung auf unterschiedlichsten Ebenen stattfindet. Es werden auch regelmäßig Workshops zur Beteiligung der Jugendlichen in der Spieleentwicklung veranstaltet. Ziel ist die Sammlung und kritische Bewertung von unterschiedlichsten Stadtspielen, die in der partizipativen Stadtplanung eingesetzt werden.
Wertvolle und durchaus kritische Anmerkungen, Fragen und Anregungen gab es im Anschluss eines jeden Vortrages von Riklef Rambow und Ernst Wagner, die dann im Diskurs mit den Kolleginnen weiter vertieft wurden. Ja, die Teilnehmerinnen waren ausschließlich weiblich, was die Frage aufwirft Ist Architekturvermittlung in der Forschung weiblich? – denn in der Praxis gibt es schon den einen oder anderen männlichen Vermittler, sei es der Architekt oder der Künstler.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Forschung, die im Bereich der Architekturvermittlung stattfindet, oft nicht der Öffentlichkeit bekannt ist, woraus sich der Bedarf an geeigneten Plattformen zur Vorstellung der Projekte herauskristallisiert und der Vernetzungsbedarf vorhanden ist.
Eine Publikation der Beiträge zum Symposium Architektur ganztags – Spielräume für baukulturelle Bildung ist geplant.