Architekturvermittlung hat sich als Diskursgegenstand, als über Suchmaschinen nachweisbarer Begriff, bis zu einem gewissen Grad etabliert. Es gibt eine nennenswerte und kontinuierliche Menge von Aktivitäten, die diesem Konzept zugeordnet werden, und es gibt eine wachsende Anzahl von Personen, die sich in dem Bereich engagieren und sich selbst als ArchitekturvermittlerInnen verstehen. Hierüber ist in den bisherigen Beiträgen dieses Schwerpunkts einiges mitgeteilt worden. In diesem abschließenden Beitrag möchte ich mich der Frage widmen, inwiefern es in den vergangenen zwanzig Jahren gelungen ist, das Thema Architekturvermittlung auch an den Hochschulen zu etablieren.
Ich halte diese Frage für wichtig, weil die Hochschulen mit ihren beiden Hauptfunktionen Forschung und Lehre entscheidend dazu beitragen, ob ein gesellschaftliches Aufgabenfeld dauerhafte Bedeutung erlangen und sich systematisch fortentwickeln kann. Aufgrund dieser Überzeugung habe ich seit 1997 in Vorträgen und Publikationen dafür plädiert, die Architekturvermittlung stärker an den Hochschulen zu verankern; insofern ist die folgende kurze Bestandsaufnahme auch der Versuch einer persönlichen Zwischenbilanz.
Was können Hochschulen für die Architekturvermittlung leisten? Drei Aufgaben lassen sich unterscheiden: Zum Ersten können sie wissenschaftlich fundierte Ausbildungsangebote für SpezialistInnen schaffen – das ist wichtig für die Entwicklung einer klaren fachlichen Identität. Zum Zweiten können sie die Vermittlungskompetenz von ArchitektInnen stärken – das ist ein wichtiger Beitrag zur Baukultur und zur Dialogfähigkeit des Berufsstandes der ArchitektInnen. Und zum Dritten können sie Forschung über Vermittlungsprozesse betreiben – das ist unerlässlich, um der sich entwickelnden Praxis eine theoretische Grundlage zu geben und damit die Möglichkeit zu einer systematischen kritischen Reflexion zu eröffnen. Die Forschung dient zudem der Entwicklung innovativer Vermittlungsformate sowie der Evaluation und Wirkungskontrolle, die nicht nur Voraussetzung einer kontinuierlichen Verbesserung der Praxis sind, sondern auch legitimierende Funktion gegenüber politischen EntscheidungsträgerInnen haben.
Wo steht die Architekturvermittlung derzeit mit Blick auf diese drei Aufgaben? Im Wintersemester 2005/06 haben wir den ersten Jahrgang von Studierenden im viersemestrigen Masterstudiengang Architekturvermittlung an der BTU Cottbus immatrikuliert. Diesem Schritt waren ausführliche Analysen der Ausbildungslandschaft und des Berufsfelds vorausgegangen, die ergaben, dass es im deutschsprachigen Bereich zu diesem Zeitpunkt sowohl eine studentische Nachfrage als auch mögliche Beschäftigungsmöglichkeiten für bis zu zwanzig qualifizierte ArchitekturvermittlerInnen pro Jahr gab. Dabei wurde berücksichtigt, dass mit dem Studiengang Architektur Media Management an der Hochschule Bochum (siehe Link rechts) bereits seit einigen Jahren ein erfolgreiches Angebot existierte, das als zweisemestriges, anwendungsbezogenes Studium mit Fokus auf Marketing, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit unseres Erachtens hinreichend different ausgerichtet war, um keine unmittelbare Konkurrenzsituation entstehen zu lassen.
Der Master Architekturvermittlung in Cottbus existierte bis 2012, insgesamt wurden fünf Jahrgänge immatrikuliert und etwa 25 Personen schlossen das Studium erfolgreich ab. Die Erfahrungen aus dieser Zeit sind zwar zwiespältig, aber reichhaltig. Hier ist nicht der Ort, um diese Erfahrungen umfassend zu diskutieren, aber einige wichtige Erkenntnisse sollen doch erwähnt werden. Die Einrichtung und personelle Absicherung eines funktionierenden Curriculums für einen viersemestrigen Masterstudiengang erfordert gewisse Mindestressourcen und sie erfordert Zeit; nicht alle Module funktionieren von Beginn an und greifen sinnvoll ineinander. Zudem darf nicht erwartet werden, dass sich die Nachfrage vom Zeitpunkt der Veröffentlichung an sofort einstellt; das Angebot muss erst bekannt gemacht werden und für viele InteressentInnen ist ein Kriterium, dass es bereits erfolgreiche AbsolventInnen gibt. In unserem Falle war es so, dass erst der vierte und der fünfte Jahrgang in dieser Hinsicht „rund“ liefen; zugleich schwand zu diesem Zeitpunkt – aus ganz unterschiedlichen, von uns nicht beeinflussbaren Gründen – der Rückhalt seitens der Universitätsleitung und der Fakultät. Im Resultat wurde der Studiengang zu dem Zeitpunkt eingestellt, als der extrem arbeitsintensive administrative und inhaltliche Know-How-Aufbau begann, Früchte zu tragen. Eine immense Ressourcenverschwendung und mit viel persönlicher Frustration bei Lehrenden und Studierenden verbunden. Diese Erkenntnis ist nicht spezifisch für die Architekturvermittlung, aber dennoch wichtig: Die Einrichtung eines neuen Studienangebots braucht einen langen Atem, darüber müssen sich alle Beteiligten im Klaren sein und dann auch entsprechend langfristige Zusagen machen. Die Vorstellung, ein „kleiner“ Masterstudiengang sei mehr oder minder kostenneutral durch Zusatzengagement der bereits vorhandenen Lehrpersonen einzurichten und zu unterhalten, ist naiv und zum Scheitern verurteilt. Inhaltlich fällt die Bilanz besser aus. Nach drei Jahren bildete das Curriculum alle wichtigen Kompetenzbereiche auf gutem Niveau ab, die Module griffen ineinander und über Praktika und Projekte bestand ein vielseitiger Austausch mit externen Institutionen und möglichen Berufsfeldern; die AbsolventInnen fanden nach Abschluss des Studiums überwiegend einen angemessenen ersten Einstieg in den Beruf. Noch heute erhalte ich pro Jahr ca. fünfzehn bis zwanzig Anfragen von Studieninteressierten, die ich derzeit nur auf das Bochumer Studienangebot hinweisen kann sowie auf die Möglichkeit, den Architekturabschluss je nach konkretem Interessensprofil durch eine architekturunspezifische Zusatzqualifikation wie Kulturmanagement, Kulturpädagogik oder Kunstpädagogik zu ergänzen. Für das Fach Architekturvermittlung wäre es mittelfristig aber wichtig, wieder einen eigenen akademischen Ort zu haben. Ich hoffe, dass es eine neue derartige Initiative geben wird, und würde diese in jeder Hinsicht unterstützen. Dabei würde es sicher helfen, wenn das Angebot an einem zentralen und attraktiven Ort mit einem vielfältigen Angebot an architekturbezogenen kulturellen Aktivitäten angesiedelt wäre. Cottbus hatte auch in dieser Hinsicht gewisse Standortnachteile.
Das Cottbusser Studienangebot war auf der Grundlage entstanden, dass die Themen Kommunikation und Vermittlung bereits einen Schwerpunkt in der dortigen Ausbildung von ArchitektInnen und StadtplanerInnen bildeten. Dieser wurde durch das spezialisierte Angebot nicht ersetzt, sondern sogar noch intensiviert, d.h. die meisten Veranstaltungen im Rahmen des Master waren auch offen für Studierende der Architektur und Stadtplanung. Das leitet über zu der zweiten oben formulierten Aufgabe der Hochschulen: Wie sieht es mit der Repräsentanz des Themas Architekturvermittlung in der regulären Ausbildung von ArchitektInnen derzeit aus? Ich selbst bekleide seit fast sechs Jahren eine Professur für Architekturkommunikation am Karlsruher Institut für Technologie (siehe Link rechts). Es handelt sich um eine halbe Professur mit einer halben wissenschaftlichen Mitarbeiterin, die ursprünglich als Stiftungsprofessur auf Initiative der Wüstenrot Stiftung eingerichtet und mittlerweile von der Hochschule übernommen wurde. Das Thema Architekturvermittlung ist also als Nebenfach in Karlsruhe gesichert, wenn auch mit beschränkter Intensität. Nach meinem Wissen gibt es darüber hinaus im deutschsprachigen Bereich nur an der HS Bochum noch eine Professur, die explizit und ausschließlich mit Kommunikations- oder Vermittlungsfragen befasst ist. Das heißt nicht, dass die Thematik nicht vereinzelt auch andernorts in den Architekturcurricula berücksichtigt würde, gelegentlich sogar im Pflichtbereich. Sie wird dann aber entweder aus anderen Bereichen „zugekauft“ oder als „Schlüsselqualifikation“ vermittelt, über Lehraufträge durch externe Fachleute abgedeckt, oder von Lehrstühlen betreut, deren primäre Aufgabe eine andere ist, wo die LehrstuhlinhaberIn aber ein persönliches Interesse an der Thematik hat. Gelegentlich taucht das Thema auch in der Denomination einer Professur auf, dann aber als ein Aspekt unter mehreren, so wie an der FH Aachen: Entwerfen, insbesondere Methodik des Entwerfens und Architekturvermittlung. Die Situation ist also etwas unübersichtlich: Das Thema ist präsent und es gibt zweifellos immer wieder auch sehr qualitätvolle Lehrangebote und Projekte. Aber die fehlende Verankerung über Professuren, deren Auftrag ausschließlich oder zumindest hauptsächlich im Bereich der Architekturvermittlung liegt, hat verschiedene Konsequenzen: 1. Die individuellen Angebote sind nicht verlässlich und können jederzeit wieder verschwinden; 2. Es kann kein akademisches Netzwerk von Lehrenden im Bereich der Architekturvermittlung entstehen, das mit einer gewissen Kontinuität Erfahrungsaustausch und die systematische Fortentwicklung einer fachlichen Identität betreibt; 3. Volatile Beschäftigungsformen wie Lehraufträge ermöglichen kaum die Entfaltung von Forschungsaktivitäten und damit auch einer forschungsnahen Lehre. Diese drei Gründe machen deutlich, dass die Architekturvermittlung noch weit davon entfernt ist, einen festen Bestandteil des Kompetenzprofils von ArchitektInnen zu bilden. Für die Zukunft gilt es, diejenigen, die sich in der Lehre engagieren, stärker zu vernetzen und „Erfolgsgeschichten“ zu sammeln und zu publizieren, um so die Stellung des Faches mittelfristig weiter zu stärken.
Womit wir bei der dritten Aufgabe der Hochschulen wären, nämlich der Forschung und der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Ohne eine gewisse personelle Infrastruktur kann diese sich nur schwer entfalten, entsprechend rudimentär stellt sich die Situation im Bereich der Architekturvermittlung auch dar. Auf der Grundlage dieser Einschätzung haben Ernst Wagner und ich im Herbst 2013 das Forschungskolloquium „Über Architekturvermittlung nachdenken“ initiiert, über das Marion Starzacher auf GAT bereits berichtet hat (siehe Link rechts). Über einen breit gestreuten Call for papers wollten wir eine möglichst vollständige Bestandsaufnahme aktueller Forschungsaktivitäten erreichen, wobei wir insbesondere auf Qualifikationsarbeiten wie Dissertationen und Habilitationen abzielten. Das resultierende Bild war, wie aus dem besagten Bericht hervorgeht, durchaus vielschichtig und erfreulich, machte zugleich aber auch deutlich, mit welchen Schwierigkeiten sich Forschende mit einem Interesse an Architekturvermittlung konfrontiert sehen. Da es keine klare Fachzuordnung gibt, werden die Fragestellungen an ganz unterschiedlichen Fachbereichen angesiedelt, vor allem Kunstgeschichte, Kunstpädagogik, Geografie und Architektur, was häufig mit Kompromissen bei der genauen Definition des Themas und der Wahl der Methodik einhergeht. Oft fühlen sich die gewählten BetreuerInnen nur eingeschränkt kompetent bezüglich der Thematik und eine Einbindung in ein Team oder einen festen Forschungszusammenhang ist praktisch nicht möglich. Die meisten Forschenden sind daher EinzelkämpferInnen, die sich ihr Thema weitgehend selbst und gelegentlich gegen Widerstände erkämpfen müssen. Man muss kein Wissenschaftssoziologe sein, um zu ahnen, dass diese Bedingungen die Erfolgsaussichten z.B. von Promotionsvorhaben nicht gerade steigern. Eine Veranstaltung wie das Frankfurter Kolloquium bietet den Forschenden sicherlich eine willkommene Unterstützung, ist aber kaum mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Für diesen November hat die Uni Weimar ihr regelmäßiges Symposium zur Architekturvermittlung explizit um einen Forschungsschwerpunkt erweitert (siehe Link rechts). Es ist zu hoffen, dass zukünftig häufiger und regelmäßiger derartige Veranstaltungen stattfinden, um die überschaubare Gemeinschaft derjenigen, die zu Fragen der Architekturvermittlung forschen, in einen engeren und kontinuierlicheren Austausch zu bringen. In Anbetracht der Tatsache, dass Österreich unter den Forschenden – wie auch unter den praktisch tätigen ArchitekturvermittlerInnen – zahlenmäßig fast schon traditionell überrepräsentiert ist, wäre das stärkere Engagement einer österreichischen Hochschule in diesem Zusammenhang besonders erfreulich.