Die vierte Arkaden-Route führte uns bereits zum schönen Hof Herrengasse 7; wir setzen jetzt dort fort und wandern bis zum Rathaus. Einige der Häuser mit Arkadenhöfen kamen schon in früheren Folgen in Zusammenhang mit den Durchgängen zur Sprache, weshalb sie hier kürzer beschrieben werden. In zwei Fällen ist die Identifikation als Arkade vielleicht etwas zu voreilig …
48) Hauptplatz 16: Ehem. Lambrechterhof
Weil der ursprüngliche Hauseingang längst durch Geschäftseinbauten geschlossen ist, kann der Hof nur über den gemeinsamen Eingang mit dem schönen Portal (Wappen der Grafen Stürckh und Madonnen-Nische darüber) bei Hauptplatz 17 erreicht werden (Zugang zur Urania). Seit der Freilegung der aus 1570/90 stammenden Sgraffiti an den Arkaden- und Loggienbrüstungen ist dieser Renaissance-Innenhof wohl einer der malerischsten und baukünstlerisch wertvollsten in der Grazer Altstadt. In drei Geschossen bilden je zehn toskanische Säulen ein wunderbares Gefüge von Gängen und Loggien (Bild 4).
49) Hauptplatz 15: Palmershaus, Straßenfront
Beim Umbau des Geschäftsportals tauchten 2010 unter der Maria-Immaculata-Statue drei Bögen auf spätgotischen Konsolen auf, die ich für Reste einer Arkade hielt (Bild 5). Mein Antrag, dieses wichtige Architekturdetail herauszustellen, stieß beim Denkmalamt auf kein Verständnis; man meinte, durch den neuen Vorsatz in durchscheinendem Glas würden diese „Überhangbögen“ ohnehin sichtbar bleiben. Das Ergebnis spricht leider eine andere Sprache.
50) Hauptplatz 15: Palmershaus Arkadenhof
Dieses Haus birgt die bedeutendsten Arkadengänge von Graz. Die in zwei Geschoßen aufgestellten jeweils sechs spätgotischen Säulen haben unterschiedliche Schaftformen (Bild 6); ein einzigartiger architektonischer Glücksfall, vor allem seit der teilweisen Freilegung von 1985 und der neuerlichen Renovierung 2023. Nach dem Krieg gab es nämlich Pläne, die Innenhöfe der Altstadt zu „entkernen“, um den Bewohnern mehr Licht und Luft zu verschaffen; dabei wäre auch dieses Arkadenwunder abgerissen worden! Stadtplaner sind meist „nur“ Architekten und haben bedauerlicherweise oft kein Gefühl für das Bauerbe.
Der derzeit verschlossene Zutritt zum Hof könnte bei einer Neueröffnung des Lokals in der Prokopigasse wieder möglich werden. Der Welterbe-Masterplan der Stadt Graz empfiehlt ja ausdrücklich, die architektonischen Schätze der Innenhöfe zugänglich zu machen! Ich erinnere dazu an die von mir in Schau doch! 37 beschriebene Vision des „Altstadt-Labyrinths“ – einer Passage mit seitlichen Zugängen von der Sporgasse bis zum Schloßbergplatz.
51) Hauptplatz 13: Weikhard-Haus
Das Haus hat einen Eingang, der – als edle Auslagenpassage gestaltet – in einen kleinen, überdachten Innenhof führt. An der Südseite besitzt er sehenswerte dreigeschoßige Arkaden mit insgesamt 10 toskanischen Säulen (Bild 7).
52) Hauptplatz 12: Zweites Luegg-Haus mit Hofarkaden
Die beiden Luegg-Häusern Nr. 11 (mit dem überreichen, teilweise Gesichter schneidenden Fassadenschmuck von Domenico Boscho von 1680/85) und der etwas weniger aufwendig gestalteten Nr. 12) sind das Herzstück des Grazer Hauptplatzes. Da alle ebenerdigen Räume von Geschäftslokalen besetzt sind, wurde der Eingang in beide Häusern mitsamt den Torflügeln aus dem Rokoko 1926 in die Sporgasse Nr. 2 verlegt. Der enge Innenhof wird in drei Geschoßen des Hauses Hauptplatz 12 durch Arkadengänge aufgewertet, die aber durch Glasfenster geschlossen sind (Bild 8). Der Zugang zum Hof ist durch das Lokal möglich.
53) Hauptplatz 11: Erstes Luegg-Haus
Der Bau selbst ist natürlich viel älter als die barocken Fassaden, wie uns Urkunden verraten: Am 2. September 1484 bestätigt ein Jakob Müllner dem Juden Nassan zu Gracz eine Schuld von 6 Gulden ungarischer Dukaten und ein Viertel Mehl, am 16. Jänner 1488 eine Schuld von 3 Pfund Pfennig und drei Hühner. Am 21. Jänner 1490 wird ein Pfandrecht auf den Gütern des Kristian Müllner eingetragen, am 8. März 1493 überträgt der Jude Nassan zwei Geldbriefe des Jakob Müllner dem Abt Wolfgang von Rein. In allen diesen Fällen werden die Schuldner als „bei dem Lueg“ lokalisiert. Wir können annehmen, dass diese Geldbeschaffungen dem Bau des Hauses gedient haben, das in diese Zeit datiert werden kann.
Weniger spektakulär als die Fassaden ist der vom Innenhof erreichbare Stiegenaufgang, der von Fensterarkaden aus späterer Zeit erhellt wird (Bild 9).
54) Hauptplatz 11 und 12: Luegg-Arkaden
Die Vorsprünge der wohl dekorativsten Straßenecke der Grazer Innenstadt ruhen an beiden Straßenseiten auf insgesamt acht Erdgeschoßlauben. Sporgassenseitig haben sich noch einige spätgotische Rundpfeiler erhalten, die aus der Bauzeit Ende des 15. Jahrhunderts stammen dürften (Bild 10). Hauptplatzseitig sind es quadratische Pfeiler mit abgefassten Kanten und derben Prellsteinen.
55) Murgasse 4, Säulenhaus
Dieses in der 2. Hälfte des 16. Jh. errichtete Wohn- und Geschäftshaus weist aus der Renaissance einen Überhang und östlich neben dem Eingang eine 1969 freigelegte Säule auf, vielleicht den Rest einer Arkade (Bild 11). Die Fassade ist klassizistisch und entstand um 1806 aus einem Umbau.
56) Hauptplatz 1, Rathaus
Alte Ansichten zeigen das erste Rathaus als Renaissancebau von 1550 – also rund zwei Jahrzehnte nach dem Schmiedgassen-Trakt des Landhauses; schöne Bilder haben wir auch vom spätklassizistischen Rathaus des Jahres 1807, das Gustav Schreiner noch 1843 „unstreitig das schönste Gebäude der Stadt“ nannte.
Eigentlich ist es schade, dass diese schönen Bauten den Anforderungen der gestiegenen Verwaltung zum Opfer fallen mussten. Letztlich war es aber der Raumbedarf der „Gemeinde-Sparcasse“ und ihre Rücklagen, die den letzten Neubau veranlassten. Die Ironie dabei: Da man drei Altbauten (Herrengasse 4, 6, 8) nicht durch Abriss in die Planung des riesigen Gebäudeblocks einbeziehen konnte, musste bald darauf (1902) in der Schmiedgasse 26-30 ein Amtshaus errichtet werden – das wiederum das Ende einiger schöner Altbauten bedeutete.
Das dann 1893 von den Architekten Alexander von Wielemans und Theodor Reuter in den Formen des späten Historismus fertiggestellte Rathaus überschritt die Dimensionen des Platzes davor. Es ist daher nicht verwunderlich, dass der Gemeinderat 1962/63 eine radikale Vereinfachung der Fassade und eine Reduktion der Bauhöhe überlegte, wobei sich der Entwurf des Architekten Wilhelm Jonser an die Formen des Rathausbaus von 1803 anlehnte. Nach öffentlicher Kritik und einer eingeschränkten Volksbefragung wurde schließlich doch die alte Fassade restauriert.
Heute betritt man das Rathaus durch den Vorbau mit seinen drei Bögen und vorgestellten Vollsäulen; sie sollen an den Vorgängerbau erinnern. Rechts von der Durchfahrt, ist der Antritt zum Stiegenhaus durch ein pittoreskes Gewirr von Arkadenbögen geziert (Bild 12).
57) Herrengasse 4 bzw. Rathaus
Franz Stocklasa, der Eigentümer dieses Hauses, widersetzte sich 1886 dem Verkauf und Abriss für den geplanten vierkantigen Rathaus-Neubau. Im vorderen, ehemaligen Geschäftslokal (früher Papier Braun, seit 2003 Café Sacher) sind wunderbare Deckenfresken aus 1803 erhalten. Über dem verglasten Innenhof befindet sich eine historistisch gestaltete Terrasse mit Zinnen und vier Arkadenbögen aus dem 4. Viertel des 19. Jh., die an das Pressezentrum des Rathauses anschließt. Dieses ist nur vom Rathaus aus über eine Brücke zugänglich (Bild 13).