15/12/2020

Schau doch! 02

Kolumne von Peter Laukhardt

Wie die Baiern zum Weinbau kamen – und wie Graz die Erinnerung daran auslöscht – Baierdorf Teil 1

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Mit der Kolumne Schau doch! zeigt der Autor auf, dass es im Grazer Stadtraum auch abseits des Weltkulturerbes unersetzliches Bauerbe zu entdecken und zu schützen gibt.

Schau doch! erscheint ab 17.11.2020 jeden dritten Dienstag im Monat auf GAT.

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15/12/2020

Bild 1: Der "Baierbrunnen" vorne und die abgerissen Häuser Gritzenweg 1 und 3 im Hintergrund

©: Peter Laukhardt

Bild 2: Dorfzeile im Jahr 2011 mit Gritzenweg 6 (vorne rechts, 2016 abgerissen), 9 und 10 im Hintergrund links

©: Peter Laukhardt

Bild 3: Gritzenweg 5: Einziges noch bestehendes Giebelhaus, renoviert

©: Peter Laukhardt

Bild 4: Gritzenweg 18

©: Peter Laukhardt

Bild 5: Gritzenweg 22. der "Sophienhof", links) mit dem "Brückerl"

©: Peter Laukhardt

Bild 6: Gritzenweg 26, ehemaliges Winzerhaus mit Veranda

©: Peter Laukhardt

Wie die Baiern zum Weinbau kamen
und wie Graz die Erinnerung daran auslöscht – Baierdorf Teil 1

Voitsberger Pendler kennen ihn sicher, den Baiernbrunnen. (Bild 1) Er markiert einen bedeutenden Punkt der Grazer Geschichte. Hier, an der Baiernstraße, einer vorrömischen Alt-Straße, die sich entlang der Bergkette westlich an Graz vorbeiwindet, haben sich vermutlich die ersten bairischen Kolonisten ab dem 9. Jahrhundert niedergelassen und mit der bereits ansässigen slawischen Bevölkerung gemeinschaftlich das Land bebaut. So geht der Name Gritzenweg auf das slawische grič (Hügel) oder gorica (kleiner Berg) zurück. Dass hier bereits Wein gedieh, dessen Kultur die Slawen nach den Römern weitergeführt haben, war den Ankömmlingen zunächst fremd. Aber schon in der ersten urkundlichen Nennung von Baierdorf lesen wir 1147 von einem Weinberg: ''Chunradus de Pilstaine'' verkauft vor seinem Abgang zum zweiten Kreuzzug ins Heilige Land .. ''in expeditione illa Jerosolimitano'' .. dem Kloster Admont ... ''tale predium quale habuit in Marchia, ... et ad Baierdorf mansum unum cum uinea …'
Der Name Baierdorf bezieht sich heute auf eine Ansiedlung, die an der Straße mit einem Gasthaus Zum Baiernbrunnen beginnt, dann eine kurze Dorfzeile bildet und sich dann gabelt. Nach links zieht sich der Gritzenweg hangauf, und erstreckt sich an mehreren Villen vorbei schließlich mit ehemaligen Winzerhäusern bis in höhere Lagen. Bis vor kurzem war hier noch der dörfliche Charakter deutlich wahrnehmbar. Doch in den letzten Jahren verschwand ein Haus nach dem anderen.
Das Haus Gritzenweg 6 (Bild 2) war ein eingeschoßiges Bauernhaus mit Schopfwalmgiebel, ausgebautem Dach und Erzherzog-Johann-Portikus über dem Eingang und wurde schon 1979 im DEHIO Graz, Kunstdenkmäler in Österreich beschrieben. Der westseitige Giebel zeigt unter dem Ochsenauge die Jahreszahlen 1817 – 1982.  Mit dem Abriss des bemerkenswerten Hauses, dem der Denkmalschutz verweigert wurde, ist 2016 der Untergang des dörflichen Bestandes eingeleitet worden. Siehe auch https://www.grazerbe.at/Spezial:KU/xx
Das dort – neben dem Abrissareal – entstandene Haus erklärt protzig den Beginn einer neuen Zeit; wie er architektonisch zu beurteilen ist, mag nebensächlich sein. Kürzlich sind auch weniger bedeutende Gebäude am Beginn der Dorfzeile abgerissen worden, das Giebel-Haus Nr. 5 hält noch die Stellung. (Bild 3)
Die Geschichte des ehemaligen Burgstalls, adeligen Sitzes, Schlosses und Gutes Baierdorf soll im nächsten Schau doch! behandelt werden. Die aktuellen Probleme der Ortschaft beziehen sich aber noch auf die fraglich gewordene Bewahrung des Grüngürtels im weiteren Verlauf des Gritzenweges. Hier sind ja noch besonders schützenswerte Bauten erhalten, die zum Teil bis weit in die Zeit des Weinbaus zurückgehen. Wir steigen bergan. An der Kreuzung mit dem Hangweg stechen zwei sehr schönen Villen ins Auge, Gritzenweg Nr. 15 und Nr.18. (Bild 4)
Es folgt ein Steilstück mit einem Übergang in Form eines kurzen Tunnels, der die Verbindung zwischen dem schon 1829 dokumentierten ehemaligen Winzerhaus (Bild 5) und dem zugehörigen Weingarten herstellte. Nun ist 2020 ein Abbruchbescheid für das villenartige Wohnhaus ergangen. Für das große Grundstück daneben wurde ein Projekt mit 14 bis 16 Wohneinheiten gesichtet. Wenn schon die gepflegte und sicher erhaltenwerte Villa Sophienhof abgerissen werden soll, um den Baugrund erschließen zu können, so befürchten SOKO Altstadt und die Anrainer, dass der Grüngürtel, in dem sich das Areal befindet, durch die für das Projekt notwendigen Baumaßnahmen mit allen Begleitproblemen schwer in Mitleidenschaft gezogen werden könnte. Anscheindend ist der Abbruch des Hauses Gritzenweg 22 dadurch begründet, dass schwere Baufahrzeuge ansonsten nicht zur Baustelle gelangen könnten. Damit ist auch der Bestand des in Graz wohl einzigartigen Brückerls gefährdet.
Die Bewohner des Gritzenwegs sind in Sorge um das noch harmonische Ortsbild, das durch Zufahrten, Hangsicherungen, Carports usw. entstellt werden könnte und haben deshalb eine Bürgerinitiative gegründet und Unterschriften gesammelt. Schreiben an Politiker, Beiträge in den Medien, Anfragen und Eingaben waren bisher aber erfolglos. Von der Stadtplanung wird darauf hingewiesen, dass im Räumlichen Leitbild die alte Dorfzeile und ein Streifen entlang der Baiernstraße als „Villenviertel“ ausgewiesen ist, und dass die weiter hangaufwärts liegenden Areale ohnehin als Bauland im Grüngürtel gelten, das nur mit Einschränkungen bebaut werden kann. Leider sprechen bisherige Erfahrungen in anderen Stadtteilen eine andere Sprache.
Den Gritzenweg weiter aufwärts sind noch charakteristische Winzerhäuser erhalten, wie das folgende Bild 6 zeigt.
Fazit 
Lediglich der
Baiernbrunnen, das gleichnamige Gasthaus und ein Giebelhaus geben noch Kunde einer über tausend Jahre alten Baukultur. Die Baudenkmäler, wie die Allerheiligen-Kirche, bäuerliche Anwesen, mehrere Biedermaierbauten und Jugendstilvillen hätten vor Jahrzehnten Anlass sein müssen, das Baierdorf als Schutzzone im Altstadtgesetz auszuweisen. Das geschah leider nicht. Jetzt ist guter Rat teuer.

Gritzenweg

Sehr geehrter Herr Dipl. Dolm. Peter Laukhardt,
wir sind Anrainer am Gritzenweg und haben auf der grünen Wiese ein neumodisches Haus errichtet (Landhausstil mit Giebeldach war für uns auf Grund von diversen Bauvorgaben von Amtswegen nicht umsetzbar). Auch wir begrüßen ihren Artikel und Einsatz für den Erhalt des Einfamilienwohnhauscharakters und Villenviertels und freuen uns schon auf weitere Teile. Bitte noch mehr davon zu den Themen Baierdorf, Gritzenweg, der Villa am Hangweg 14, Geschichte und Kultur am Kollerberg, etc. Als Sachverständiger in der Grazer Altstadtsachverständigenkommission bitten wir Sie auch höflich um Tipps wie hier die Anrainer richtig mit Politik und Amt umzugehen haben, um den Wohncharakter und die Sicherheit dieses Viertels zu erhalten.
Mit freundlichen Grüßen,
Anrainer vom Gritzenweg

Di. 15/12/2020 12:25 Permalink
Anonymous

Danke für diesen Beitrag! Ich gehe oft und gerne am Gritzenweg spazieren, oder auch am Hangweg wo man die Spuren der ehemaligen Landsitze sieht. Es ist ewig schade, wie alles verloren geht!

Mi. 16/12/2020 9:09 Permalink
Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
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