MINUS: Bau-un-kultur im trendigen Grazer Lendviertel
In der Josefigasse 73, Ecke Am Freigarten standen bis vor einigen Jahren noch Gebäudeteile der ehemaligen Cottone Druckerey. Eine Besonderheit war der dreiteilige Schopfwalmgiebel. Es wurde eine Unterschutzstellung angestrebt, kam wegen des angeblich schlechten Gebäudezustandes aber nicht zustande. Letztendlich gab es einen Abbruchbescheid. Sehr schade. Aber was dann gebaut wurde, ist nicht nur schade sondern eine baukulturelle Katastrophe: Es wurde ein Wohnhaus mit 20 Vorsorgewohnungen errichtet und 2013 fertiggestellt.
Beworben werden Wohnungen noch im Internet mit sehr blumigen Texten und man wirbt mit dem tollen Viertel.
Text aus einem Immobilieninserat
"Vorsorgewohnungen im Szeneviertel Lend - Heute in die Lifestyletrends von morgen investieren!
Neuerrichtetes Mehrparteienhaus mit 20 Vorsorgewohnungen auf vier Geschoßen, über Lift bis ins 3.OG barrierefrei erreichbar.
Grundstücksgröße: 735 m2, Top-Größen zwischen 39 und 85 m2, mit 1-3 Zimmern, 2 Maisonetten, hochwertige Ausstattung, teils mit Balkonen oder Terrassen, Kellerabteil oder Abstellplatz. Parkplatzanlage mit acht Stellplätzen und vier Carport, Bewohner-Parkplätze auf öffentlichen Grund gegen Jahresgebühr.
Das Projekt liegt Ecke Josefigasse 73 / Am Freigarten 12, beste Infrastruktur durch Zentrumslage und unmittelbarer Nähe zu Schulen, Kindergärten, Einkaufsmöglichkeiten, Freizeit-, Gesundheit- und Wellness-Einrichtungen.
Optimale Verkehrsanbindung durch die GVB-Bus-Linien 40, 58, 58 E, 63, 67 E und die Nähe zum Hauptbahnhof bzw. der Stadteinfahrt Graz-Nord."
Eine 42 m2 Wohnung – siehe Grundriss aus Inserat – kostet 118.000,00 Euro.
Abgesehen von der architektonischen „Qualität“ und der „Billigkeit“ der Materialien ist es wahre Bau-un-kultur, die Hälfte des Erdgeschoßes als offene Garage zu gestalten, Müllkübel frei neben dem Hauszugang aufzustellen und ebenerdige Terrassen zur Straße mit Maschendraht abzuzäunen.
Man fragt sich natürlich auch, wo hier die ASVK hingesehen hat.
Projektentwickler und Investoren sollten sich nicht nur der vorhandenen Baukultur und Qualität zwecks besserer Vermarktung ihrer Objekte bedienen sondern mit ihren Objekten auch zur Baukultur beitragen. Denn sonst wird es in den „trendigen Vierteln“ bald nicht mehr so trendig sein.
man wundert...
....sich immer wieder, unter welchen Prinzipien Immobilien bewertet und produziert werden, so nach dem Motto: 'alles ist vorhanden', (ganz egal wie).
keine PLUS mehr?
Dem Kommentar kann man nicht mehr viel hinzufügen, ausser dass dieses Projekt wohl exemplarisch für viele ähnliche Projekte in Graz steht.
Mir ist bei der Recherche im "PLUS/MINUS"-Archiv jedoch ein anderer Aspekt aufgefallen: Der letzte "PLUS"-Beitrag wurde im Jahr 2010 verfasst. Steht es wirklich so schlecht um die Grazer Baukultur oder bewegen lediglich die Negativbeispiele die Gemüter?
Antwort auf keine PLUS mehr? von Günther Mader
Positiv
Zur Information (AGIS): Die Liegenschaft befindet sich nicht in der Schutzzone nach dem Grazer Altstadterhaltungsgesetz (GAEG). An der negativen Obsorge zeigt sich dass es im Leben viel schwerer ist ja zu sagen als nein. Ich wünsche der Vergangenheit eine positive Zukunft.
Josefigasse 73
Ich bin selber Architektin mit Jahrelanger Erfahrung und kenne das Projekt sehr gut, da ich privat oft in diesem Haus bin! Die Bauqualität ist tatsächlich, sehr schlecht, ich möchte fasst sagen "peinlich schlecht" und meiner Meinung nach, solte der Hausverwalter, Brandtstädter Immobilien zur Rede gestellt werden, da dieser offensichtlich NULL Ahnung oder gar Erfahrung mit dem Bauen hat. Er verkauft bzw. handelt auch die Wohnungspreise sehr nach Tagesbefinden, da sind oft mehrer 10.000 € unterschied von heute auf morgen.
Der Text ist aber auch nicht sehr profesionell! Kritik ist schön und gut, aber wo ist der Sinn dahinter. Die Gebäude, die vorher da waren, waren in sehr schlechten Zustand und eine Aufrechterhaltung hätte vermutlich das dreifach von dem gekostet, was der Neubau der Wohnungen gekost hätte und von einer Originalität kann man da ja wohl auch nicht mehr sprechen!!
Was ist falsch daran, dass im EG Parkmöglichkeiten geschaffen wurde? Ist es etwa schlauer, schöner oder gar besser, dort Wohneinheiten zu errichten? Wo doch keiner mehr im EG leben/wohnen will und schon gar nicht dort, da man NULL privatsphäre hat und jeder rein sieht und noch dazu in dieser Gegend kaum Parkmöglichkeiten sind? Die einzige TAgeszeit wo man in dieser Nachbarschaft einen Parkplatz findet ist in der Früh, nachdem jeder in die Arbeit gefahren ist. Das wars!
Ich könnte noch länger weiterschreiben, doch das würde auch nichts ändern. Eins ist jedoch klar, es ist eine Baukatastrophe, die Qualität ist sehr schlecht und bereits nach knappen 2Jahren sind bereits Feuchteschäden, Fassadenproblem und andere Dinge aufgetreten. Jedoch waren die Kritikpunkte auch nicht sehr ausschlaggebend oder gar helfend. Es ist immer leicht zu schimpfen, aber was viel wichtiger wäre, WIE kann man es besser machen??
Antwort auf Josefigasse 73 von Anonymous
In dem Punkt mit den
In dem Punkt mit den EG-Parkmöglichkeiten muss ich widersprechen.
Die Erdgeschosszone ist die wichtigste Ebene in einer Stadt. Zu wichtig für Autos. Welche Nutzung oder Bedeutung wir dieser Zone geben, lässt ja fast schon Rückschlüsse ziehen, welche Prioritäten unsere Gesellschaft an die Stadt stellt.
An dieser Stelle wäre das Grazer Stadtplanungsamt gefordert…
Antwort auf Josefigasse 73 von Anonymous
wo ist der sinn hinter kritk
danke für die kritk und ausführliche stellungnahme.
Plus/Minus ist eine rubrik, wo kurz und bündig positives oder negatives aufgezeigt wird, es geht nicht um schimpfen. kritik an mangelnder baukultur macht sehr wohl sinn. nach Ihrer argumentationslogik, könnte/sollte man alle gebäude in schlechtem bauzustand entfernen und überall, wo parkdruck herrscht, im eg autostellplätze machen. das ist wahrlich ein"guter" städtebaulicher und baukutureller ansatz. die alternative zu parkplätzen ist nicht wohnen im eg, sondern eine gestaltete eingangsituation, ein geräumiges treppenhaus, das unterbringen von nebenfunktionen des wohnens, wie geschlossene müllräume, kinderwagen- u. fahrradräume, sowie es beispielsweise in wien in dicht verbauten gebieten längst praktiziert wird. dann würden mülltonnen nicht frei herumstehen und man müsste nicht bei autos vorbeischleichen, wenn man das haus betreten will. und was wäre mit einer hochparterrelösung? diese schafft sehr wohl privatsphäre, wie gründerzeitliche häuser mit vorgarten gut zeigen.
man muss bei architekturkritik nicht einen verbesserungsvorschlag liefern, ein literaturkritiker schreibt ja auch nicht das buch anders, das er kritisiert.
Antwort auf Josefigasse 73 von Anonymous
über Sinn oder Unsinn
Wer sich Architektin oder Architekt nennt, sollte sich die Frage, wie man es besser machen könnte, selbst beantworten können. Wozu studiert? Außerdem ist das Argument für Parkplätze, dem nachfolgt, dass die Alternative ein Wohnen im Erdgeschoß wäre, haarsträubend einfältig und dumm. Woraus bestehen die Erdgeschoßzonen in urbaner Dichte, in der Stadt? Doch nicht aus Parkplätzen oder Wohnungen, oder? Wie wär's mit Büroräumen, Läden, Werkstätten ect.?
Bitte so nicht (länger) weiterschreiben - denn wo ist der Sinn hinter diesem Kommentar in so schlechter Orthographie? Ist das der Grund für die Anonymität?