05/06/2024

Leseempfehlung (nicht nur) für Colin Fournier Uncertain Cities, manuskripte 243.

05/06/2024
©: Milan Feyferlik

Jemand sagte, Literatur sei Worte und die Stille dazwischen […]1

Man könnte sagen, das ist Architektur auch – oder: auch das ist Architektur. 
Anders, Architektur ist die Stille – das menschliche Innehalten – das den Raum dazwischen öffnet. 

Architektur ist Ausfüllen und Weglassen, vom einzelnen Haus bis zum Gemeinsam der Stadt. 

So nähert sich Colin Fournier seinen Utopien ungewisser Städte. Er betrachtet mit der Distanz eines Wissenschafters und beschreibt mit der warmen Neugier eines Fremden das, was – wie Fournier weiß – nichts als Zufälligkeit der Siedlungsgeschichte ist.
Ein Fähigerer („I wanna bee. 2) hat in Colin Fournier‘s und Peter Cook‘s Grazer Kunsthaus den „Darm des Architekten“ erkannt. Findige Werbetexter haben es – fast entschuldigend – „Friendly Alien“ getauft. Es könnte genau jenem Flugkörper als Außenhaut dienen, mit dem der Ich-Erzähler, ein extraterrestrischer Forschungsreisender zur Erde gleitet. Dort nimmt er Maß und Notiz von dem, was sein könnte, vielleicht gerade ist. Fourniers Urbanologie umreißt äußerliche und funktionelle Gegebenheiten, ohne sich in ihnen zu verlieren; schildert, zeigt die Stadt lieber als Lebensort, mitunter exotische Möglichkeit statt als kaltes Sezierobjekt vornehmlich symptombekämpfender Stadtplaner. 
Denn auch Schreiben, Beschreiben ist Ausführen und Weglassen.
Fournier probiert sich nicht an urbanistischen Visionen oder dystopischen Vorhersagen – Warum auch? Stattdessen sucht er an unmöglichen Orten und findet – mitunter in der Ruhe des Zufalls –­ Marktgeräusche in der Wüste von Nevada und Nomaden in den schottischen Highlands.
Colin Fournier schafft kein klares Bild, wie Stadt zu sein hat, denn in keiner seiner Beobachtungen ist die Stadt wirklich, was wir bislang zu glauben versucht waren. Die Texte hinterlassen das Skizzenhafte, das Ungewisse, das andeutet, welchen Raum Stadt geben kann.

So bleibt die Stadt Text, bleibt, was sie vielleicht immer hätte bleiben oder vor allem sein sollen. Vorstellung.

 

_______Quellen:

1: Zitat den manuskripten 243 entnommen, Chrystyna Nazarkewytsch. „die Stille zwischen den Wörtern“. Hier waren wir. s. 23

2: Zitat / Foto "I wanna bee", © Emil Gruber, siehe auch: Emil Gruber, 1959 bis 2021, gat.news, https://gat.news/node/246809

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