In dieser rein theoretischen Arbeit wird der Frage nachgegangen, wie ein politisches Instrument unseren Lebensraum beeinflusst und welche Schnittstellen, Wechselwirkungen und Synergien sich zwischen städtischen und sozialpolitischen Aspekten bilden. Es stellt sich die Frage, wie sich soziale Gegensätze innerhalb der Stadt manifestieren. Welchen Beitrag leistet der geförderte Wohnbau hierzu? Und was soll das alles mit Neoliberalismus zu tun haben?
Wohnbauförderung für wen?
Gemäß der aktuellen EU-SILC-Erhebung sind rund 196.000 Personen in der Steiermark von Armut gefährdet. Das heißt, diesen Personen steht weniger als 1.238 €/Monat zur Verfügung. Nun möchte man meinen, hier wäre die Geschoßwohnbauförderung hierzulande ein geeignetes Mittel um mit „leistbarem Wohnen“ entgegenzuwirken. Hierzu lohnt sich allerdings ein Blick auf die festgelegten Einkommensgrenzen, die nicht überschritten werden dürfen, um eine geförderte Wohnung zu beziehen. Vergleicht man diese Obergrenzen mit den Einkommensschichten laut EU-SILC-Statistik wird deutlich, dass sich die steirische Wohnbauförderung – allein durch die Festlegungen des maximalen, jährlichen Einkommens – als Förderung für den (gehobenen) Mittelstand deklariert. Allgegenwärtig umgibt den Fördergedanken aber ein ökonomischer Aspekt. Die Argumentation der wirtschaftlichen Wertschöpfung, die von politischer Seite nur allzu häufig betont wird, hat vor allem hinsichtlich der Arbeitsplatzschaffung einen hohen gesellschaftlichen Stellenwert. Der soziale Grundgedanke der Wohnbauförderung tritt allerdings in den Hintergrund und die Förderung fungiert als wirtschaftlicher „Impulsgeber“ – die Wohnbauförderung (WBF) wird zur Wirtschaftsförderung.
Diese Veränderung hin zu pragmatischen, ökonomischen Aspekten wirft natürlich die Frage auf, warum dem so ist. Der hegemoniale, „allgemeine Stil des Denkens, (…)“ (Foucault) des Neoliberalismus umgibt uns wie ein Blase. Der Mensch wird als homo oeconomicus verstanden, der all seine Entscheidungen und auch das Verhalten anderen gegenüber stets nach dem Prinzip der Gewinnmaximierung trifft. Im Verständnis des Neoliberalismus wird die Gesellschaft in mehr und weniger leistungsstarke Gewinner bzw. Verlierer unterteilt. Wer also nicht alles dafür gibt, um ein maximales Kapital bzw. Humankapital zu erwirtschaften, der fällt – einfach gesagt – durch.
Genossenschaft um der Genossenschafts Willen?
In der Praxis sind gemeinnützige Bauvereinigungen (GBV) die einzigen Bezieher der Fördermittel zum geförderten Geschoßwohnbau in der Steiermark. Sie haben also eine Vormachtstellung, die mit einer langen Tradition einhergeht. In der Zwischen- und Nachkriegszeit verfolgte man gemeinsam mit staatlichen Wohnbauförderungsmaßnahmen ein primäres Ziel: das der prinzipiellen Wohnversorgung und der Verbesserung der Lebensumstände. Daraus resultierend kam es zu einer monofunktionalen Programmatik des Wohnbaus dieser Jahrzehnte.
Im heutigen Eigenverständnis der GBV sieht man sich als Unternehmen am freien Markt, mit dem Auftrag der generellen Wohnversorgung einer breiten Mittelschicht. Korrelierend dazu ist die WBF eine Mittelstandsförderung und gemeinsam stellt man einen probaten Gegenpol zur rein gewinnorientierten Immobilienwirtschaft dar. Man ist heute allerdings weit entfernt von der einstigen „Muskelhypothek“. Mehr noch, immer öfter driftet man auch in den freifinanzierten Bereich ab. Über die Jahrzehnte gesehen könnte man natürlich behaupten, dass die Wohnversorgung der unteren sozialen Gesellschaftsschicht mit Hilfe der Genossenschaften in eine solide Mittelschicht gehoben wurde. Entbindet sich die gegenwärtige Gemeinnützigkeit durch dieses Gedankenspiel von der Verantwortung gegenüber all jenen, die von Armut bedroht sind und sich das Wohnen dieser Tage nur schwer leisten können? Vom ursprünglichen Genossenschaftsgedanken bleibt im gegenwärtigen Eigenverständnis der Gemeinnützigen allein Eines übrig, nämlich wie das Geld verdient werden darf und wie es im gemeinnützigen Kreislauf wiederverwendet werden muss. Eine Maschinerie, die am Laufen gehalten werden will - eine Genossenschaft um der Genossenschafts Willen.
Vom förderungsbedingten zum ökonomischen Funktionalismus?
Unter der Sphäre des äußerst komplexen und übergeordneten Rahmens des gesellschaftsdurchdringenden, neoliberalen Gedankenbildes lassen sich Aspekte der Systemerhaltung, der Verlagerung der Förderungsaspekte von der sozialen Frage hin zur Wirtschaftsförderung und das heutige Eigenverständnis der GBV ein Stück weit erklären. Verdeutlicht wird durch diese Betrachtung allerdings, dass nicht der unmittelbare Zweck (Verbesserung der Lebensumstände) einen Funktionalismus erzeugt, sondern sich der gegenwärtige geförderte Geschoßwohnbau in der Steiermark ökonomischen Aspekten unterordnet. Anders gesagt: der förderungsbedingte Funktionalismus thematisierte ein bestimmtes Ziel, der ökonomische Funktionalismus hingegen beruht auf einem Hintergrund.
Es entstehen rationale und effiziente Lösungen im geförderten Wohnbau, welche wiederum eine Monokultur unterstützen, die einer sozialen Durchmischung entgegensteht. Im freifinanzierten Wohnbau werden Bauten realisiert, die unverblümt eine Gewinnmaximierung anstreben und dadurch ebenso zu einer Monostruktur beitragen. Generell ist die Wohnung als Ware zu sehen, die gesteuert an den Nutzer vermarktet wird und den Tauschwert des Wohnungsraumes über den Gebrauchswert der Nutzer stellt.
ghetto vs. gated
Die Stadt stellt für unterschiedlichste soziale Gruppierungen einen Lebensraum dar. Durch milieugeprägte Stadtteile wird aber das soziale Gefälle in den physischen Raum übertragen. Orte mit hohem Bildungs- und in weiterer Folge Einkommenswohlstand stehen Orte gegenüber, wo Menschen sich in äußerst prekären Lebenssituationen befinden. Die einen leben in ihrem „goldenen Käfig“, wo es Empörung auslöst, wenn „die Anderen“ sich blicken lassen. Schlussendlich stellt sich die Frage, ob es nicht Zeit wäre, die Scheuklappen abzulegen und sich auch um diejenigen zu kümmern, die nur schwer an unserer Gesellschaft teilhaben können. Wäre es nicht an der Zeit, die Steuerungsmöglichkeiten des geförderten Wohnbaus zu nutzen? Oder stellen knapp 200.000 Personen in der Steiermark, die von Armut betroffen sind, keinen adäquaten „Markt“ für gemeinnützige Bauvereinigungen, als primäre Bezieher der WBF, dar? Wäre es nicht im Sinne der Gemeinnützigkeit, für Menschen zu bauen, die sich eigentlich keinen Wohnraum leisten können? Sollten die gemeinnützigen Bauvereinigungen – zusammen mit der Politik und uns Architekten – nicht Dienstleister aller (!) Gesellschaftsschichten sein?