Interview mit Verena Konrad, vorarlberger architektur institut, Dornbirn
Martin Brischnik: Vorarlberg scheint hinsichtlich seines Bewusstseins für Baukultur österreichweit eine Vorreiterrolle einzunehmen. Wo liegen zukünftigee Entwicklungsfelder?
Verena Konrad: Wir wollen mit unserer Arbeit zu einem Bewusstsein für qualitätsvolle Architektur beitragen. Dahinter steht die Überzeugung, dass qualitätsvolle Architektur Motor wie Resultat gelingenden Zusammenarbeitens- und lebens sein kann – über bauliche Strukturen hinaus. Ich denke, das ist eine Aufgabe, die nur in Prozessorentierung Wirkung erzeugen kann, denn es kommen laufend neue Player im Feld dazu, in verschiedenen Rollen und Verantwortungen; Rahmenbedingungen ändern sich,… auch Rahmenbediungen für die Bildungsarbeit selbst.
Über Architektur zeigt sich in ihrer materialiseirten Gestalt sehr deutlich, welche Prioritäen einzelne wie auch Gruppen für sich setzen, worin investiert wird und worin nicht, was mehr oder weniger „Wert“ hat. All das sind kulturelle Fragestellungen und unsere Aufgabe ist die Reflexion und Verbalisierung der Inhalte und Strukturen von Prozessen, die das Entstehen, die Realisierung und die Wirkungen von Architektur thematisieren. All diese Themen sind universell. Vorarlberg ist darin weder Vorreiter noch Ausnahme.
Baukultur hat einen Ort und sie wird von Personen in ihrem Denken und Handeln verantwortet. Die hohe Dichte an qualitätsvollen Bauten an unserem Standort ist eine gute Voraussetzung, da sich neue Enwicklungen daran messen müssen – dieser Bestand ist ein intellektueller, kultureller und materieller und hat damit gesellschaftliche Substanz.
Martin Brischnik: In Vorarlberg scheinen sich nicht zuletzt PolitikerInnen intensiv für Baukultur einzusetzen. Gehört für PolitikerInnen Mut dazu, baukulturelle und architektonische Qualität zu fordern und zu fördern?
Verena Konrad: Natürlich. Wenn Entwicklungen Gestalt annehmen sollen, braucht es Entscheidungen. Baukultur ist insofern auch ein Seismograf für den Stand eines Gesellschaftssystems. Mut brauchen dafür alle Bürger/innen. Je mehr Verantwortung für das Gemeinwohl im Spiel ist, desto komplexer werden die Entscheidungsfindungen. Desto mehr Widersprüche gibt es auch. Das ist eine große demokratische und auch organisatorische Herausforderung. Wir stützen Menschen, die Verantwortung für die bauliche Entwicklung in ihrem Umfeld übernehmen und damit zu lebenswerten Räumen beitragen wollen, mit einem argumentativen Grundgerüst und helfen damit, bewusste Entscheidungen zu treffen.
Martin Brischnik: Das vai bemüht sich in der Baukulturvermittlung intensiv um Kinder. Warum ist diese Zielgruppe so wichtig?
Verena Konrad: Das Thema Baukultur betrifft nicht nur die konkreten Nutzer/innen, Planende, Ausführende, Politiker/innen und Verwaltungen. Wir alle tragen mit unseren Entscheidungen zu guter Baukultur bei und übernehmen Verantwortung. Damit zukünftige Generationen unseren Siedlungsraum kompetent und engagiert entwickeln können, entwickeln wir auch Bildungsangebote für Kinder und Jugendliche, die wir in ihrer Rolle als künftige „Bauherren“ – privat aber auch kollektiv im Sinne einer reflexionsfähigen Öffentlichkeit – ansprechen.
Mit unserem Schulprojekt Unit Architektur etwa vermitteln wir Baukultur als fächerübergreifendes Thema an Schulen. Ziel ist die Erzeugung einer Sensibilität für die Wahrnehmung räumlicher Qualitäten. Unit Architektur ist ein lernendes System. Jede Lerneinheit (Unit) wird in Zusammenarbeit mit Expert/innen aus Pädagogik und Architektur entwickelt und aufbereitet. Im Sinne von open source sind die Inhalte der Units öffentlich über die Website unitarchitektur.at (siehe Link rechts) zugänglich. Nicht nur Beschreibungen und Anleitungen finden hier Eingang, sondern auch Resultate aus dem Unterricht können veröffentlicht werden.
Darüber hinaus finden im vai laufend Workshops im Rahmen unserer Ausstellungen sowie lokaler Familienveranstaltungen statt. Ein Fixpunkt im Jahr ist der „Kindersommer im Stadtgarten“, eine Kooperation mit inatura und Kunstraum Dornbirn. Wir sind zudem Anbieter der Impulswoche technik bewegt, bei der junge Menschen die Arbeit von Ziviltechniker/innen näher gebracht werden soll.