14/01/2019

Das Beste zum Geburtstag, dem Forum Stadtpark!

Warum das Forum Stadtpark in Graz nicht nur ein Mehrspartenhaus ist, sondern weit mehr sein konnte und kann und trotzdem nie ein Kaffeehaus werden wird.

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14/01/2019

Forum Stadtpark feiert seinen 60. Geburtstag mit einem Fest am 15.01.2019

©: Garfield Trummer

Warum das Forum Stadtpark nicht nur ein Mehrspartenhaus ist, sondern weit mehr sein konnte und kann und trotzdem nie ein Kaffeehaus werden wird.

Das Forum Stadtpark wird 60! Grund genug, eine persönliche Rückschau zu halten. Für kunsthistorische, theoretische oder soziologische Abhandlungen jedweder Art gibt es Befugtere. Lesen Sie also die Oral-Historie einer langjährigen Besucherin und Nutznießerin, die sich sicher ist, dass Unzählige ihre ‚große‘ Zeit mit dem Forum Stadtpark hatten und ein eigenes, individuell geprägtes Narrativ erzählen können.
Wer sich zu Weihnachten trotz familiärer Höchstform heimatlos gefühlt hat, der konnte, wenn der Abend fortgeschritten war, den einzigen Ort in Graz aufsuchen, der an diesem ‚Heiligen Abend‘ seine Türen öffnete und eine Alternative bot – das Forum Stadtpark. Das war in den 1970ern, durch deren Jahre und Orte die Verfasserin der Zeilen unendlich leichtfüßig tänzelte.
Begonnen hatte damals wohl schon die Zeit der zweiten Generation des Forum Stadtpark - die von Manfred Willmann, der ab 1975 das neue Fotoreferat leitete, von Carl Lugus, den jeder nur, in wilder Lockenmähne, als Lugus und Herr Lugus kannte, und anderer Jung-Aktionisten. Manch eines seiner Gründungsmitglieder aus 1959 bedauerte vielleicht schon damals das Haus als ‚nicht mehr das, was es einmal war‘, wer weiß? Fünfzehn Jahre sind viel im Kulturbetrieb, vor allem in einem, der sich schon 1959 in seiner Programmatik vorgenommen hatte, ein Haus zu sein, das „der Konfrontation mit den geistigen und künstlerischen Strömungen der Gegenwart dienen sollte“. (Statuten wird sie sich nicht verordnet haben, diese Aktionsgemeinschaft aus Künstler-Individuen, die zur Gründungszeit aus Schriftstellern, Malern, Bildhauern, Architekten, Musikern und Publizisten bestand).
Konfrontation war von Anfang an dabei, schon, nachdem Günter Waldorf im geschlossenen, weil baufälligen Stadtparkcafé einen möglichen Ausstellungsort für die ‚Junge Gruppe‘ von Malern, die sich von der Sezession abgespaltet hatten, sah und sich diesbezüglich an die Stadt Graz wandte. Diese beschloss unbeirrt, auch nach einem zweiten Gesuch, das schon vom Aktionskomitee „Forum Stadtpark“ unterzeichnet war, den sofortigen Abriss des Gebäudes (nachzulesen bei Alfred und Hedwig Kolleritsch Das Forum Stadtpark und die Grazer Situation, 1967 in: The Austrian Phenomenon. Architektur Avantgarde Österreich 1956-1973, Birkhäuser Verlag) Da geschah das damals wohl Einmalige: Grazer und Wiener Zeitungen schlossen sich dem Protest mit Headlines wie Revolution im Stadtpark und Mit der Spitzhacke gegen junge Kunst an, wurden vehemente Fürsprecher eines solchen unabhängigen Hauses für die Kunst, und schließlich nahm die Stadtregierung ihren Beschluss zurück.
Der Weg zum Totalumbau des Gebäudes in einmaliger Lage war frei, und die Auflagen beschränkten sich darauf, seine Umrisse, sein Volumen nicht zu verändern. Der Architekt Werner Hollomey, Mitglied der Werkgruppe und späterer Vorstand des Instituts für Hochbau an der Technischen Hochschule, entwarf ohne Honorar den Bau, der bis heute in seinen Grundzügen besteht. 1960 wurde das neue Haus mit einer Ausstellung von Malerei, mit einer der Architektur der Werkgruppe und einem Konzert des Ensembles ‚die reihe‘ von Kurt Schwertsik und Friedrich Cerha feierlich eröffnet, wie Hedwig und Alfred Kolleritsch berichten.
Exakt vierzig Jahre später folgte eine Erweiterung durch Ernst Giselbrecht und Peter Zinganel, der das Haus auch von 1997 bis 2003 leitete und wieder stärker als Mehrspartenhaus positionierte. Dem Langhaus war ein Obergeschoß aufgesetzt worden und dem Vorbau eine Terrasse.
Bis dahin wurde schon jeder Winkel des Hauses genützt. Im Keller war ein Klubraum installiert, eine Art Black Box für kleinere Veranstaltungen aller Art. Es wurde Theater gespielt und das Forum zu einem Umschlagplatz für moderne Literatur – auch damals immer wieder mit starkem Gegenwind. Die Wiener Zeitschrift ‚Kunst ins Volk“, eines der konservativsten Nachkriegsmedien, wetterte 1963 gegen die „entartete Kunst“ in den ‚Manuskripten‘, die schon zu jener Zeit von Alfred Kolleritsch herausgegeben und mit Texten von Ilse Aichinger, Günter Eich, Hans Magnus Enzensberger, Gabriele Wohmann und vielen anderen, die heute einen festen Platz in der deutschsprachigen Nachkriegsliteratur haben, geadelt wurden.
Doch die Zeit sprach von Anfang an für das Forum Stadtpark. Aus der Trigon-Biennale heraus wurde 1968 der Steirische Herbst gegründet, die Architekten aus der Steiermark wurden erstmals in den Fokus internationaler Aufmerksamkeit gerückt nach dem ersten großen internationalen Erfolg, der Zuerkennung des Grand Prix d’Urbanisme et d’Architecture für das Projekt „Überbauung Ragnitz“ von Domenig & Huth im Februar 1969 aus rund 800 Einsendungen aus aller Welt.
Nicht alles hatte ursächlich im Forum Stadtpark seinen Ursprung, aber das Forum mit seinen unterschiedlichen Referaten machte möglich, in der Literatur, bei den bildenden Künsten, auch im Jazz am Puls der Zeit und mittendrin zu sein.
Dazu schreibt Daniela Bartens im Aufsatz: Wolfgang Bauer / Gunter Falk: 1. Manifest der HAPPY ART & ATTITUDE (1965) „Rauschhaft war das Lebensgefühl in der Frühphase des Grazer Forum Stadtpark, die Revolte einer jüngeren Generation von Künstlern und Künstlerinnen richtete sich gegen das scheinbar Ewiggültige als ein Ewiggestriges, „den reaktionär bis braun eingefärbten Gralshütern des Guten, Wahren und Schönen“ sollte „ein anderes Kunstverständnis“ (Gisela Bartens) entgegengesetzt werden. Die historischen Avantgardebewegungen und das absurde Theater, der Existentialismus und die US-amerikanische Kultur von der Beat Generation bis zur Pop Art, von Jazz und Rock ’n’ Roll bis zu den Hollywood-Filmen haben in je unterschiedlichen Akzentuierungen bei den einzelnen Autoren Pate gestanden. „In der linken Rocktasche Kierkegaard und in der rechten ein Micky-Mouse-Heft“ zitiert Hans Preiner in seinem Bericht über „Happy Art and Attitude“ Wolfgang Bauer (Kleine Zeitung v. 28.12.1965). Die Grenzen von Kunst und Leben, E und U sollten aufgehoben werden, Dichter-Images mit Werkcharakter an die Stelle der Meisterwerke treten. Das Banale, massentauglich Populäre und der scheinbar schlechte Geschmack wurden (hoch)literaturfähig. Die momentweise Vermittlung von Kunst und Leben in „poetischen acten“, wie sie H.C. Artmann – ebenfalls in einem Manifest und ebenfalls ironisch und zugleich ernst gemeint – bereits 1953 gefordert hatte, kann die private Geburtstagsfeier zum Happening oder die Veranstaltungsbühne zum Ort eines Saufgelages machen. Doch die verkappte Genieästhetik der jugendlichen Bohemiens diente keiner l’art pour l’art, sondern zielte aus der Erfahrung der skandalösen NS-Kontinuitäten und der klerikal-konservativen Werthaltungen in Graz Anfang der 60iger Jahre auf die Veränderung der Verhältnisse durch ästhetische Grenzüberschreitung.“ 
Für mich als Zuschauerin waren die exzessiven, im alkoholgeschwängerten Dunkel auf der Bühne stattfindenden Auftritte von Wolfgang Bauer (1941 – 2005) und Gunter Falk (1942 – 83) weniger lustvoll als beklemmend in ihrer Intensität und körperlich gefühlten Verzweiflung. Noch heute habe ich Gunter Falks geschrienen Refrain ‚Lauf, wenn du kannst‘ aus dem Weihnachtskonzert mit den Neighbours (Dieter Glawischnig, Ewald Oberleitner und John Preininger) im Ohr.
Was für eine Zeit in diesem Haus, das es einer jungen, hyperaktiv an Malerei, Literatur, Jazz und Theater interessierten Studentin möglich machte, Neues/die Avantgarde in Echtzeit kennenzulernen, ohne zu verreisen! Man bedenke auch: No Internet!
Was für ein Erfolg für ein Haus, wenn es so viele Interessierte anziehen kann, dass das Haus um ein Fünffaches größer sein hätte müssen, um alle, die gekommen waren, um Christa Wolf zu hören, fassen zu können. Wie diese Geschichte ausgegangen ist? Natürlich gut – nach anfänglicher Konfrontation, die damals auch schon einmal von den Besuchern des Forum Stadtpark ausgehen konnte. Nachdem das volle Haus versperrt wurde, um niemanden mehr hineinzulassen, begehrten die „Außen-vor-Gelassenen“ Einlass und machten ihren Unmut so laut in Sprechchören deutlich, dass an einen Anfang der Lesung nicht zu denken war. Zugleich kam der Vorschlag, doch in der Karl-Franzens-Universität anzurufen und nachzufragen, ob dort ein Hörsaal frei wäre. Das funktionierte (die bürokratischen Hürden an der Uni waren offensichtlich damals kleiner), alles wurde in die Vorklinik umdirigiert und – was für ein gutes Gefühl der gerechten Durchsetzung eines Mehrheitswunsches! – die Letzten waren die Ersten beim Marsch durch den Stadtpark und im Hörsaal, der alle 400 bis 500 fassen konnte. Im Hörsaal dann gespannte Ruhe, in der man eine Stecknadel fallen gehört hätte.
Wann das war? Das kann ich beim besten Willen nicht mehr sagen, aber es bleibt in der Erinnerung eingebrannt wie vieles andere Schöne, Spannende, Interessante, Widerspruch erregende, Lustige, Unbekümmerte und Lustvolle zu ebener Erde und im Keller auch.
Happy Birthday, liebes Forum Stadtpark. Ich habe Dich schändlich vernachlässigt in den letzten Jahren. Und so steht es mir gar nicht zu, Dir und mir etwas anderes zu wünschen als weitere Jahre voller Kunst, Diskurs und prallem Leben in einem Haus, das wie eh und je „der Konfrontation mit den geistigen und künstlerischen Strömungen der Gegenwart dienen soll“.

Emil Gruber

Liebe Karin,
danke für die lebendige Geschichtsreise, danke für die Geburtstagswünsche und bis bald im Forum.
beste Grüße
Emil - Im Namen des Vorstands und des ganzen Teams

Di. 15/01/2019 1:23 Permalink

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