07/12/2021

Wunsch an die neue kooperative Stadtregierung

Jeden ersten Dienstag im Monat veröffentlicht GAT in der Kolumne Aber Hallo! Anmerkungen von Karin Tschavgova zu aktuellen Themen von Architektur und gebauter Umwelt.

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07/12/2021
©: Karin Tschavgova

Gar viele werden in den letzten Wochen – genau genommen, seit die neue Stadtregierung im Amt ist – einen Wunschzettel an die neuen Amtsträgerinnen und Amtsträger verfasst haben. Konkret weiß ich nur von einer Initiative, die als Bürgerbeteiligungs-Beirat ein "Grundsatz-Papier Stadtentwicklung" verschickt hat. Solches ist vermutlich bei jeder Regierungsumbildung Usus, ganz gleich, ob jemand sein eigenes Anliegen verwirklicht sehen möchte oder im Namen einer Interessensgemeinschaft auftritt. Ich finde, dass das legitim ist, nur appelliere ich daran, nicht zu vergessen, dass unzählige Anliegen und Forderungen in den Mailaccounts der Amtsvertreter landen werden, gerade nach einer Wahl und – dass es immer um Partikularinteressen geht, subjektiv motiviert und nach subjektiv fokussierten Kriterien eingefordert. Ich sehe sie vor mir, die neuen politischen Vertreter*innen, händeringend und sich die wohlfrisierten Haare raufen. „Wo anfangen, welches Anliegen direkt beantworten, welches zuerst anpacken? Bei wem Mehrheiten für eine Behandlung im Gemeinderat, für eine Bearbeitung des Themas finden?“ Also ehrlich, ich möchte jetzt nicht in der Haut der für die Stadtentwicklung und Verkehrsplanung für Graz Zuständigen stecken und ich bleibe bei dem, was ich auch schon im kleineren Kreis offen vertreten habe: Lasst die Leute einmal arbeiten, in Ruhe erarbeiten, welche Themen jetzt vorrangig angegangen werden sollten, und wie!

„Zuarbeit, ja“, wenn man gefragt wird, im Sinne von Bürger*innen-Beteiligung. Christian Kozina, der nun zum Gemeinderat für die Grünen gewählt wurde, hat schon ab 2018 Bürgerkonvente im Rathaus abgehalten, damals noch als Einzelkämpfer, der an direkter Demokratie und demokratischen Entscheidungen interessiert ist, und als Experte für urbanes Radfahren, für Radwege und zukunftsverträgliche Lösungen für die Verkehrsinfrastruktur in Graz. Kaum vorstellbar, dass seine Vision, die Stadt Graz möge dieses Format in das bestehende Instrumentarium der Bürgerbeteiligung aufnehmen, jetzt nicht ehestmöglich umgesetzt wird. Ich finde auch die Form des Bürgerrats in Vorarlberg interessant, die sogar in der Landesverfassung verankert wurde.

So oder so, ich habe mir vorgenommen, Brennpunkte, Unzulänglichkeiten und Maßlosigkeiten, die mir auffallen oder zu Ohren kommen, weiterhin aufzuzeigen, derart sehe ich meine Aufgabe als Journalistin, aber ich werde keine Empfehlungen oder Forderungen an die Politik abgeben.

Mit einer Ausnahme – als kleiner Punkt auf dem Wunschzettel an die neue Stadtregierung, der vermutlich schon sehr lang ist. Unsere Welt wird stetig komplexer, ein Gefüge, in dem das Eine mit Vielem, alles mit Allem verbunden ist, sodass ebenso komplexes, umfassendes (Nach-)Denken und Handeln gefordert ist. Auch ein Einbeziehen von Experten und Expertinnen in den unterschiedlichsten Kompetenzbereichen, Ämter übergreifend und auch von außen. Nur ein Beispiel: So hat der Straßenumbau von der Plüddemanngasse durch St. Peter bis zum Südring, wenn er mit grünen Inseln geplant wird, nicht nur mit Verkehrs-, Infrastruktur-, Wasser- und Grünraumplanung, sondern auch mit Grünraumerhaltung zu tun. Andernfalls schaut das Grün so aus, wie es eben jetzt ausschaut.

Was zugegebenermaßen allgemein und wintersonntagsnebelig verschwommen klingt, will ich gerne anhand von kleinen Gegebenheiten, die mir in diesem Jahr in Graz auffielen, in weiteren + Beiträgen auf GAT erläutern. Daher nur ganz allgemein ein kleiner Weihnachtswunsch an die Stadtv…., äh, die sich um die Stadt Sorgenden: Bitte jedes Vorhaben zur Stadtentwicklung umfassend und vorausschauend betrachten und alle Auswirkungen beachten – Programme zum nachhaltigen, sozialen Handeln immer einbeziehend. Außerdem erarbeitete Grundsätze einer gedeihlichen Stadtentwicklung Jahr für Jahr in den neuen Maßnahmenkatalog übertragen. Andernfalls zerfällt alles in einzelne Initiativen und wirkungslose Einzelteile, die wie die Perseiden kurz medial aufleuchten, ehe sie in der Erdatmosphäre verglühen.

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