Wenn eine Veranstaltungsreihe zum Thema öffentlicher Raum mit dem Film The Human Scale über und mit Jan Gehl beginnt, scheint die Richtung vorgegeben: Gehl diskutiert intensiv die Zielvorstellungen, die Ansprüche, die Visionen, die wir vom öffentlichen Raum (ÖR) haben.
Im Gegensatz dazu bleibt der zweite Teil der Veranstaltungsreihe pragmatisch. Martin Zettel vom Referat Gestaltung - Öffentlicher Raum, Stadtplanungsamt Graz – der Initiator der Reihe – stellt zu Beginn fest, dass der ÖR nicht als Restfläche zwischen den Bauwerken, die ihn begrenzen, verstanden werden darf. Die von ihm gezeigten Beispiele aus Graz beweisen teils das Gegenteil. Zu oft präsentiert sich der ÖR als ein stiefmütterlich behandeltes Dazwischen und das wird auch in den Verwaltungsstrukturen sichtbar: Zwischen Stadtplanungsamt und Services Stadtraum der Holding Graz.
Wie weit die Ansprüche an den ÖR auseinanderklaffen, zeigt anschließend Burkhard Steurer auf. Der Spartenbereichsleiter Stadtraum der Holding Graz, hält fest, hier ausschließlich aus der Sicht des Tiefbauingenieurs zu sprechen und erläutert Probleme, die in der Errichtung und Instandhaltung auftreten. Er wünscht sich standardisierte, wartungsarme Elemente im ÖR um mit dem knapp bemessenen Budget auszukommen. Unabhängig von seinem persönlichen Geschmacksurteil, sei es für seine Abteilung problematisch, wenn in der Annenstraße andere Sitzmöglichkeiten und Wartehäuschen als im Rest der Stadt zum Einsatz kommen, führt er aus.
Im nächsten Vortrag behandelt Lisa Magdalena Schlager, MA 19 - Dezernat Generelle Planung und Grundlagenforschung, Stadt Wien, das gerade im Entstehen begriffene Fachkonzept öffentlicher Raum. Sie beschreibt die Herausforderungen, ein Leitbild zu entwickeln für einen Bereich, in den über 20 Magistratsabteilungen involviert und 23 Bezirke letztendlich zuständig sind. Im Fokus stehen „die Verfügbarmachung und die Gestaltung des öffentlichen Raums unter Berücksichtigung unterschiedlicher Aneignungsmöglichkeiten durch die Bevölkerung und mit besonderem Blick auf konsumfreie Bereiche.“
Jasmin Dallafior vom Tiefbauamt der Stadt Zürich, Bereich Stadtraum, stellt im letzten Vortrag die Strategie Stadträume Zürich vor. Auch sie geht darauf ein, wo ihre Abteilung in der Verwaltungsstruktur verankert ist. Als wichtige Instrumente streicht sie den Bedeutungsplan und den Elementkatalog heraus. Erster hält die Bedeutung einzelner ÖR für die Stadt fest, woraus der Planungsaufwand und die anzuwendenden Standards abgeleitet werden. Der Elementkatalog definiert dann diese Standards. So werden beispielsweise Plätze, die nur nachbarschaftliche Bedeutung besitzen, ausschließlich mit Elementen aus diesem Katalog von Mitarbeitern des Tiefbauamts geplant, während international bedeutende ÖR mittels Wettbewerbsverfahren und Speziallösungen bei den Elementen umgesetzt werden.
Die Schweizerin erklärt, dass diese Instrumente wesentlich zum Abgleich der Interessen der Planer und der Erhalter des ÖR beitragen. Diskussionen über den stadträumlichen Wert, den Wartungsaufwand, den Errichtungsaufwand, seien nicht jedes Mal aufs Neue zu führen.
Die abschließend geplante Diskussion mit den Vortragenden, sowie Bertram Werle (Stadtbaudirektor) und Bernhard Inninger (Leiter Stadtplanungsamt) fand aufgrund der vorgerückten Stunde nur im Ansatz statt. Das Anfangs gut besuchte HDA zeigte sich zu diesem Zeitpunkt auch schon weniger voll. Das Publikum wollte offensichtlich mehrheitlich etwas über die Wünsche an den ÖR, über Qualitäten, über Ziele erfahren – weniger über Verwaltungsstrukturen.
Es zeigt sich, dass bei kritischer Betrachtung der Situation in Graz, zuerst über Visionen für den ÖR nachgedacht werden muss, bevor über die pragmatische Umsetzung diskutiert werden kann.