21/12/2023

Das Architekturforum Oberösterreich lud am 15. November erneut zum Baukultur-Stammtisch ein. Dieses Mal skizzierten und diskutierten Michael Rieper und Heidi Pretterhofer in Anwesenheit zahlreich erschienener Stammtischgäste zum Thema „Baukultur“.

21/12/2023

Zielwolke Baukultur, ©Heidi Pretterhofer, Michael Rieper

Dem Format des Baukultur-Stammtischs im Linzer afo liegt die Idee zugrunde, unterschiedliche Themen mit Architekturbezug im ungezwungenen Rahmen an einem gemeinsamen Tisch mit Menschen aus unterschiedlichen Disziplinen zu aktuellen Anlässen zu diskutieren. afo-Leiter, Franz Koppelstätter, verwies in seiner Begrüßung auf zwei Lektüren, die in Linz ihre kulturellen Spuren hinterlassen haben. „Linz Texas“ und „Bellevue, das Gelbe Haus“ sind im Rahmen des Kulturhauptstadtjahres „Linz09“ mit Beteiligung der vortragenden Protagonist*innen entstanden und der Fachwelt mehr als ein Begriff. Die neue Stiftungsprofessur für Baukultur ist eine Kooperation der Kunstuniversität und der Katholischen Privat-Universität Linz. Sie ist für insgesamt 10 Jahre konzipiert und wurde aktuell, mit Beginn des Herbstsemesters 2023, mit Michael Rieper und Heidi Pretterhofer für die ersten fünf Jahre bestellt. An der Partneruniversität ergänzt Veronika Müller als Architekturhistorikerin das Team.

Pretterhofer und Rieper postulieren gleich zu Beginn ihre Definition zur Zielwolke Baukultur

„Baukulturelle Phänomene haben immer eine sichtbare, visuell erfahrbare Außenseite, aber mit im konkreten Raum unsichtbaren Netzwerken von Infrastrukturen, Dingen und Daten, Geldautomaten, Entscheidungsstrukturen und Interessen. Baukultur ist immer mit der Gestaltung von Zukunft befasst. Im Rahmen der Lehrveranstaltung werden diese Positionen analysiert und erarbeitet.“

HANDLE WITH CARE
Auf der Basis von Forschung, Lehre und Vermittlung ist die neue Professur aufgebaut. Daraus soll sich im Laufe der Zeit ein Manifest entwickeln, das sich in Form einer Ausstellung, eines Objekts, oder ähnlichem kristallisiert. Dabei sollen auch gemeingesellschaftliche Ziele ins Auge gefasst werden. (EU-Klimaziele, Problematik der Zersiedelung, Anlassplanung)

WIE BOOTE IM OFFENEN MEER
Mit ihren gezeigten Referenzbildern „Oberösterreich aufgemalt“, „Kuhhandel“ und der „Häusercloud Oberösterreich“ wird unter anderem versucht, auf die Problematik der „Anlassplanung“ in den Gemeinden hinzuweisen, indem das Einzelprojekt losgelöst von der umliegenden Landschaft betrachtet, geplant und gebaut wird.

Zudem fördern die beiden, Kritik an aktuellen Vorhaben auszuüben, den Mut zum „nein“ zu kultivieren und laut zu sein.

 

Im Anschluss der Präsentation wurden Anregungen von den Gästen eingebracht. Es stellen sich zwei Schwerpunkte heraus:
 

A) Zum besseren Verständnis von BAUKULTUR beitragen

Das Wording von „Baukultur“ wird hinterfragt. Kommt das auch „unten“ an? Von wo aus denken wir Baukultur in Zukunft? 

Fazit: Wir müssen wieder „sehend“ werden. Ressourcen und Bestandsbauten und schöne Landschaften schätzen lernen. Oder müssen wir ohne den Begriff „Baukultur“ auskommen und mehr Hausverstand einfordern?

Reaktionen darauf:
- Der Begriff Baukultur ist, laut dem Architekturkritiker und Architekturtheorieprofessor Bart Lootsma, schon ein neuer Begriff und war zuvor bis 1989 unter „Architekturpolitik“ in Verwendung.

- Den Begriff Baukultur hinsichtlich klimarelevanten Ressourcenfragen und Beispielen aus Deutschland auch als „UmBaukultur“ verstehen.

- Mehr Austausch und Interdisziplinarität zwischen den Fachdisziplinen erwünscht. Die Schwarmkultur fördern. Architektur, Kommunikation und Design sowie andere Fachrichtungen sollten enger zusammenarbeiten.

- Architektur beginnt schon vor dem Wettbewerb.

- Baukultur im Schulunterricht fördern!

- Architekturabläufe transparenter und prozesshafter gestalten.

 

B) BÜRGERMEISTER*INNEN fachlich unterstützen.

Bürgermeister*innen suchen Unterstützung. Doch wohin können sie sich im Alltag wenden? 

Situation: Oft sind selbst Sachverständige nicht kompetent genug. Landgemeinden benötigen mehr Profis, die sich fachlich mit der Thematik auskennen. Außerdem darf der politische Wille auf dieser Ebene nicht zu kurz kommen. Bürgermeister*innen müssen kompetente Unterstützung finden sowie Antworten auf ihre Fragen erhalten.

Wie kann die Raumordnung von der Wirtschaftsagenda getrennt werden? 

Fazit: Durch das große Problem der Kommunalsteuer macht der Finanzminister indirekt die Raumplanung. Die Kommunalsteuer müsse daher abgeschafft werden. Die Gemeindegrenze soll nicht als Ende des Denkens verstanden sein. Es besteht eine Diskrepanz zwischen gestalterischen Wirkungsräumen von Siedlung und Gewerbe. Ein Gestaltungsbeirat wirkt zum Beispiel nicht im angrenzenden Gewerbegebiet.

 

Auszug genannter Ziele der Gäste:

- Best-Practice-Beispiele kommunizieren, z.B.: Werner Nussmüllers Projekt „Ortszentrum Stanz“

- Bürger*inneninitiativen und Freiwilligenarbeit in Gemeinden fördern und unterstützen

- Die Städtebauförderung in Deutschland oder der ermäßigte Mehrwertsteuersatz (6% MwSt.) bei Abbruch und Wiederaufbau von Eigenheim in Belgien werden als positive Beispiele genannt

- Sich bei den Bezirksbürgermeister*innenkonferenzen einbringen und das Thema „Baukultur“ vorstellen

- Thema Bodenschutz: Entscheidungsträger*innen wie Bürgermeister*innen sollten verpflichtet werden, fachliche Ausbildungen zu machen

- Versuchen, in bestehende Strukturen einzuwirken; z.B.: Landeskulturbeirat, Ortsbildmessen ... 

- Jene Bürgermeister*Innen „crabben“, die wollen

- „Push&pull“ in Gemeinden forcieren

Heidi Pretterhofer schlägt abschließend vor, künftig ein „Rollenspiel“ für oberösterreichische Gemeinden zu entwerfen. In diesem kann der Bürgermeister/ die Bürgermeisterin etwa die Rolle eines Studierenden übernehmen oder umgekehrt. Bestenfalls kommen auch neue Rollen hinzu, um derzeitige alt eingesessene Strukturen zu durchbrechen und dadurch dem Netzwerk eine erneute Chance zu geben, sich sinnvoll zu restrukturieren.

 

Michael Rieper

Vielen Dank für den Text zum Baukulturstammtisch im afo. Jetzt müssen wir nur noch vom Schreiben zum Machen wechseln.

Do. 21/12/2023 19:25 Permalink
Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
GAT+