Lebenskonzepte und Generationen treffen auf einander, wenn drei Alt-68er 30 Jahre später wieder in eine WG ziehen und dabei immer wieder die eifrig lernenden jungen Studenten in der Wohnung über ihnen stören.
Durch den genauen Blick für Figuren, spielfreudiges Ensemble, pointierte Erzählweise und treffende Dialoge bietet Ralf Westhoffs Komödie höchst vergnügliche und intelligente Unterhaltung.
Dass Ralf Westhoff einen genauen Blick für die Nöte und Beziehungsprobleme der Großstädter von heute hat, bewies er schon mit seiner Speeddating-Komödie Shoppen und der Beziehungskomödie Der letzte schöne Herbsttag. Mit Wir sind die Neuen übertrifft sich der 45-jährige Deutsche nun aber selbst: Eine so rasante, nie verkrampfte, treffsichere und intelligente Komödie findet man im deutschen Kino selten.
Ausgangssituation und Aufbau sind im Grunde einfach: Weil die Biologin Anne (Gisela Schneeberger) ihr Leben lang lieber für Schleiereulen gekämpft hat als Geld zu verdienen, kann sie sich keine teure Wohnung in München leisten. Weil sie aber auch nicht aufs Land ziehen will, beschließt sie ihre ehemaligen Kumpel aus der Studenten WG zu reaktivieren und zieht mit Rechtsanwalt Johannes (Michael Wittenborn), der immer nur die vertreten hat, die sich einen Anwalt im Grunde nicht leisten können, und dem wenig erfolgreichen Autor Eddi (Heiner Lauterbach), einem Egomanen, den Frau und Kinder längst verlassen haben, in eine WG.
Mit Wir sind die Neuen stellen sich die drei etwa 60-Jährigen den im Stockwerk darüber wohnenden drei Studenten (Claudia Eisinger, Karoline Schuch, Patrick Güldenburg) vor. Diese machen aber gleich mal klar, dass sie keine Zeit haben werden, für ihre neuen Nachbarn zur Apotheke zu rennen, einkaufen zu gehen oder die Bedienung des Handys zu erklären, da sie ja lernen müssen.
Außerdem fordern diese adrett gekleideten jungen Spießer, die auf Ordnung viel Wert legen und den Herd mit dem Handy fotografieren, um auch ja sicher zu sein, dass sie ihn abgeschaltet haben, Ruhe im Haus und akzeptieren nicht, dass die Alt-68er ihren Plattenspieler so richtig aufdrehen und bis spät in die Nacht hinein mit Rotwein laut feiern.
Abzusehen ist, dass sich das Blatt wenden wird, dass aus dem Nebeneinander und Gegeneinander ein Miteinander werden wird und beide Generationen schließlich voneinander profitieren werden.
Auch die Konstruiertheit von Handlung und Figurenkonstellation ist nicht zu übersehen, doch Westhoff erzählt mit so viel Schwung und Pfiff, dass man locker darüber hinwegsieht. Direkt und unvermittelt ist schon der Einstieg, flott geht es mit Besuch der ehemaligen WG-Mitbewohner, Wohnungssuche und Umzug weiter, bis das Trio wie Cowboys in einem Western in Zeitlupe gerade auf die Kamera – und seinen neuen Lebensabschnitt - zugeht.
Treffend und genüsslich können dann die unterschiedlichen Lebenskonzepte - und damit die Veränderung der Jugend im Lauf der Zeit - einander gegenübergestellt werden, weil sich der Film praktisch zur Gänze auf die zwei gegensätzlichen Mietparteien und räumlich auf die beiden Wohnungen konzentriert. Ganz selbstverständlich und im Vorbeigehen wird dabei aber auch Kritik an heutigen Zuständen geübt.
Überteuerte Mieten in Großstädten und Altersarmut sind hier ebenso Thema wie Prüfungsdruck, an dem die jungen Studenten zu zerbrechen drohen. Sauberkeits- und Ordnungsfimmel sowie Glaube an eine lebenslange Beziehung der neurotischen Jungen steht der lockere Lebensgenuss und die Offenheit hinsichtlich Beziehungen der Alten gegenüber und letztlich müssen eben weniger die Jungen die Alten als vielmehr die Alten die Jungen unterstützen.
Visuell gibt das zwar zwangsläufig nicht allzu viel her, aber großes Vergnügen bereitet Wir sind die Neuen dennoch, denn sicher greift hier ein Rädchen ins andere, werden die Reibungen zugespitzt und schließlich bruchlos die langsame Wende zum Miteinander der Generationen gemeistert.
Die Dialoge sind spritzig, das Timing ist vorzüglich und mit sichtlicher Lust agiert das ganze Ensemble. Doch es ist eben nicht nur das Spiel dieses Sextetts, sondern auch Westhoffs prägnante und differenzierte Zeichnung dieser Figuren, zu der auch die Kleidung oder eine Brille gehören, durch die Wir sind die Neuen überzeugt und unterhält.
Nie ist das grobschlächtig oder klamaukig, sondern genau im Detail, lässt zwar im entlarvenden Blick viel Lachen, aber auch mit den Sorgen und Nöten der Protagonisten mitfühlen – nicht nur mit den Alten, aus deren Perspektive erzählt wird, sondern verleiht auch den Jungen, die zunächst ziemlich schlecht dastehen, mit Fortdauer zunehmend mehr Profil. (12.08.2014 Walter Gasperi)