I don't feel at home in this world anymore lautet der Titel eines Films von Macon Blair, mit Melanie Lynskey und Elijah Wood in den Hauptrollen. Es ist die Welt, an der Ruth, eine der beiden Hauptfguren, verzweifelt. Symptomatisch dafür etwa jene Szene, in der ein überbordender Truck beim Wegfahren an der Ampel schwarzen Rauch aus den Rohren in die Luft bläst.
Es sind Trucks wie diese, SUVs, große, schwere, geländegängige Fahrzeuge, die auch einen Teil des Bildes in den Alpenlandschaften bestimmen. Teilweise, um die Wege auf den Berg zu finden – an die Höfe, immer noch bewohnt, bestellt, die Almen, im Sommer vor allem als Einkehr der Wander*innen, die Urbarmachung der Landschaften – immer wieder auch als Ausdruck eines Wohlstandes, der sich am Raum abzulesen lassen scheint, den das Fahrzeug auf der Straße einnimmt. Generell, Autos und die Alpen. Der eigene Pkw ist für 75 % der Urlauber*innen das Mittel ihrer Wahl für die An- und Abreise an die jeweilige Destination in Österreich (1), so auch bzw. vor allem hier. Die Gründe dafür sind vielfältig – historisch, infrastrukturell, persönlich.
Historisch zielt der Ausbau der hochrangigen Infrastruktur in Österreich auf die Verbesserung der Verbindungen zwischen Agglomerationsräumen und größeren Siedlungsgebieten ab, vor allem um Erreichbarkeiten im Pendler-, Berufs- und Güterverkehr zu verbessern (Henry et al. 2012). Aus diesem Grund konzentrieren sich das hochrangige Autobahn- und Schnellstraßennetz und das Schienennetz vor allem auf Gebiete außerhalb von ländlichen Tourismuszentren (Zech et al. 2013). Aufgrund des Reliefs Österreichs sind die Verkehrswege zudem zum großen Teil durch wenige Täler und Pässe gebündelt. (2)
Bemerkenswert an den Beobachtungen ist die Verteilung von, der Fokus auf den Straßenverkehr und dessen dazugehöriges Netz, das sich zwischen 1970 und 2011 in seiner Ausweitung vervierfacht hat, während das Schienennetz um 13 % abgebaut wurde (3). Zwar liegen die Zahlen etwas zurück, an der Tatsache hat sich jedoch nichts geändert. Mit über 1,5 km Straße pro km2 fällt Österreich damit unter die Länder der dichtesten Straßennetze weltweit (Meijer et al. 2018) (4) heißt es etwa aktueller, oder
Pro Minute werden in Österreich 9,89 m² Straßen gebaut. (5)
So liest es sich programmatisch im Sammelband Boden für Alle, der die gleichnamige (Wander)Ausstellung des Architekturzentrum Wien begleitet bzw. ergänzt und erweitert um Aufsätze zu einem der zentralen gegenwärtigen Themen und Problematiken – Bodenversiegelung. Die Zahlen sind eine Erschütterung, ähnlich jenen, die durch die Wohnungen und Häuser entlang und nahe der Hauptverkehrsrouten, Durchzugs-, An- und Abfahrtsstraßen in den und durch die Alpen klingen. Manchmal zittern ganze Dörfer dabei. Es ist nicht nur die Intensität, sondern die Frequenz, mit der dies geschieht – in den Hauptsaisonen, mittlerweile ist einigen Alpenregionen der Sommer bereits stärker als der Winter – sind es 700 bis 800 Fahrzeuge pro Minute, die ihren Weg an die Wander- und Erlebnisdestinationen suchen. Es sind Zahlen und Mengen, wie man sie eigentlich in Großstädten vermutet. In den Nebensaisonen klingt zumindest die Häufigkeit ab, nicht jedoch die Lautstärke, im Gegenteil, es ist jene Zeit, in der Nach- und Vorarbeiten an den Hotels, den Betrieben, vor allem auch in der Landschaft selbst vorgenommen werden – Hänge werden abgetragen, Teiche ausgehoben, Flächen begradigt und in Lastwägen und Baggern als Schotter, als Schutt durch die Täler und Plateaus gefahren.
vielleicht gibt es in der apotheke ein serum gegen straßen (6)
schreibt die Lyrikerin Cvetka Lipuš in einem ihrer Texte und wie oft dieses bei den Straßen in den Alpen Verwendung fände. 80 Prozent der Emissionen im Winter- und Sommertourismus in den alpinen Regionen entfallen auf den Verkehr – die An- und Abreise sowie die Ausflüge von den Unterkünften – konstatiert die Vorsitzende des neu installierten Ökobeirates des Snow Space Salzburg Ulrike Pröbstl-Haider im Sommer 2022 (7). Das eigene Fahrzeug ist der Weg in den und auf die Berge. Nicht nur für jene, die ihren Urlaub hier verbringen, sondern vor allem auch für jene, die hier wohnen. Es ist die Selbstverständlichkeit, mit der ins Auto gestiegen und gefahren wird, von der es sich wünschen ließe, dass sie sich verändern würde. Und wie oft ist das Wünschen ein Anfang.
____ Quellen
(1) Astrid Gühnemann, Agnes Kurzweil, Wiebke Unbehaun: Mobilität, Transport und Erreichbarkeit von Destinationen und Einrichtungen. In: Tourismus und Klimawandel. Hrsg. von Ulrike Pröbstl-Haider, Dagmar Lund-Durlacher, Marc Olefs, Franz Prettenthaler. Berlin: Springer Spektrum 2021, S. 54. Open Access: https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-662-61522-5_3
(2) Ebda, S. 49.
(3) Ebda, S. 49.
(4) Ebda, S. 49.
(5) Karoline Mayer, Katharina Richter: Einleitung. In: Boden für Alle. Hrsg. von Karoline Mayer, Katharina Ritter, Angelika Fitz und Architekturzentrum Wien. Wien/Zürich: Architekturzentrum Wien und Park Books AG 2020, S. 11.
(6) Zitiert aus einer Lesung im Haus für Poesie Berlin am 6.10.2022.
(7) https://salzburg.orf.at/stories/3161567/