06/06/2024

Komplexe Themenfelder wie den Städtebau in wenige Sätze zu verpacken, ist im Prinzip aussichtslos. Als Annäherung kann dies dennoch gelingen. So lässt sich der Städtebau auch als „Inspiration und Impulsgeber“ verstehen und bietet „die inspirierende Grundlage für die Qualität unserer Baukultur.“ 

In drei Thesen formuliert Architekt Heinz Plöderl seine Auffassung von Städtebau, der langfristige Orientierung für Entscheidungen und Eingriffe in die Umwelt ermöglicht und verschiedene Akteure zur Mitgestaltung einlädt. Eine Renaissance des Städtebaus steht bevor? 

06/06/2024

Illustration: „Österreich“ von 2016, Tusche auf Papier, 66 x 50,5 cm 

©: Petra Kickenweitz

Der Begriff von Städtebau/Urban Design ist insofern ungenau, als er weder nur auf Städte bezogen noch auf das Bauen beschränkt ist. In meinem Verständnis kann Städtebau Inspiration und Impulsgeber und damit ein Instrument und hilfreicher Beitrag für eine zukunftsgerechte und gemeinwohlorientierte Entwicklung unserer Lebensräume sein.

Städtebau scheint unter Fachleuten und Medien kein Thema mehr zu sein. Zudem wird der Begriff missverstanden, interpretiert und kann irreführend sein. Warum ist es daher wichtig über Städtebau und nicht über Raum-, bzw. Landschaftsplanung oder gar über Raumordnung zu reden?

Es wird über Städtebau meist im falschen Kontext gesprochen. Dies führt zum falschen Eindruck, dass Städtebau ausschließlich ein Thema der Stadt sei, während er in seinen fünf Dimensionen den interdisziplinär bedeutendsten Fokus der Gegenwart und Zukunft darstellt, um unsere Lebensräume im Kontext der vielen gesellschaftspolitischen und volkswirtschaftlichen Herausforderungen auszugestalten.

Eine hochwertig gestaltete und gebaute Umwelt erfordert Bewusstsein und eine kulturelle Einordnung in einen größeren gestalteten, gebauten, sozialen und ökologischen Kontext von Städtebau bzw. Urban Design.

Städtebau/Urban Design umfasst als vorausschauendes Handeln, Ordnen und Lenken von räumlichen Entwicklungen zur Umsetzung gesellschaftspolitischer Wertevorstellungen eine angemessene Lebensumwelt. Städtebau umfasst alle Aspekte, Bausteine und Aufgabenfelder wie u.a. Raumordnung (Gesetze), Raumplanung (Ordnen – überregional, regional, örtlich) Architektur (Gestalten), Landschaftsplanung, Kulturtechnik (Grün,- und Blaue Infrastrukturen), Verkehrsplanung (Mobilität) Zivilingenieurwesen u.v.m., die zur geografischen und funktionalen Einbindung, zur Berücksichtigung topografischer Gegebenheiten und von Grundstücksverhältnissen und -verfügbarkeiten zur Gestaltung von BAU,- GRÜN,- und VERKEHRSRAUM erforderlich sind.

Städtebau ist interdisziplinär, antizipiert das Zukünftige, ist immer eine Projektion über die Gegenwart hinaus, beschreibt eine mögliche Vision, verlangt eine Syntheseleistung und ist ein kreativer Akt. Es braucht die räumliche Idee, Vision und Haltung, um die Bedürfnisse und Wünsche der Gesellschaft im Sinne des Allgemeinwohls räumlich zu manifestieren. Städtebau als Plattform ist der perfekte Begriff für die Verhandlung, Übersetzung und Setzung von Bedürfnissen im Raum und umfasst Ordnung, Freiraum, Gebäude, Gestalt- und Prozessgestaltung gleichermaßen. Städtebau agiert und integriert. Städtebau ermöglicht es, alle Disziplinen zusammen zu denken, die zur Gestaltung von Räumen und Raumwirkungen, „Orten“ mit Identität und Atmosphäre, mit denen wir uns als Gesellschaft identifizieren können, beitragen.

THESE 1

Städtebau erfordert zum Erlernen Wissen, Erfahrung, Begabung, Mut und Leidenschaft sowie das Lernen durch das eigene Tun. Städtebau enthält definierte und offene, aktive und passive Räume mit Gleichzeitigkeit von Fülle und Leere, die Vielfalt definieren und für neue soziale, ökonomische, ökologische Herausforderungen und Aufgaben sensibilisieren.

Städtebau ist eine kreative Leistung und ein vielfältiger Prozess verschiedener Aspekte sowie kollektives Ergebnis ausdiskutierter und ausbalancierter Interessen, an dem viele Akteure beteiligt sind.

Wir sollten daher viel selbstbewusster und offensiver für „Städtebau“ werben und der Lehre, Ausbildung und Praxis weit mehr Aufmerksamkeit schenken, um jenes erforderliche Wissen und jene integrierte Haltung zu vermitteln.

THESE 2

Städtebau/Urban Design erfordert übergeordnete Visionen für unsere gebaute Umwelt und einen strategischen Ausblick auf eine längere Zeitspanne. Städtebau legt fest, welche Parameter dabei offen und flexibel gehalten und welche als fix betrachtet werden sollen. Städtebau legt fest, wie gut zu planen und bauen ist. Städtebau ermöglicht eine langfristige Orientierung für Entscheidungen und Eingriffe in die Umwelt und lädt verschiedene Akteure zur Mitgestaltung ein, um intelligente Antworten auf die globalen Herausforderungen unserer Zeit zu gestalten.

THESE 3

Städtebau/Urban Design ist die inspirierende Grundlage für die Qualität unserer Baukultur. Städtebau steht in einer intensiven Wechselbeziehung zu Architektur. Beide bestimmen das Aussehen unserer Umwelt und verleihen dieser Atmosphäre und Charakter. Praxistaugliche Ansätze und Methoden zur Qualitätssicherung im Städtebau, die die Potenziale alltäglichen Handelns in allen Ebenen von Verwaltung, Politik und Planens verdeutlichen, schaffen hochwertigen Lebensraum, Lebensqualität und charaktervolle nachhaltige „Orte“.

Gesellschaft und Politik sorgen sich über Knappheit von Raum, Landschaft und Boden. Die bisherigen Instrumente zur Gestaltung unserer Umwelt werden immer deutlicher infrage gestellt. Ein Perspektivenwechsel, aus dem heraus Handlungsanweisungen für eine zeitgemäße räumliche Gestaltung unserer Umwelt, in der sich nach wie vor primär ökonomische Interessen manifestieren und ästhetische Maßstäbe vernachlässigt werden, kristallisiert sich nicht heraus.

RENAISSANCE FÜR DEN STÄDTEBAU

Die gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Herausforderungen, die Globalisierung, der Wandel des Klimas und eine Überalterung der Gesellschaft werden die Gestaltung unserer Umwelt neu denken lassen. Dafür braucht es Visionen, Ideen und Konzepte, die in die Zukunft denken und unsere Lebensräume aktiv gestalten. Dieser Perspektivenwechsel eröffnet über Disziplingrenzen hinweg eine intensive Auseinandersetzung von Ort, Zeit und Gesellschaft für die notwendigen Transformationsprozesse.

Es bedarf der Konzepte und Strategien für diesen Prozess; es braucht nicht weniger, sondern eine bessere, auf die gesamte Umwelt mit Potenzial und Wirkkraft bezogene Planung, die gesellschaftlich diskutiert, politisch definiert und von der Verwaltung eingefordert werden würde.

Um diesem Prozess zu begegnen, braucht es neue Strategien, Instrumente und Umsetzungen – einen souveränen Städtebau in seinen fünf Dimensionen, der von einer generativen Kraft künstlicher Intelligenz unterstützt werden kann und auch bald unterstützt werden wird. 

Laura P. Spinadel

Sehr schöne Thesen die ich ergänzen möchte beim Thema der Disziplinen mit der Governance da ja die Demokratie vor jeder Haustür anfängt................ bei der Zukunft mit den vielen Parametern die man durch die KI integrieren kann bei der Entscheidungsfindung ............... und eindeutig beim Paradigmenwechsel die Inmersiven Realitäten die diese Vorahnung gemeinschaftlich erleben lässt. Ich schreibe nur über Sachen die wir selber zur Zeit experimentieren durch ERASMUS partnerschips URBAN MENUS Dialogue with a Resilient Future

Mo. 10/06/2024 20:02 Permalink
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