Modelle für einen zukunftstauglichen, ressourceneffizienten Wohnbau
Der 1. St. Pöltner Wohnbaudialog, veranstaltet von der Wohnbau-genossenschaft Alpenland gemeinsam mit ORTE Architekturnetzwerk NÖ, beschäftigte sich vor rund 120 Interessierten mit der Zukunftstauglichkeit des Wohnbaus. Moderiert von Stadtplaner und Fachpublizist Reinhard Seiß, ging es dabei um die Leistbarkeit des Wohnens, um die Nachhaltigkeit von Wohnbauten sowie um klimaverträgliche Mobilitätsformen insbesondere in Neubauquartieren.
Der Münchner Architekt Thomas Jocher, Professor für Wohnbau und Entwerfen sowie ehemaliges Mitglied der Baukostensenkungskommission der deutschen Bundesregierung, hielt fest, dass die Baukosten in den letzten 15 Jahren relativ moderat, etwa parallel zu den Lebenshaltungskosten gestiegen sind, und benannte als Wohnkostentreiber die sprunghaft angestiegenen Baulandpreise. In seinem Vortrag lotete er mögliche Einsparungen durch serielles Bauen und industrielle Fertigung aus, betonte allerdings, dass sich unsere Gesellschaft wohl auch wieder mit weniger Wohnfläche begnügen werde müssen.
Diese Ansicht teilte auch Architekt Hans-Otto Kraus. Der ehemalige Technische Geschäftsführer der Münchener Wohnbaugenossenschaft GWG stellte einen freifinanzierten Modellwohnbau vor, der durch Unterschreitung verschiedener Standards des geförderten Wohnbaus um EUR 1.450 pro m2 Wohnfläche und somit um etwa 400 EUR pro m2 billiger als üblich realisiert werden konnte. Dies ermöglicht eine für München äußerst günstige Miete von unter 10 EUR pro m2. Folglich plädierte Kraus für ein Hinterfragen sämtlicher Standards, Richtlinien und Vorschriften sowie eine Konzentration auf das Wesentliche.
Der Unternehmer Urs Frei zeigte sich davon überzeugt, dass das Schweizerische Ziel einer 2000-Watt-Gesellschaft, also eines energieeffizienten und emissionsarmen Lebens, in Bezug auf das Bauen bereits jetzt erreichbar ist. Der Präsident der Züricher Wohnbaugenossenschaft Zurlinden erläuterte, wie die verschiedenen in seiner Genossenschaft kooperierenden Gewerke Konstruktion und Baustoffe dahingehend optimieren. So setzt Zurlinden auf Holzbauten und kann inzwischen auf 450 in dieser Bauweise realisierte bzw. projektierte Wohnungen verweisen. Aber auch die Mieter der Genossenschaft stünden in der Pflicht: So können sie mittels einer App ihren persönlichen Heizenergieverbrauch im Vergleich zum Verbrauch ihrer Nachbarn kontrollieren.
Der Wiener Raumplaner Stefan Melzer, Geschäftsführer des Mobilitätsanbieters MO.Point, eröffnete den dritten Themenschwerpunkt der Veranstaltung, nämlich Wohnbau und Verkehr. Dabei präsentierte er erfolgreiche Mobilitätsstrategien für größere Neubauprojekte, die sowohl auf Car-Sharing als auch auf Alternativen zum Pkw setzen. Vor allem Wohnbauträger streben solche Lösungen an, um dadurch den teuren Stellplatzbedarf in ihren Anlagen reduzieren zu können. Sein Züricher Kollege Dominik Bucheli, Diplom-Geograph und Projektleiter bei „Fussverkehr Schweiz“, ergänzte, dass auch die Träger älterer Wohnanlagen Mobilitätsformen abseits des privaten Autos zunehmend nachfragen, da auch sie neue Stellplätze – etwa im Zuge von Nachverdichtungsmaßnahmen – möglichst einsparen wollen.
Die abschließende Diskussion mit dem Publikum zeigte nicht zuletzt, dass auch in anderen Bereichen des Themas Wohnbau akuter Innovationsbedarf besteht. Dem tragen Alpenland und ORTE Rechnung, indem sie eine Fortführung des Wohnbaudialogs ankündigten.