Am Mittwoch, dem 20. April 2022 war ich Mitorganisator der von Dipl. Ing. Roland Kloss Referat für nachhaltige Entwicklung, ÖKOPROFIT im Umweltamt der Stadt Graz privat konzipierten Exkursion von Welser Stadtpolitikern, -planern und -juristen nach Graz, wo sie „best practices“ der Altstadterhaltung studieren wollten. Bei den denkmalgeschützten Bauten liegt die oberösterreichische Stadt Wels, in der 1519 Kaiser Maximilian starb, im Verhältnis zu den Einwohnern mit der Welterbestadt Graz gleich auf; in Ovilava hinterließen immerhin auch die Römer ihre Spuren.
Am Vormittag referierten Dipl. Ing. Kai-Uwe Hoffer von der Stadtbaudirektion über Qualitätssicherungs-Instrumente, über den Fachbeirat für Baukultur und Mag.a Gertraud Strempfl-Ledl über das Grazer Altstadterhaltungsgesetz; Strempfl-Ledl erwähnte u. a. auch, dass eine dem Abriss preisgegebene Villa am Ruckerlberg dank eines Bürgers gerettet wurde, der diese Villa kaufte, den Abrissbescheid ignorierte und die Villa aufwändig saniert. Die Schutzzone kam erst nach der Sanierung… Darüber wie städtebauliche Verträge die Baukultur bewahren können, sprach anschließend Mag.a Eva Schalk.
Die am Nachmittag absolvierten drei Stationen Kaiser-Franz-Josef Kai 36, Leonhardstraße 28 (Girardihaus) und Schubertstraße 53 (alte Gewächshäuser des botanischen Gartens) waren für alle Teilnehmer sehr informativ, besonders durch die engagierten Ausführungen von Mag.a Gertraud Strempfl-Ledl und Dr.in Astrid Wentner, die viel Wissenswertes vermittelten.
Das „Kai 36“
„Direkt am Kai, zwischen Schlossberg und Mur: Hotel zwischen Fels und Fluss, geschliffen und roh mit 21 eigenwilligen Zimmern in 400 Jahre alten Mauern.“ So präsentiert sich im Internet das 5-Sterne-Hotel des Grazer Hoteliers und Red-Bull-Racing-Managers Dr. Helmut Marko (Bild 1).
Das zweigeschossige Renaissancehaus (der erstgenannte Besitzer ist lt. Quartierbuch von 1596 Hans Mitermülner, später war das Haus im Besitz von Lederern), das mit seinem markanten, breit gelagerten und tief über eine ehemalige Reiche herunter reichenden Schopfwalmgiebel wesentlich das charakteristische Erscheinungsbild der Kai-Häuserzeile bestimmt, war jahrelang als Problemfall geführt worden.
Trotz Denkmalschutz und Altstadt-Schutzzone war es zu jahrelanger Vernachlässigung der Bausubstanz gekommen, sodass ein Experte dem Gebäude bereits die „bautechnische Abbruchreife“ aussprach und man schon den Abbruch „wegen Unzumutbarkeit der wirtschaftlichen Sanierung“ befürchten musste. Das Problem wurde bereits 2010 in einem „Runden Tisch“ der Stadtregierung eindringlich erläutert. Die damalige Besitzerin, eine mir gut bekannte, strenge alte Dame, warf 2011 illegale jugendliche Besetzer, die ihr die „Restaurierung“ als Gegenleistung anboten, aus dem leerstehenden Haus und war nicht und nicht zum Verkauf zu überzeugen. Erst Dr. Marko schaffte es – zu meiner großen Erleichterung, denn ein Hotelbau garantiert ja auch öffentlichen Zugang.
Von 2017 bis 2019 ist der Bau durch eine behutsame und am Originalzustand orientierte Sanierung vorbildlich restauriert worden. Gertraud Strempfl-Ledl, die sich den Gästen aus Wels als bestens informierter Guide anbot, da sie damals Vorsitzende der ASVK war, erwähnte, dass der neue Eigentümer und Bauherr aus Kostengründen nicht alle Wünsche der ASVK und des Denkmalamtes erfüllen konnte. Die ASVK hat auf Anraten eines Beamten der Baubehörde eine neue Methode entwickelt: Es wird durch Auflagen im Bescheid ermöglicht, dass die Arbeiten von der ASVK schrittweise genehmigt werden können. Die von mir vermissten Fensterläden, die noch im Architektur-Modell von 2017 enthalten gewesen waren, konnten auch nicht realisiert werden, wie ich auf Anfrage vom Denkmalamt erfuhr. Dass im Obergeschoss nur ein Glasrahmen in den Hof zeigt, die ehemalige pittoreske Pawlatsche aber fehlt, habe ich bedauernd anmerken müssen. Diese Kritik kann aber die großartige Leistung der Restauratoren und der Architektin Nicole Lam nicht trüben. Nicht umsonst wurde dem Bau 2020 die Geramb-Rose verliehen. Sogar die Fassade des Nachbarhauses Nr. 34 wurde auf Kosten von Dr. Marko saniert, um den äußeren Eindruck gut zu wahren.
Das Haupthaus ist bis auf eine vergrößerte Dachgaupe, die einen Lift aufnahm, fast unverändert geblieben. Zwei Nebengebäude im Hinterhof wurden teilweise mit neuen Materialien aufgestockt. Der mittig gelegene, gewölbte Flur mit dem ursprünglichen Eingang wurde von Zwischenmauern befreit und bietet nun einen Durchblick bis in den Hof (Bild 2).
Ein gemütliches Café hinter dem restaurierten steinernen Eingangstor hat die räumliche Situation gekonnt verbessert. Der kleine Hof hat von seinem Charme kaum etwas eingebüßt (Bild 3).
Das Hotel Dr. Markos ist in den allgemein zugänglichen Teilen mit edlen Materialien in den Altbau integriert worden. Sogar auf den Gängen finden sich Exponate aus der Sammlung moderner Kunst des Hausherrn. Zu den an alte Ansichten angelehnten spannenden Terrassen am Schloßbergfelsen gelangt man über Stiegen direkt durch das Hotel. Dann wechseln sich Betonstiegen mit Stützmauern aus alten Ziegeln ab, die Terrassen sind äußerst attraktiv gestaltet. Ein kleines Appartement und ein Pool fallen hier ins Auge, auf der obersten Terrasse klebt ein Red-Bull-Rennauto am Felsen.
Dann aber doch ein kleiner Schock: Die ursprünglich in Bronze gehaltenen neuen Dächer (Bild 5: Foto vom 20.12.2019!) sind schon grau und patinieren werden sie auch nicht. Da fällt einem das noch immer auf kommende Bronzeplatten vertröstende Kastner-Dach ein... Von der Stadt wünscht sich Dr. Marko die Sanierung der Flachdächer des benachbarten Schloßbergbahn-Hauses; diesen Wunsch kann man nur unterstützen.
Das Girardihaus
Beim Haus Leonhardstraße 28, das 1570 erbaut wurde und in dem 1850 der größte Bühnenkünstler Österreichs geboren worden war, konnte ich einige der wichtigsten "Retter" zur Anwesenheit überreden: Dr. phil. Astrid Wentner, die mit einem Beitrag im Historischen Jahrbuch 2010 die Bedeutung des Hauses schilderte, Manfred Grössler, der unerschütterlich jahrelang vor dem verfallenden Haus den einstigen Bühnenstar bravourös imitierte, Prof. Dr Reinhold Reimann, der den Verein „Rettet das Girardihaus“ ins Leben rief und den prächtigen Gothen-Saal gegenüber für Girardi-Abende zur Verfügung stellte, und Mag. phil. Maria Fill, die ein Projekt erarbeitete, das die Leonhardstraße zur Musikmeile erheben soll (Bild 7).
Es entspricht der Umsetzung einer Idee, die die SOKO Altstadt mit der Girardihaus-Initiative schon vor Jahren aktiv durch Kontakte mit der damaligen Rektorin eingeleitet hatte, dass das restaurierte Gebäude von der naheliegenden Kunst-Universität Graz bespielt werden wird. Vielleicht kommt es auch zu einem Institut für Schauspiel „Alexander Girardi“?
Astrid Wentner hat in ihrem Statement leidenschaftlich die baukünstlerischen Elemente der Leonhardstraße beschrieben, die keinesfalls von der Gründerzeit geprägt ist, wie die ASVK in ihrer – in meinen Augen skandalösen – Abbruchgenehmigung von 2015 (mit einer Stimme Mehrheit) befunden hatte. Auch der familiäre Konflikt in der Familie zeige sich als hohe Feuermauer in den beiden so unterschiedlichen Bauteilen; Alexander Girardi konnte den Weiterbau des 1896 vom Ehemann der Ziehtochter seiner Mutter errichteten überdimensionierten Eckhauses Leonhardstraße-Gartengasse und damit seines Geburtshauses stoppen; dass hier ein Bau mit einem Geschäftssockelgeschoss à la Wiener Kärntnerstraße nicht hingehört hätte, ist als eine der Bausünden der Gründerzeit anzusehen.
Es wurde natürlich auch darüber diskutiert, ob es richtig war, dass die Stadt das Baurecht erworben hat und dafür monatlich 5.000 Euro dem Großindustriellen Rois zahlt, der das Objekt 2003 um 100.000 Euro und eine Leibrente erworben hatte; ich habe eingewandt, dass ja auch durch Vermietung an die Kunstuniversität und Verpachtung an einen Gastronomen Geld hereinkommt. Freilich, die mit mehr als 2 Mio. Euro angesetzte Restaurierung zahlt die Stadt, und der Eigentümer kriegt nach 35 Jahren das sanierte Haus zurück.
Univ. Prof. Reinhard Reimann als Obmann des Vereins würdigte die aktive Unterstützung durch die Grazer Presse. Als dann Manfred Grössler das Hobellied zum Besten gab, applaudierten die Welser Gäste dazu gerührt. Es ist dann noch aufgefallen, dass Nagls Zusatztafel "steht unter Denkmalschutz" ebenso nicht mehr da ist, wie der Essigbaum (?) im Hof und dass von Bauarbeiten noch nichts zu sehen ist. Am 17. Mai soll es einen ersten Einblick in die Planungen geben.
Das historische Glashaus
Sehr erfreulich stimmte der abschließende Besuch in dem von 2019 bis 2021 restaurierten Gewächshaus des botanischen Gartens der Karl-Franzens-Universität, das jetzt alle Pflanzenreserven aufnimmt, die vorher irgendwie in die modernen Glashäuser (erbaut von Arch. Giencke, 1995) hineingepfercht werden mussten – ein Gewinn, wie der Chef-Gärtner Jonathan Wilding erklärte. Für botanisch Interessierte war nicht nur der Blick in die Glas-Stahl-Konstruktion sehr informativ (Bild 9).
Das im September 2021 feierlich eröffnete Objekt wird künftig sowohl für Pflanzenzucht, für Lehre und auch für wissenschaftliche Veranstaltungen und Vorträge genutzt. Ebenso wurden notwendige Experimentalbereiche und Forschungsplätze für die Wissenschaft geschaffen. Der zentrale Kubus – das Palmenhaus – ist architektonischer Mittelpunkt und wird als universitäre Begegnungs- und multifunktionale Veranstaltungsstätte fungieren.
Spannend war die Erzählung von Astrid Wentner: sie hatte 1995 im Auftrag der Altstadt-Kommission einen Abbruch-Antrag bearbeitete, in dem es um ein Glashaus "aus den 1950er Jahren" (!) ging. Das Datum betraf aber nur den jetzt nicht mehr vorhandenen Zubau an der Front, das sogenannte Viktoriahaus! Unter dick verstaubten Akten hat Wentner dann im Landesarchiv die Originalpläne von 1889 ausgegraben. Errichtet wurde das Gebäude damals von der Wiener k.k. Eisenkonstruktionswerkstätte Ignaz Gridl, der in der ganzen österreichischen Monarchie baute. Das Gewächshaus ist in fünf Teilhäuser gegliedert – mit dem Palmen- oder Tropenhaus in der Mitte. Architektonisch betrachtet handelt es sich um einen Avantgardebau, der Strömungen des 20. Jahrhunderts vorwegnimmt.
1997 hat es dann mit Frau Gemeinderätin Leb die erste Bürgerinitiative dazu gegeben. Danach hat sich für die Erhaltung der vom ehemaligen Landeskonservator Friedrich Bouvier gegründete Verein "Denkmal Steiermark" eingesetzt, was schließlich 2008 zur Unterschutzstellung durch das Bundesdenkmalamt führte.
Der Verfall kümmerte sich allerdings wenig um den Schutz. Immer wieder machten sich daher Bürgerinitiativen, andere Vereine und auch Privatpersonen für den Erhalt stark Manchmal kam es zu einem positiven Flow, dann gerieten alle Planungen wieder ins Stocken. Letztendlich waren es die Rektoren der Universität Graz, Christa Neuper und Martin Polaschek, die in Zusammenarbeit mit der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) als Eigentümerin ein Konzept für die Neunutzung und Restaurierung erstellen ließen und dadurch den Erhalt des denkmalgeschützten Objektes erreichten.
Nach den Auflagen des Denkmalamtes wurde die Stahlkonstruktion wieder in die Originalfarbe „Grün" von 1889 zurückversetzt. Die Gesamtkosten der Sanierung betrugen 3,8 Millionen Euro und wurden mit 720.000 Euro von der Stadt Graz und dem Land Steiermark gefördert. Es ist mittlerweile das letzte und einzige noch erhaltene Beispiel einer universitären Glashausarchitektur des 19. Jahrhunderts. In Eisenskelettbauweise errichtet, war die Konstruktion zu ihrer Entstehungszeit ein Serienprodukt. Das auf strenge Rechteck- und einem Würfelkörper reduzierte Bauwerk (Vorwegnahme der Neuen Sachlichkeit der Moderne) verweist mit den floralen Schwüngen der dünnen Geländerstäbe dennoch auch auf den Jugendstil.
Fazit
Hartnäckiges Engagement von Bürgern war in allen drei Fällen mitentscheidend, dass die drei Bauten gerettet werden konnten. Während aber beim historischen Glashaus die öffentliche Hand als Eigentümerin die Mittel zur Sanierung aufbrachte, und es beim Haus am Kai private Investoren waren, musste die Stadt Graz beim Girardihaus „in den sauren Apfel“ beißen. Ein potenter Erwerber, dem im Kaufvertrag durchaus deutlich gemacht wurde, dass es sich um ein denkmalgeschütztes Haus handelt, ließ es verfallen und zog daraus auch noch finanziellen Gewinn. Hier wird wieder einmal die Zahnlosigkeit des Österreichischen Denkmalschutzgesetzes deutlich, das nur den bewussten Abbruch verbietet, aber den Erhalt nicht gebietet. Auch das Mittel der Ersatzvornahme für notwendige Sanierungsmaßnahmen wird so gut wie nie angewendet. Wenn Staat, Land und Gemeinden den Schutz ihres Bauerbes wirklich wahrnehmen sollen, müssen endlich die notwendigen gesetzlichen Grundlagen geschaffen werden. Die gesetzgebenden Stellen wurden darauf mehr als einmal nachweisbar hingewiesen.
Es müssen insgesamt bessere Lösungen für die Erhaltung historischer Bausubstanz gefunden werden – egal, ob in oder außerhalb von Schutzzonen. Daran arbeitet auch das Internationale Städteforum Graz mit dem heurigen Symposium unter dem Titel „In Restauro: Denkmal- und Welterbeschutz. Ganzheitliche Ansätze für einen zeitgemäßen Denkmalschutz“. Es referiert sogar der Vizepräsident des Bundesverwaltungsgerichts, der für das Denkmalrecht zuständig ist!
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Einladung:
Internationales Städteforum Graz
Do.-Sa., 23.-25. Juni 2022, Steiermark / Graz
In Restauro: Denkmal- und Welterbeschutz - Ganzheitliche Ansätze für einen zeitgemäßen Denkmalschutz
Nach zwei Jahren Corona geschuldeter Pause veranstaltet das Internationale Städteforum Graz (ISG) gemeinsam mit ICOMOS Austria und seinen bewährten Förderern – BMKÖS, Land Steiermark, Stadt Graz – wieder ein Symposium in Graz. Es widmet sich dem Thema Denkmal- und Welterbeschutz hinsichtlich einer notwendigen Erneuerung der Rahmenbedingungen des Denkmalschutzes, der auch das Welterbe bewahren soll. Zudem stellt die Gegenwart dem Denkmalschutz hinsichtlich Klimawandel, Ressourcenschonung, geforderter fachlicher Ausbildung und Finanzierung eine Reihe von Herausforderungen, die noch ungenügend beantwortet sind. In der bereits bestens für die ISG Qualitäten bekannten Form wird über die Themen im Austausch mit unseren Nachbarländern, mit Vertreterinnen und Vertreter der unterschiedlichen involvierten Fachrichtungen diskutiert.
Ort: Heimatsaal des Volkskundemuseums, UMJ, Paulustorgasse Graz
Anmeldung unbedingt erforderlich unter: symposium@staedteforum.at