Am 17. Juli 2014 fand im Living Rooms der ZV Steiermark ein durch die derzeit brisante politische Situation in Israel/Palästina sehr interessantes Gespräch mit ArchitektInnen der Birzeit University Palestine in Ramallah über Architektur und Städtebau in palästinensischen Gebieten statt. Den Rahmen dazu bildete die Fotoausstellung Walled Architecture von Martin Grabner, die derzeit bei der ZV zu sehen ist.
Aus Ramallah waren Samer Nazer, Shaden Qasem, Yazeed Elrifai und Dima Yaser gekommen, aus Graz waren Grigor Doytchinov und Martin Grabner, Institut für Städtebau, TU Graz, anwesend, die nach einem Konferenzbesuch in Ramallah den Austausch initiiert hatten. Martin Grabner moderierte.
Das Gespräch ging gleich zu Beginn in medias res und überforderte ZuhörerInnen, die sich bisher noch nicht mit dem Thema auseinander gesetzt hatten, etwas. Yazeed Elrifai brachte in den ersten zehn MInuten bereits alle Problempunkte der Stadtplanung, die in der nächsten Stunde behandelt wurden, auf den Tisch, während man als Laie noch damit beschäftigt war, die an die Wand projizierte Landkarte zu verstehen. Leider wurden nicht auch während des Gesprächs erläuternd Fotos der Ausstellung groß an der Wand gezeigt. Das hätte manches Mal das Verständnis erleichtert.
Der Schwerpunkt lag wie versprochen nicht auf der politischen Lage, sondern vielmehr auf den Auswirkungen der ab 2005 errichteten Separation Wall. Dieses Symbol von Macht führt zu Grundproblemen im palästinensischen Alltag. Die Mauer (die großteils innerhalb von palästinensischem Gebiet verläuft und nicht an dessen Grenze zu Israel) hat das Land zerschnitten und soziale Netzwerke auseinandergerissen. Felder können nicht mehr bestellt werden, weil gewisse Straßen von Palästinensern nicht benutzt werden dürfen. Dies bringt auch Probleme im Ausbildungs- und Gesundheitssystem mit sich.
Eine Kategorisierung des Landes in A, B und C-Zonen (A steht für 100%ige palästinensische Kontrolle – nur 16% des Gebiets –, C für 100%ige israelische Kontrolle) hat Dörfer oft in zwei oder drei verschiedene Zonen geteilt. Wasserressourcen und deren Verwaltung befinden sich in Zone C.
Die Zonierung bringt auch eine entsprechende Kontrolle über das Bauland mit sich und macht den großen Städten eine Expansion quasi unmöglich. Dies führt zu hoher Dichte und dem Dilemma Quantität vs. Qualität. Oft ist oberste Priorität, überhaupt alle Menschen unterzubringen. Die Immobilienpreise sind explodiert und Investoren lachen sich ins Fäustchen. Der Landwirtschaft gewidmetes Land wird in der Not als Bauland genutzt.
ArchitektInnen und StadtplanerInnen stehen vor der Herausforderung, Stadtplanung nicht nur für die momentane Situation, sondern auch vorausschauend für den Tag, an dem es die Mauer einmal nicht mehr gibt, zu denken.
Eine Diskussion entstand an diesem Abend nicht, die palästinensischen Gäste erläuterten die Situation und Schwierigkeiten der Städte und Umgebung von Betlehem, Ramallah etc., das Gespräch wurde eher zum Vortrag. Der angekündigte Gesprächsteilnehmer Stadtplaner Johannes Fiedler konnte leider nicht anwesend sein, wodurch eine unvoreingenommene Grazer Sicht fehlte.
Die zahlreichen ZuhörerInnen wurden von dem Bild einer fremden Welt, die ihnen nahegebracht wurde, in den Bann gezogen. Es ist sicher niemand nach Hause gegangen, ohne noch einmal über das Gehörte nachzudenken. Eine sehr spannende und lehrreiche Veranstaltung.