Die Stadt Graz definiert für ihr Projekt Smart City Graz zwei Zielgebiete: Das Gebiet Graz Süd und das Gebiet Graz West, welches sich vom Areal um die Waagner-Biro-Straße bis nach Graz-Reininghaus erstreckt. Während auf der einen Seite des Gebiets West in Reininghaus schon konkret übers Bauen nachgedacht wird, wurde auf der anderen Seite, auf einem Bauplatz westlich der Helmut-List-Halle, im Rahmen von Europan12 intensiv über städtische Zukunftsstrategien nachgedacht. Alle Preisträgerprojekte der vier österreichischen Standorte (Amstetten, Graz und zwei Mal Wien) werden zurzeit im HDA Graz unter dem Titel Wohnen macht Stadt? ausgestellt.
Im Rahmen der Ausstellungseröffnung stellten die Preisträgerteams des Bauplatzes in Graz, Sebastian Jenull und Sandra Tantscher (Graz), sowie Katja Aljaz und Matej Mejak (Slowenien), ihre Projekte vor.
Anschließend folgte eine Podiumsdiskussion mit drei Impulsvorträgen von Jürg Degen (Stadtplanung Basel, Europan12 Jury), Cornelia Schindler (Wien, Architekturbüro S&S) und Kaye Geipel (Wissenschaftliches Komitee Europan Deutschland). Moderiert wurde die Diskussion, an der neben den Genannten noch Saskia Hebert (Berlin, subsolar* architektur & stadtforschung) und Bernhard Inninger (Standortpartner Europan12, Stadtplanung Graz) teilnahmen, von Bernd Vlay (Generalsekretär Europan Österreich).
Nachdem Europan Österreich Präsident Klaus Kada bei seiner Begrüßung den Wert von Europan als dem „Finger auf der Wunde“ der Stadtentwicklung hervorhob, stellten die beiden Preisträgerteams ihre Lösungsvorschläge für die notwendige „Organisation der Konflikte“ vor. Die Ideen reichten von spannenden Mischnutzungen, über strukturelle Überlegungen zur Erweiterung von Stadt, bis zu innovativen Vorschlägen, wie der Nutzung eines Schwimmbades am Dach als Pumpspeicherbasin für die am Grundstück produzierten solaren Überschüsse.
Jürg Degen referierte über umgesetzte Projekte in Basel und deren Probleme. Er sprach von der Gefahr der Gentrifizierung, wenn Wohnen in zuvor industriell genutzte Gebiete implantiert wird und der Notwendigkeit von rechtlichen Rahmenbedingungen um dieser, im Sinne einer durchmischten und lebendigen Stadt, vorzubeugen. Radikale Mischnutzungen müssten von öffentlicher Hand umgesetzt werden, da kein Investor die Risiken tragen würde. Die Diskussion zeigte, dass die deutschen und österreichischen Gäste von den Möglichkeiten in der Schweiz überrascht waren und vor allem die rechtliche Situation für Mischnutzungen entscheidend ist.
Cornelia Schindler zeigte in ihrem Vortrag geförderte Wohnbauprojekte ihres Büros aus Wien. Sie zeigte Chancen zur Partizipation auf, strich dabei aber immer wieder den (freiwilligen) Aufwand, der für das Büro entsteht, heraus. Sie kritisierte, dass aufgrund des Fördersystems in Wien hybride Wohnbauformen verunmöglicht würden. Mit dem Hinweis auf die Flexibilität der Gründerzeitbebauung ließ sie in der Diskussion aufhorchen.
Kaye Geipel beschäftigte sich damit, wie weit Gemeinschaftsräume zur Bildung von Stadt beitragen können. Er erklärte das Erdgeschoß zur „Kampfzone“, nämlich zwischen den Interessen der Stadt als verlängertes Wohnzimmer und jenen der Wohnnutzung. Es stellte sich einmal mehr heraus, dass das größte Problem für Mischnutzungen deren rechtliche Konstruktion ist. Ein Problem sei, dass zwar Urbanität gewünscht, aber Konflikte für diese notwendig seien.
Schon während der Podiumsdiskussion wurde festgestellt, dass es seit dem Modell Steiermark keine mutigen Bauträger mehr in der Steiermark gäbe. Es sei somit ein „kultureller Bruch“ festzustellen, der sich auch darin zeige, dass in Graz noch kein Europan-Projekt realisiert wurde.
Eilfried Huth und Klaus Kada stellten am Ende mit Anmerkungen zur Diskussion aus dem Publikum den Bezug zwischen der Grazer Schule, dem Modell Steiermark und der aktuellen Situation in Graz her. Sie nahmen explizit die Politik in die Verantwortung, um innovative Stadtentwicklung zu betreiben und zu ermöglichen. Während Kada für seinen verbalen Rundumschlag, unter anderem zum Thema Reininghaus, spontan Applaus erntete, zog es Bernhard Inninger nach einer kurzen Erwiderung vor, „diese Dinge privat weiter zu diskutieren“. – Schade, denn hier hätte sich die Chance ergeben, die aktuellen Entwicklungen in Graz auf ihre Qualitäten im Sinne der vorangegangenen zwei Stunden zu überprüfen.