11/10/2022

Aber Hallo! März 2022 Nr.89
Endlosschleifen oder der Unsinn perpetuierender Erstgespräche 

Aus gegebenem Anlass – Stadtdialog #03 Zukunft Stadtregion - wiederholen wir das Aber Hallo! vom März 2022, in dem sich Karin Tschavgova fragt, wieso längst erkannte Herausforderungen für ein Regionalmanagement Zentralraum nicht rascher umgesetzt werden.

11/10/2022
©: Karin Tschavgova

Aus gegebenem Anlass – Stadtdialog #03 Zukunft Stadtregion - wiederholen wir das Aber Hallo! vom März 2022, in dem sich Karin Tschavgova fragt, wieso längst erkannte Herausforderungen für ein Regionalmanagement Zentralraum nicht rascher umgesetzt werden.

Dies sollte ein „Aber Hallo“ sein über ein Déjà-vu, das mich tagelang beschäftigte, das zu beschreiben mir jedoch seit Beginn des Kriegs in der Ukraine unwichtig, weil nebensächlich scheint. Nun muss aber diese Kolumne gefüllt werden wie an jedem anderen ersten Dienstag im Monat und deshalb können Sie nun von meiner Verwirrung, die einem Ärger und nachfolgender Erkenntnis folgte, lesen. 

Am Dienstag letzter Woche konnte man in der „Kleinen“ lesen, dass es am Montag dieser Woche ein erstes Treffen zwischen den Vertretern der Grazer Umlandgemeinden und Graz gibt, um das „komplexe Verhältnis“, das die Stadt Graz und die Gemeinden von Graz-Umgebung pflegen, zu verbessern und das bis heute Trennende, das mehr ist als die Gemeindegrenzen – siehe Seiersberg - in ein besseres Miteinander zu transformieren. „Es braucht mehr Abstimmung“, wird der Bürgermeister von Raaba zitiert. Immerhin ist Raaba-Grambach die Gemeinde mit den höchsten Steuereinnahmen in der Steiermark, vor der Stadt Graz, das an fünfter Stelle im Ranking der reichsten Gemeinden liegt.

Eingeladen zu diesem Treffen hat Bürgermeisterin Elke Kahr als Vorsitzende des „Regionalmanagement Steirischer Zentralraum“, das sich als zentrale Kompetenzstelle für Regionalentwicklung im Steirischen Zentralraum sieht (der setzt sich zusammen aus Graz, Graz-Umgebung und Voitsberg). Und die in Eigendefinition „über langjährige Erfahrung und Kompetenzen in der Förderung regionaler Zusammenarbeit und der Entwicklung und Umsetzung vielfältiger, regional wirksamer Projekte“ verfügt.

Doch zurück zu meinem Déjà-vu, das durch diesen Zeitungsartikel ausgelöst wurde. War ich nicht im Oktober 2014 zu einem Podiumsgespräch bei einem Symposium eingeladen, das den Titel „Zukunft Stadtregion – Erfolg durch Kooperation“ trug, und das die Stadt Graz damals gemeinsam mit acht Umlandgemeinden veranstaltete, um die Herausforderungen der Region, der ein starkes Bevölkerungswachstum prognostiziert wurde, zu thematisieren? Von der starken wirtschaftlichen Prosperität, die heute Fakt ist – Graz-Umgebung liegt als Bezirk auf Rang 2 von 94 Bezirken im Zukunftsranking 2019 - war damals, wenn ich mich recht erinnere, noch nicht ausgegangen worden. Doch schon damals, also vor mehr als 7 Jahren, wurden bei dieser Veranstaltung europäische Beispiele wie der Stadtverband Straßburg und der Verband der Region Stuttgart vorgestellt, die nicht nur anschaulich zeigen sollten, wie solche Regionalverbände fruchtbar wirksam werden können, sondern vor allem, wie wichtig und unverzichtbar regionale Kooperation und Entscheidungen in und durch solche Verbände sind.

Ortsübergreifendes Regionalmanagement war schon 2014 in dieser Veranstaltung gefragt und verlangt und das nicht nur, weil, wie es damals von Gemeindevertretern mehrmals hieß, keine Gemeinde allein „die Kosten stemmen kann“. Eine SMS-Umfrage der etwa 200 Teilnehmer ergab, dass an erster und zweiter Stelle der Herausforderungen für die „Großregion Graz“ der Verkehr stand – an erster der Individual-, an zweiter der öffentliche Verkehr – und an dritter Stelle die Raumplanung. 

Lese ich in der Zeitung von einem ersten Treffen, von einem neuen Anlauf für ein besseres Miteinander, von der Notwendigkeit eines „Umgangs auf Augenhöhe“ zwischen Graz und den Umlandgemeinden und von mehr Abstimmung, so frage ich mich: Was ist seither konkret geschehen? Und muss ich lesen, dass die Geschäftsführerin im Regionalmanagement Steirischer Zentralraum meint: „Die Entwicklung der Gemeinden ist die Pflicht, die Regionalentwicklung die Kür“, - ja, dann frage ich mich, etwas verunsichert, ob mein Déjà-vu nicht auf einer Fata Morgana beruht. 

Gab es nicht schon 2014, bei diesem Symposium, das symbolträchtig am Flughafen Graz-Thalerhof stattfand, als allgemeinen Konsens ein Resümee, wonach eine kooperative Regionalentwicklung Pflicht werden müsse und eben nicht Kür bleiben dürfe?

„Ja kruzitürken, Herrschaftszeiten nochamol!“ hätte man in früheren Zeiten, politisch unkorrekt, darauf gesagt. Können solche Einsichten, gepaart mit den Erfahrungen und Analysen anderer, vergleichbarer Zentralregionen, nicht schneller, zeitnah zu verbindlichen Ergebnissen führen? Verpufft nicht jede Form der Veranstaltung zu brisanten Themen und aktuellen Herausforderungen wie eine Sylvesterrakete im Nachthimmel, wenn die Informationen und Erkenntnisse daraus nicht unmittelbar danach analysiert und evaluiert werden, um in einen eigenen, regionsspezifischen Maßnahmenkatalog zu münden? 

Muss alles - immer wieder, so, als sei’s das erste Mal - von vorne durchgekaut werden, von Neuem anfangen? In Bezug auf die schleppende Umsetzung von Regionalplanung ist das lediglich unverständlich, vielleicht für manche ärgerlich - nicht mehr. 

In Bezug zum Krieg, der seit Donnerstag als Eroberungsfeldzug in der Ukraine tobt, fehlen mir die Worte. Da möchte ich Werner Schwab durch eine seiner Figuren in Übergewicht Unwichtig Unform. Ein europäisches Abendmahl zu Wort kommen lassen, die am Ende des großen kannibalistischen Fressens im Wirtshaus sagt: „Daß alles Passierte immer wieder passieren muß. Daß wir immer wieder uns umbringen und hinunterfressen müssen. Daß das Gleiche immer wieder einfach so daherkommt, als täte es die Möglichkeit, daß man sagt: ohweh, schon wieder das Gleiche, gar nicht geben.“

Ersterscheinung:
Aber Hallo! 89
Di. 01/03/2022

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