Der deutsche Konzeptkünstler Hans-Peter Feldmann (1941 – 2023) war vor allem damit befasst, Bildklischees beziehungsweise tradierte Werkbegriffe gegenüber dem Original zu untersuchen und er stellte damit auch immer wieder die Fragwürdigkeit des Originals (siehe Walter Benjamin) in den Fokus seines Werks. Seinen Fundus bildeten private und öffentliche Fotografien oder Reproduktionen von mehr oder weniger gemeinhin bekannten Kunstwerken, denen er durch Überarbeitung irritierende Details einfügte. So, und im Teil der Neuen Galerie der rezenten Ausstellung, die zwei Porträtbilder eines situiert bürgerlichen Paares aus dem 19. Jahrhundert, die nun schielen. Ähnlich eine Nachbildung der Büste der Nofretete, an der, gegenüber dem Original, beide Augäpfel zu sehen sind. Und auch Feldmanns Nofretete schielt. Ob das nun, entsprechend dem Titel der Schau, „albern“ erscheinen mag, sei den Rezipient:innen überlassen. Fraglos dagegen ist mit Feldmanns Eingriffen die Erhabenheit des originalen Kunstwerks gebrochen.
Kaum zu überblicken ist die von den Kuratoren Cristina Ricupero (freie Kuratorin und Kunstkritikerin, Paris) und Jörg Heiser (Professor an der Universität der Künste Berlin) konzipierte Schau, die im Sommer 2023 in den Hamburger Deichtorhallen zu sehen war.
Nun an zwei Ausstellungshäusern in Graz ist ERNSTHAFT?! ALBERNHEIT UND ENTHUSIASMUS IN DER KUNST jeweils in etliche Kapitel unterteilt, die, beginnend mit DADA, durch die Geschichte absurder, wenn nicht alberner Kunstwerke führen. Unter der Rubrik Coney Island (nach dem 1903 in New York eröffneten Luna Park) etwa steht eine Gruppe von comicartigen Pappfiguren des US-Künstlers Jim Shaw mit dem Titel I dreamt I was Taller than Jonathan Borofsky. Einigermaßen witzig wird die Arbeit wohl erst, wenn man den Ausstellungskatalog konsultiert, der das Werk erläutert: Shaw war Student bei Borofsky, der in den 1980er- und 90er-Jahren als einer der maßgeblichen Bildhauer in den USA reüssierte. Shaws Installation gegenübergestellt, niest in einem Video der Argentinierin Mika Rottenberg ein Darsteller diverse Objekte, immer wieder ein Steak beispielsweise, auf einen Tisch: Sneeze eben, aus dem Jahr 2012. Interessanter dagegen die Abteilung MINIMAL ART (in der HALLE FÜR KUNST), wo die Schweizer Peter Fischli & David Weiss mit ihrer Fotostrecke Wurstserie (1979) vertreten sind. Das aus dem Jausen-Alltag erhobene Lebensmittel ist hier unter anderem als Aufschnitt im Geschäftslokal eines Teppichhändlers drapiert. Zum Teppich gehört aber auch ein Staubsauger. Der Schweizer Explosionskünstler Roman Signer hat solchen unter einer Falte in einem roten Läufer installiert. Unsichtbar, ist der Sauger bei Annäherung zu hören.
In beiden Häusern wird „schlechter Geschmack“ und „Kitsch“ mit der Abteilung CAMP assoziiert. Von Jakob Lena Knebl stammen die grünen Hexenpuppen Notburga und Walburga (2020), während in einer Videoinstallation (Neue Galerie) von Brice Dellsberger Menschen in Aerobic-Kostümen tanzen. Wenn es sich, muss man dazu wissen, bei Body Double 36 (2019) auch um eine Reprise auf James Bridges‘ Filmromanze Perfect (1985) handelt, führen solche Werke bei Sachverständigen wohl in die Frage Why?, die im Kontext einer Ausstellungsbesprechung zu ERNSTHAFT?! freilich übersetzt werden muss: Warum?!
Hingegen finden sich aber auch Exponate, denen man, augenzwinkernd, etwas wie Vernunft, wenn nicht Sinn attestieren darf. Da steht beispielsweise Sigmar Polkes (1941 – 2010) Apparat, mit dem eine Kartoffel eine andere umkreisen kann (1969). In den erläuternden Papieren zur Ausstellung erfährt man dazu leider nur Folgendes: … – …
Bemüßigte mögen sich vielleicht an das Maschinenbuch – hier nochmals empfohlen (siehe: Wolkenschaufler_56, https://gat.news/node/256686) – von Gottfried Hattinger halten, in dem der Autor von der „Kartoffelmaschine“ erzählt. Ein „sarkastischer Kommentar zur kinetischen Kunst seiner Zeit“ sei Polkes Arbeit, die „oftmals viel Aufwand betreibt, um nicht mehr zu erreichen, als das Kreisen eines Objektes um ein anderes“. Polke schenkte die Maschine seinem in finanzielle Schwierigkeiten geratenen Freund Klaus Staeck. Der wollte sie als Multiple um jeweils 290 DM verkaufen. Allein, das Kunstwerk erwies sich als Ladenhüter. 2009 dann wurde aber ein Exemplar, schreibt Hattinger, um 74.000 Euro im Auktionshaus Lempertz ersteigert (die Nachschau auf Lempertz‘ Website ergibt 88.000 Euro).
Im Eingangsbereich der Neuen Galerie leitet ein großformatiger Offsetdruck des Turner-Preisträgers Jeremy Deller in das Kapitel MODERNES MUSEUM. Vor einer fragmentierten Flagge des Vereinigten Königreichs ist der Schriftzug Welcome to the Shitshow! zu lesen. „Enthusiastische Peinlichkeit“, schreiben die Kuratoren in ihrer Einleitung zur Schau, „ist zweifellos mit einer Vorstellung von humorvoller Unbeschwertheit verbunden – aber ebenso sehr mit einem Gefühl von ernsthafter Beharrlichkeit, allen Widrigkeiten zum Trotz. Sie ist sicherlich mit Ironie verbunden – aber auch mit einem zutiefst unironischen, eben enthusiastischen Glauben an die Notwendigkeit und Möglichkeit, etwas, das als unangenehm oder peinlich erkannt wurde, durchzuhalten und fortzusetzen“.
Nach der Ironie gilt es in dieser Ausstellung zu suchen. Hanebüchenes aber wird leicht zu finden sein.
Erkenntnis
Erst eine spannende Rezension macht eine noch nicht gesehene Ausstellung interessant.