Für die Errichtung zuständig zeichnet das Wiener Integrationskonferenz – Vernetzungsbüro. Ein durchaus nobler Gedanke: einen Baum zu pflanzen, als symbolische Anerkennung der Leistungen zahlreicher Migrantinnen und Migranten für unsere Gesellschaft. Ein „Anerkennungsbaum“, der mit seinem Wachstum auch die steigende Zahl und wachsende Bedeutung der Migrantinnen und Migranten in unserem Land versinnbildlicht. Ein Baum stellt durch seine Verwurzelung mit dem Boden einen Bezug zu jenen Personen her, die in unserem Land ihre neue Heimat sehen, die hier ihre neuen Wurzeln schlagen.
Allein der Ort und die Art der Präsentation ist alles andere als überzeugend. Eingelassen in die erdige Rasenfläche wird schon die Lesbarkeit durch starke Verunreinigung erschwert. Und die straßenseitige Positionierung scheint förmlich danach zu rufen, doch bitte übersehen zu werden. Neben der Tafel steht ein sehr zarter Baum, wohl im Herbst 2006 gepflanzt, wie uns weitere Zeilen wissen lassen: „Gepflanzt von Stadträtin Mag. Sonja Wehsely und dem Obmann des WIK Mag. Alexis Nshimyimana Neuberg, am 25. Oktober 2006“. *)
Warum an dieser unscheinbaren und fast unsichtbaren Stelle eine Plakette installiert wurde, die durchaus große Aufmerksamkeit verdienen würde, bleibt ein Rätsel. Was aber noch mehr verwundert, letztlich verstört, ist die folgende abschließende, in Klammer gesetzte und etwas abgerückt vermerkte Notiz: (Hier stand bis Ende August 2005 der letzte überlebende Baum der Erstbepflanzung der Ringstraße von ca. 1860.)
Der letzte Zeitzeuge aus der Entstehungszeit der Wiener Ringstraße hätte jedenfalls eine bedeutungsvollere zum Beispiel visuelle Erinnerung redlich verdient und hätte uns bewusst gemacht, welche Dimensionen hundertjährige Bäume zu erreichen vermögen.
Für die Erstbepflanzung entlang der Wiener Ringstraße hatte man einst den Götterbaum (Ailanthus altissima) gewählt. Ursprünglich aus China und Korea stammend, war er erst um 1850 nach Österreich gelangt. Auch Götterbaum ist also, wenn man so will, ein Zuwanderer. Ob diese symbolische Qualität 2006 seine Wahl als Anerkennungsbaum beeinflusst haben mag?
Wenn wir uns schon gegen alle Ressentiments in Sachen Migration und Fremdenhass engagieren und eine wohlverdiente, wichtige Würdigung der in unserem Land lebenden Migrantinnen und Migranten vornehmen wollen, dann hätte diese ein gut sichtbares Zeichen verdient. Die gute Intention verkommt zur verschenkten Chance, in den Köpfen der Menschen etwas bewegen zu können. Auch angesichts der fortschreitenden Klimawende wäre die Sichtbarmachung eines historischen Baumes (über den man – auch über den Grund seines Dahinscheidens – gerne mehr erfahren würde) eine durchaus lohnende Aufgabe gewesen und ein willkommenes Vehikel, um unser Bewusstsein in zweierlei Hinsicht zu schärfen: unsere Auseinandersetzung mit Migrantinnen und Migranten ebenso wie mit unserer Geschichte.
Mit dieser Gedenktafel hat man beide Anliegen in den Sand gesetzt. Einfach zu vergessen.
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Die frühere Stadträtin heißt…
Die frühere Stadträtin heißt Wehsely, was auch auf der schlecht positionierten Gedenktafel (und auf der Abbildung) deutlich zu lesen ist. Genauigkeit, zu vergessen?