16/01/2024

Die Grazer Arkadenhöfe sind berühmt. Peter Laukhardt spürt einzelnen in ihrer Geschichte und Bedeutung nach. In Teil 1 lädt er in die Sackstraße ein und zeigt, was es hinter den Hausfassaden zu entdecken gibt.

Die Kolumne Schau doch! von Peter Laukhardt zu unersetzlichen, schützenswerten Bauten im Grazer Stadtraum erscheint regelmäßig am 3. Dienstag im Monat auf GAT.

16/01/2024

Bild 1: Arkaden Sackstraße, Grundlage Baualterplan von Eduard Andorfer

Bild 2: Kaiser-Franz-Josef-Kai 52, Arkadenhof, 2024

©: Peter Laukhardt

Bild 3: Säulenschema

Bild 4: Kaiser-Franz-Josef-Kai 34, 2024

©: Peter Laukhardt

Bild 5: Sackstraße 30, Arkaden in der Vorhalle, 2024

©: Peter Laukhardt

Bild 6: Sackstraße 26, Hoffassade, 2024

©: Peter Laukhardt

Bild 7: Sackstraße 26, Stiegenaufgang, 2024

©: Peter Laukhardt

Bild 8: Sackstraße 17, Palais Attems, 2024

©: Peter Laukhardt

Bild 9: Sackstraße 16, Ehrenhof, 2024

©: Peter Laukhardt

Bild 10: Sackstraße 14, Uhrturmblick, 2024

©: Peter Laukhardt

Bild 11: Sackstraße 12, Arkaden in der Durchfahrt, 2024

©: Peter Laukhardt

Bild 12: Sackstraße 12 Mueßhaus, 2024

©: Peter Laukhardt

Bild 13: Sackstraße 10, Hofarkaden 2, 2024

©: Peter Laukhardt

Bei vielen Führungen habe ich gern behauptet, die Stadt Graz könne auf über fünfzig Arkadenhöfe stolz sein. Im Zuge meiner Recherche für diese Kolumne zu den Durchgängen der Grazer Altstadt bin ich immer wieder auf solche Kleinode der Baukunst gestoßen, die es meiner Ansicht nach in dieser Dichte kaum anderswo gibt. Wie sehr Graz das Prädikat „Weltkulturerbe“ verdient hat, zeigt sich hier eindrucksvoll. Wir müssen den Hauseigentümern und dem Denkmalamt für die Erhaltung dieser architektonischen Schmuckstücke dankbar sein.

Als Vorarbeit für diese Folge habe ich eine Tabelle aller verfügbaren Daten erarbeitet. Als Grundlage diente mir zunächst der 1969 erstellte Baualterplan von Eduard Andorfer, dann die 1981 geschriebene Doktorarbeit von Antonia Boswell, schließlich die umfassende Österreichische Kunsttopographie, Band LIII, von Wiltraud Resch aus 1997. Die seit meiner Jugend gepflogenen Erkundungen und Forschungen haben dazu auch bisher nicht erkannte Arkaden ans Licht gefördert. Das Ergebnis hat mich überrascht und wird Sie wundern.

Arkaden sind aneinander gereihte Bögen (lat. arcus, Bogen), die auf Pfeilern oder Säulen ruhen. Ihr Ursprung liegt in der Antike. Wir kennen sie einerseits schon in der Gotik als Arkadengänge in den Erdgeschossen von Straßenfronten, die aus den Lauben des Mittelalters entstanden sind wie z. B. bei den beiden Luegg-Häusern am Hauptplatz und bei den ehemaligen Fleischbänken im „Kälbernen Viertel“. Unter ihren Bögen haben die Kaufleute ihre Waren geschützt angeboten; am Beginn der Grazer Herrengasse waren das beispielsweise die „Tuchlauben“. Aber auch die Enge der mittelalterlichen Gassen konnte besser genutzt werden, wenn die Wohnräume über diese gedeckten „Gehsteige“ hinausgebaut werden konnten (dem gleichen Zweck dienten auch Kragsteine).

Andere Funktionen hatten die meist vor die langgestreckten Hofgebäude gebauten Arkadengänge; sie führten zum Begriff Arkadenhöfe. Weniger betuchte Bürger mussten sich mit „Laubengängen“ aus Holz begnügen, die man später „Pawlatschen“ nennen wird; heute spricht man von Erschließungsgängen, um damit lange Innenkorridore einzusparen. In gewisser Weise stellen diese offenen Gänge neue, bequemere Möglichkeiten des Wohnens dar: Man musste nicht mehr andere Räume durchqueren, um an einen dahinter liegenden zu gelangen. König Ferdinand I. gab 1528 einen Erlass heraus, der befahl, hölzerne Galerien wegen Feuer- und Wettergefahr durch steinerne zu ersetzen. Dieser Vorschrift entsprachen bald danach italienische Baumeister, die ab 1543 an der Festung Graz arbeiteten. Wo in Graz der erste Arkadengang gebaut wurde, wird in dieser Folge aber noch nicht verraten.

Nun will ich meine Leser in die Wunderwelt des Grazer Bauerbes entführen, die sich einem nur erschließt, wenn man hinter die Hausfassaden gelangt. Aus dieser Erkenntnis ist ja auch die Vision „Altstadt-Labyrinth“ entstanden (siehe Schau doch 37). Wir erforschen zuerst den Norden der Altstadt, entlang der Sackstraße, auch wenn sie nach dem Abbruch der murseitigen Häuser um 1900 dort einen anderen Namen bekam.

Der malerische nördliche „Sack“ zwischen dem zweiten und dritten Sacktor hat um 1900 seine westliche Zeile mit rund 20 Altbauten (!) verloren und wurde in Schloßberg-Kai, später Kaiser-Franz-Josef-Kai, umbenannt. Einer der Gründe für diesen aus heutiger Sicht barbarischen Akt war die geplante Anlage einer Straßenbahn-Linie. Vom Schloßbergfelsen beengt, musste die alte Gasse hier über einen beachtlichen Buckel steigen, während die regulierte Kaistraße weiter unten eben dahinführt

 

1) Kaiser-Franz-Josef Kai 52

Auch dieses schon 1596 im Hofquartierbuch genannte Haus musste sich dem Berghang anpassen. Das über einige Stufen erreichbare schöne Portal mit seinem barocken Beschlag lädt zwar wie gewohnt zu einem Besuch ein. Aber der Innenhof liegt nicht im Erdgeschoss, sondern – wie in keinem anderen Grazer Beispiel – im 1. Stock. Die zweibögige Arkade an der Südseite des Hofes wird von einem Pfeiler mit einem groben Sockel und einfachem würfeligen Kapitell getragen, im zweiten Stock bilden fünf toskanische Säulen vier Bögen (Bild 2); den Gang überdeckt ein Kreuzgratgewölbe. Eine barocke Steinvase ziert die Brüstung.

Was sind nun „toskanische“ Säulen, denen wir in den allermeisten Grazer Arkaden begegnen werden? Eigentlich sind damit Formen „in toskanischer Ordnung“ gemeint. Während die seltenen „ionischen Kapitelle“ (richtig eigentlich „ionisierend“, weil antike Formen nachahmend), die wir weiter unten sehen werden, durch Voluten erkennbar sind, fehlen solche bei den ab 1560 bei uns vorherrschenden toskanischen Säulen (Säulenschema in Bild 3).

Zu allen hier angeführten Bauten sind weitere Angaben und Fotos auf der Homepage www.grazerbe.at eingearbeitet. Ausführlichere Details sind der Österr. Kunsttopographie zu entnehmen. 

 

2) Kaiser-Franz-Josef-Kai 34 (Hirt-Haus)

Auch dieses Haus wurde schon 1596 erwähnt. Es gehörte von 1902 bis 1918 dem Odilienverein, dann der Stadt Graz, seit 1948 ist hier die Knopferzeugung Hirt am Werken. Bild 4 zeigt die schönen zweigeschossigen Arkadengänge mit jeweils 6 Säulen „toskanischer Ordnung“ aus dem 2. bis 3. Viertel des 17. Jh.; die Gänge dahinter haben Kreuzgratgewölbe. In der Werkstatt im überdachten Erdgeschoss hat sich der Rest eines Bogens erhalten. Die Arkaden sind nur nach Genehmigung des Hausbesitzers zugänglich.

 

3) Sackstraße 28, 30                                             

Die vor rund 20 Jahren eingeleitete Sanierung des herabgekommenen Gebäudes (im Kern zwei Häuser des 16. Jh.) hat zwar mit einer hässlichen Betonstiege den Innenhof höchst unpassend verändert, dafür aber die Freistellung von drei toskanischen Säulen an der Südseite der Vorhalle gebracht (Bild 5). Die äußerste davon ist noch teilweise eingemauert.

 

4) Sackstraße 26 (Zanderhof)

Der Innenhof dieses in Teilen noch aus dem 16. Jh. stammenden Haus gehört zu den interessantesten und ist einer der gepflegtesten der Altstadt. Er ist durch einzelne schöne Bauteile wie Brunnen, Fenster mit Steckgitter, Pawlatschengängen, Treppenhäusern und Felsenkellern, besonders aber durch schöne Arkaden ausgezeichnet.

Das Vorderhaus schließt zum langen Innenhof im Erdgeschoss mit zwei flachen Bögen ab, die von einer Säule aus der Frührenaissance mit abgeschrägtem Würfelkapitell (1520/30) getragen werden (Bild 6). Der Stiegenaufgang im östlichen Teil des Südtrakts wird in den beiden Obergeschossen durch Arkaden mit sechs toskanischen Säulen aus 1625-1650 geöffnet (Bild 7).  

 

5) Sackstraße 17 (Palais Attems, Steirischer Herbst u.a.)

Ab 1702 wurde an der Nordost-Ecke der Stadt das Palais erbaut; dafür mussten das 1. Sacktor und die Stadtmauer westlich davon abgebrochen werden. An der Nord- und Ostseite des Hofes weist das Erdgeschoss Arkaden mit neun Pfeilern auf (Bild 8).

 

6) Sackstraße 16 (Palais Herberstein, Museum für Geschichte)

Nach 1637 errichteten die Eggenberger ihr Stadtpalais durch Zusammenfassung dreier Bürgerhäuser, die in den Hofflügeln noch nachvollziehbar sind. Nach 1754 wurden von Joseph Hueber im „Ehrenhof“ des Erdgeschosses an allen Seiten spätbarocke Arkaden aus insgesamt 20 Pfeilern erbaut (Bild 9); neun der Bögen blieben offen.

 

7) Sackstraße 14 (Kellerspergisches Stadthaus)

Um 1730 durch Umbau aus zwei Häusern des 15. und 16. Jh. entstanden. An der West-Fassade des Hinterhauses wurden um 1650 Arkaden angebaut, im Erdgeschoss Pfeiler, in den beiden Obergeschossen je drei toskanische Säulen (Bild 10). Im rechts vom Haarstudio liegenden, überdachten Innenhofes ist eine teilweise vermauerte Säule sichtbar, die vielleicht auch zu einer Arkade gehörte.

 

8) Sackstraße 12 (Durchfahrt)

Den wohl interessantesten bürgerlichen Baukomplex von Graz haben wir schon in der letzten Kolumne kurz beschrieben. Im Durchgangstrakt fallen uns links die zweigeschossigen Renaissance-Arkaden mit ihren 16 toskanischen Säulen vom Ende des 16. Jhs auf (Bild 11).

 

9) Sackstraße 12 (Krebsenkeller-Hof)

Nach der Durchfahrt und einem überdachten Zwischenraum öffnet sich uns der Krebsenkeller-Hof – mit dem Blick auf den Uhrturm wohl ein Glanzpunkt der Grazer Altstadt. Hier zeigt sich der Übergang von der Spätgotik zur Renaissance. Der älteste Bauteil ist der 1538/39 erbaute schloßbergseitige Ostflügel. Der eindrucksvollste Blick ergibt sich aus dem dortigen zeitgleichen „Mueßhaus“ in den Säulenhof (Bild 12). Wir finden hier gedrungene Säulen mit Eckblatt-Kapitellen (über der Einfahrt), Säulen mit ionischen Kapitellen (gedrungene in der Einfahrtshalle, schlankere über dem Aufgang in das Mueßhaus) und auch toskanische Säulen. Bei der Einordnung könnte Bild 3 Hilfestellung bieten.

 

10) Sackstraße 10 (Bierjackel-Hof)

Der Gebäudekomplex stammt im Kern aus dem Ende des 15., Anfang des 16. Jh. 1598 ist ein Streit des Brauers Hans Gräsl (die Brauerei lag dort, wo heute der ATG seine Halle hat) mit seinem Nachbarn Siegmund Kleindienst in der Sackstraße 12 überliefert. Die zweigeschossigen Arkaden des nördlichen Flügels mit ihren gedrungenen Säulen sind Ende des 16. Jh. entstanden und wurden zusammen mit den interessanten Sgraffiti bei den Restaurierungen im Jahre 1994 wieder freigelegt (Bild 13). Es sind 7 Säulen im ersten und 8 Säulen im zweiten Obergeschoss, je eine weitere Säule reicht in das Stiegenhaus im Westtrakt hinüber. Sehenswert sind auch die Überhänge mit den Kragsteinen im Erdgeschoss. Das letzte Gewölbe könnte einmal eine Verbindung zum Krebsenkeller-Hof ermöglicht haben, die Vision „Altstadt-Labyrinth“ könnte sie wieder herstellen.

Fortsetzung folgt!

Astrid Kohlfürst

Lieber Peter Laukhardt, einfach wunderbar, ich habe nicht nur in der Bürgergasse, wie Ihnen zu den vorhergegangenen Berichten zu den Höfen bereits geschrieben, sondern auch einmal in der Sackstraße gewohnt! Meine Großmutter hatte dort auch einmal sogar ein Haus. Ich kenne ALLE Arkadenhöfe, habe mir Ihren Bericht abgespeichert (wie auch alle vorangegangenen über die Altstadt), schaut man sich immer wieder gerne an oder zeigt es auch Freunden, besser alles festhalten, bevor es irgendwie verschwindet.....
Ich danke für Ihre Arbeit und grüße Sie herzlich, Astrid

Mo. 22/01/2024 16:27 Permalink
Wolfgang Brandner

Es ist einfach eine Freude, diese schönen Details aus meiner unmittelbaren Nachbarschaft zu sehen.
Vielen Dank für die Mühe und die tolle Arbeit.
Vom Grazer Hauptplatz
Wolfgang Brandner

Mi. 17/01/2024 13:49 Permalink
Helga Gaster

Vielen Dank, Herr Laukhardt - für all das, was Sie an das Licht holen und uns teilhaben lassen!

Mi. 17/01/2024 11:56 Permalink
Gertraud Prügger

Ich bin begeistert - danke für diese ausführliche Schilderung, aber vor allem für diese ehrenamtliche und profunde Recherche.
Das schau ich mir an.

Di. 16/01/2024 18:28 Permalink
Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
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