ur3anize! 2012 - Stadt selber machen rückt die Diskussion der Forderungen nach Mit- und Selbstbestimmung im urbanen Lebensraum ins Zentrum: Von 5. bis 14. Oktober erkundet das Festival Potenziale selbstbestimmter Stadtnutzung mit Vorträgen, Präsentationen und Diskussionen, Workshops, Stadtspaziergängen, künstlerischen Interventionen, Spotlight-Lectures, Bar- und Kamingesprächen, Performances, Ausstellungen, Literatur und Film. ur3anize! holt historisches und aktuelles Wissen ins Rampenlicht, diskutiert Chancen und Grenzen partizipativer Stadt(-planungs)politik und erforscht neue Möglichkeiten städtischer Beteiligungs- und Aneignungsformen. 10 Tage lang eröffnet das Festival einen Raum für AkteurInnen aus Wissenschaft und Kunst, BesucherInnen und AktivistInnen, um sich gegenseitig schlau zu machen und Handlungsoptionen auf dem Weg zu einer aktiven Stadtgesellschaft zu erkunden.
Die Top-Down-Verwaltung und Planung der funktionalistischen, fordistischen Stadt in der Nachkriegszeit sah sich spätestens in den 1960er-Jahren einer Kritik ausgesetzt, die als Beginn einer Bewegung bezeichnet werden kann. Als Meilenstein für den Beginn von Aufbegehren und Einmischung in städtische Planungsfragen gilt dabei Jane Jacobs einflussreiches Werk The Death and Life of Great American Cities.
Aktivitäten gegen Kahlschlagsanierungen, Stadtautobahnen und der Kampf um selbstverwaltete Räume prägten in den folgenden Jahren Initiativen, die sich für mehr Gestaltungsfreiheit und Mitspracherecht in der Stadtplanung und ihrem persönlichen urbanen Lebensraum einsetzten. Die Stadtverwaltungen reagierten darauf mit der Ermöglichung neuer Formen von BürgerInnenbeteiligung und Mitsprache. Dezentrale Institutionen wurden etabliert, die sowohl als Anlaufstellen für BürgerInnen dienen sollten, als auch die Aufgabe hatten, sozial-räumliche Problemlagen zu identifizieren. Die problematischen Aspekte dieser Art der BürgerInnenbeteiligungen wurden aber bald offensichtlich: Partizipation diente bei vielen Projekten nur als Feigenblatt zur Beruhigung; BürgerInnenbeteiligung sprach meist nur ein ganz bestimmtes Spektrum an StadtbewohnerInnen an und ermöglichte nur wenigen eine tatsächliche Teilnahme.
Viele Schlagworte begleiten seither die demokratiepolitische Debatte, die von der einfachen Forderung nach mehr Information über städtische Projekte bis zur Infragestellung der Legitimität offizieller städtischer Maßnahmen, der Ablehnung der herrschenden Wirtschaftsordnung und dem Bestehen auf ein Recht auf Stadt reichen. Der urbane Raum, seit jeher Seismograph gesellschaftlicher Entwicklungen und Schieflagen, ist in den Mittelpunkt einer gesellschaftlichen Debatte gerückt, die in weiten Teilen der städtischen Gesellschaft stattfindet. Gerade in den letzten Jahren hat die Auseinandersetzung um städtische Räume einen deutlichen Aufschwung erfahren und neue Bündnisse, Konzepte und Widerstandsformen entstehen lassen. Zu Ende gedacht mündet die Forderung nach einem „Recht auf Stadt“, die Suche nach Möglichkeiten breiter Mitsprache und Selbstbestimmung von unten unweigerlich in der Frage nach neuen Formen des demokratischen Miteinanders.