Explodierte Brücke über dem Fluss Tisza, Szolnok (Ungarn) 1919, Fotograf unbekannt, Courtesy Historische Fotosammlung des Ungarischen Nationalmuseums, Budapest
Installation
Literaturhaus Graz, Elisabethstraße 30, 8010 Graz
Die Installation, die von Ekaterina Degot und David Riff in Zusammenarbeit mit Lívia Páldi konzipiert wurde, wirft einen künstlerisch-kuratorischen Blick auf die Fiktionen und Mythen, die Georg Lukács umgeben – den Philosophen und Literaturwissenschaftler, der die Metapher vom „Grand Hotel Abgrund“ prägte.
Lukács war selbst einer der berühmtesten Bewohner dieses imaginären Hotels und lieferte angeblich das Vorbild für den finsteren kommunistischen Jesuiten Naphta in Thomas Manns Roman Der Zauberberg (1924), der in einem Luxussanatorium in Davos spielt.
Auch andere Geschichten über Lukács’ Leistungen entwickelten ein Eigenleben. Welche Rolle spielte er in Ungarns kurzlebiger „Diktatur des Proletariats“ nach dem Ersten Weltkrieg? War er ein kaltblütiger Kommissar, der Menschenleben auf dem Gewissen hatte, wie antikommunistische Historiker heute behaupten? Wurde er nach seiner Emigration nach Moskau zu einer grauen Eminenz des Stalinismus, wie seine Gegner argwöhnten? Warum wandte er sich gegen die moderne Literatur und verteidigte den Realismus? Was bleibt von seinem Werk, nachdem das Lukács-Archiv, das in dessen ehemaliger Budapester Wohnung untergebracht war, von der derzeitigen rechtsnationalen Regierung Ungarns geschlossen wurde?
Modelle, ephemere Objekte und Zitate erinnern an die Mythen, die Lukács’ Leben umgeben, und decken spielerisch die Mechanismen ihrer Entstehung auf. Ausgehend von seiner lebenslangen Beschäftigung mit dem historischen Roman entwirft die Installation eine Figur, die Lukács sein könnte oder auch nicht, und macht sie zum Protagonisten einer spekulativen Erzählung über die Umbrüche des 20. Jahrhunderts.