Ob Comics ein Genre der Gattungen von Kunst sein können, soll hier eigentlich nicht zur Diskussion gestellt sein. Zu kompliziert, wenn semantische Überschneidungen bestehen, wenn allein Genre und Gattung oft synonym gebraucht werden, wenn die (künstlerische) Grafik fraglos der Kunst zugeordnet wird, eine technische Zeichnung dagegen auch Kunstwerk sein kann, wenn Comic kein Begriff in den klassischen Gattungen der Kunst ist, obwohl nach gereihte Bildfolgen in der antiken Vasenmalerei bekannt sind oder in Beth Alpha (einer Synagoge aus dem sechsten Jahrhundert) gefunden wurden oder auf dem Teppich von Bayeux als Erzählung in aufeinander folgenden Darstellungen bestehen und so weiter. Darüber hinaus wissen wir nicht, was Kunst ist, wenn auch das Statement einer Chefredakteurin (Monopol-Magazin) gewissermaßen anspruchsvoll klingt, sich aber meines Erachtens als redundant erweist: „Die Definition von Kunst liegt nicht in der Sache, sondern im System.“
Comics bezeichnete der US-Comicautor und Theoretiker Scott McCloud in seinem Standardwerk Understanding Comics 1993 als „sequenzielle Kunst“ – und damit als Kunst.
Der Comic-Autor Will Eisner prägte 1978 den Begriff Graphic Novel (illustrierter Roman), publizierte aber schon vor McCloud sein theoretisches Werk Comics & Sequential Art, 1985. Wer nun begriffsprägend an erster Stelle genannt sein sollte, wird hier auch nicht behandelt. Der französische Schriftsteller Francis Lacassin nannte den Comic in seinem Essay Pour un neuvième art: La bande dessinée von 1971 die „Neunte Kunst“, nach Fotografie (6), Film (7) und Fernsehen (8).
Die Kunsthalle Graz geht vergleichsweise pragmatischer vor, hält es ungefähr mit Marcel Duchamp und Timm Ulrichs und bestimmt: Was in der Kunsthalle Graz ausgestellt wird, ist Kunst! Basta. Dieser Haltung entsprechend lautet der Titel der rezenten Schau Die Kunst des Comic und man liefert auf der Homepage die leicht kryptisch anmutenden Definition: [Literatur & Bildende Kunst (~ Film) ∧ sequenzielle Kunst ∧ Bildgeschichten]
Nennen wir es nach Wilhelm Busch nun Bildergeschichten, mit denen die Kunsthalle Graz „Einblicke“ gibt „in die Kunstform und die neuesten Erkenntnisse aus dem weiten Forschungsfeld des Genres Comic am Beispiel steirischer ProtagonistInnen“.
Nach alphabetischer Reihenfolge ist da zunächst Bertram Könighofer, der zwischen 2017 und 2019 eine Adaption von Werner Schwabs posthum veröffentlichten Roman Joe McVie als Graphic Novel zeichnete. Während dieser Zeit fand aber auch die Wahl zur Bundespräsidentschaft statt und Könighofer erinnerte angesichts des FPÖ-Kandidaten mit einer horriblen Bildergeschichte an einen vormaligen Präsidenten. Großformatig ist Der Präsident inzwischen zu sehen und zu lesen. Könighofer hat schon als Kind die Figur Cowboy Jim erfunden. Seit einigen Jahren erscheinen immer neue Episoden um die Abenteuer des Cowboys, die meist im Saloon bei Bier enden. Zudem auch die Verbildlichung einer Kurzgeschichte von Ambrose Bierce (1899), die von Robotern erzählt, noch bevor Karel Čapek das Wort 1921 erstmals in Rossum’s Universal Robots verwendete.
Chris Scheuer, dem Doyen der steirischen Comic-Szene, ist im Kunsthaus Weiz gerade eine Ausstellung seines bisherigen Œuvres gewidmet. Scheuer veröffentlichte schon 1982 seinen ersten Comic in der Zeitschrift Schwermetall. Mit Rodolphe, einem der maßgeblichen französischen Comic-Autoren, arbeitete er 1984 für das Magazin Charlie Mensuel. 1984, im Jahr der ersten Preisvergabe, erhielt Chris Scheuer den Max-und-Moritz-Preis als bester deutschsprachiger Comic-Künstler. In der Kunsthalle Graz zu sehen sind Ausschnitte aus der dreiteiligen Album-Reihe Reiche Ernte nach Kurzgeschichten des Tiroler Autors Matthias Bauer. Und im Vorjahr hat Chris Scheuer den ersten Teil seiner Autobiografie veröffentlicht. Buch I handelt von den ersten 20 Jahren des Protagonisten SCH in Bild und Text und liegt signiert in der Kunsthalle auf.
Vinz Schwarzbauer, 1987 in Graz geboren, hat bildende Kunst in Wien und Hamburg studiert. Er ist Comiczeichner und Illustrator, hat für den Falter und den Standard gearbeitet beziehungsweise für das Wiener Burgtheater und das Residenztheater in München. Zwölf Jahre lang war er (Mit-) Herausgeber des Magazins für narrative Zeichnung, Franz the Lonely Austrionaut. Schwarzbauer ist aber auch Mitglied des Tischtennis-Kollektivs Herta & Hüne. In der Ausstellung werden Auszüge aus den immer weiter geführten Episoden um das Vereins- und Bewerbsleben gezeigt, die etwa in Wohnanlage Alterlaa vonstattengehen. Die erste Episode von HERTA & HÜNE leitet der Autor ein: „Alles, was ich über Tischtennis weiß, haben mir meine großen Vorbilder Herta und Hüne beigebracht. Zum ersten Mal traf ich die beiden im Stadtpark von Graz.“ Fiktion und Erlebnis greifen hier offenbar ineinander, wenn Schwarzbauer zur Eröffnung der Schau bestätigte, dass er tatsächlich Mitglied des TT-Kollektivs ist.
Ein anderes Kollektiv aus Graz nennt sich seit Vereinsgründung im Jahr 2000 Tonto Comics. Neben den Gründern Edda Strobl und Helmut Kaplan, beide Musiker und bildende Künstler, wird Tonto Comics inzwischen auch von Anja Korherr und Michael Jordan organisiert. Organisiert insofern, als Tonto sich in ihrem Mission-Statement als „Teil eines über Europa verstreuten Netzwerkes von Gruppen, die jeweils das Medium Comic als Fläche ihrer Auseinandersetzung gewählt haben“ beschreiben. Periodisch erscheinen unter dem Label Anthologien mit Beiträgen von ZeichnerInnen und AutorInnen aus ganz Europa.
Eine Institution der Branche ist auch der diplomierte Bühnenbildner Jörg Vogeltanz aus Graz. Ab 1993 begann er an Comics und Illustrationen zu arbeiten. Mit dem Autor Martin Wanko veröffentlichte er 1996 seine erste Bildergeschichte in der Kulturzeitschrift Sterz.
Augenzwinkernd, dennoch provokant, beschreibt er seine künstlerischen Anliegen: „Seit einiger Zeit interessiere ich mich für paranormale Phänomene, alternative Interpretationen der Realität und der Entwicklung utopischer Wege für die Herausforderungen, denen wir uns in diesem Jahrtausend stellen müssen.“ Vogeltanz stellt sich in der Kunsthalle Graz mit (Vor-)Studien zu Persönlichkeitsentwürfen. „Scribbles“ nannte er diese Blätter während der Eröffnung lapidar.