Friede, Freiheit und Demokratie sind keine Selbstverständlichkeiten und sollen gelernt werden. Dies setzte sich das Projekt Was will der Staat von der Schule? Bildungseinreichungen zwischen Faschismus und Demokratie zum Aufklärungsziel. Die Auseinandersetzung mit dem nationalsozialistischen Gedankengut soll Bewusstsein für das Zusammenspiel zwischen Schule, Gesellschaft und Politik und Wertschätzung und Dankbarkeit für das demokratische System schaffen. „Wie würde ich mich heute verhalten? Hätte ich den Mut gegen den Strom zu schwimmen?“ sind dabei zentrale Fragestellungen.
Am 7. Mai 2018 lud dazu Landtagspräsidentin Bettina Vollath im Rahmen der Initiative „Lebendige Erinnerungskultur in der Steiermark" zur Ausstellungseröffnung. Das Ausstellungsprojekt wurde finanziell von Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer und Bildungslandesrätin Ursula Lackner unterstützt. Anlass zur Beleuchtung dieser Thematik gab der sich am 5. Mai jährende Gedenktag gegen Gewalt und Rassismus im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus. An diesem Tag wurde im Jahr 1945 das Konzentrationslager Mauthausen in Oberösterreich von US-amerikanischen Truppen befreit. Zudem jährt sich 2018 die Beteiligung Österreichs am nationalsozialistischen Regime zum 80. Mal.
Im Rahmen des Schulprojekts Was will der Staat von der Schule? wurde die wechselwirkende Beziehung zwischen Staat und Schule, vor allem während der nationalsozialistischen Herrschaft, in den vergangenen Monaten von SchülerInnen acht steierischer Schulen diskutiert. Durch die Unterstützung und Begleitung von Lehrkräften wurde die Thematik anhand von Plakattafeln, die derzeit im Landhaushof gezeigt werden, erarbeitet.
Mehr als 150 SchülerInnen aus acht steirischen Schulen – HLW/FS Caritas, GIBS, BRP Kepler, BG/BRG Kirchengasse, BG/BRG Klusemann, BG/BORG Liebenau und BAfEP Hartberg – beleuchteten unterschiedliche Aspekte der Fragestellung was der Staat von der Schule wolle. Dabei wurde sowohl die Geschichte der eigenen Schule während der NS Zeit erforscht, als auch aktuell brisante Aspekte ideologischer Einflussnahme auf den Unterricht erarbeitet. So diskutierte das BG/BRG Klusemannstraße beispielsweise das Thema Menschenbilder in Systembrüchen. Die Jugendlichen des BRG Kepler beschäftigten sich mit der Schulgeschichte im Ständestaat und im Nationalsozialismus und das BAfEP Hartberg beleuchtete die Ideologische Erziehung und Militarisierung der Kinder und Jugendlichen. Die Jugendlichen wurden in diesem Projekt neben ihren Lehrkräften zusätzlich von ExpertInnen vom Centrum für Jüdische Studien, erinnern.at und dem Verein CLIO begleitet und unterstützt.
Die Schule ist ein zentraler Schlüsselbereich der Gesellschaft. Werte, Normen und Denkweisen werden vermittelt. Während des Nationalsozialismus war klar, was der Staat von der Schule wollte: Die Jugend wuchs mit einer menschenverachtenden Ideologie auf. Die „Rassenhygieniker“ hielten JüdInnen und psychisch, körperlich und geistig beeinträchtigte Menschen für minderwertig. Ein kollektivistisches Gedankengut, in welchem das Individuum kaum Wert besaß, wurde suggeriert. Die Jugendlichen sollten sich dem Regime und den gewünschten Geschlechterrollen widerspruchslos unterordnen. So wurden Frauen angehalten „arische“ Kinder zu gebären und jenen mit einer hohen Kinderanzahl wurden Mutterkreuze verliehen. Gleichzeitig wurden die Babys unmittelbar nach der Geburt für 24 Stunden von ihren Müttern getrennt. Junge Männer sollten den Staat als kampfbereite „Maschinen“ verteidigen. In diesem Sinne beruhte die Schwerpunktsetzung im Lehrplan auf den Leibesübungen. Die Schüler wurden auf den Einsatz für den Führer und das Volk vorbereitet. Der Unterricht wurde stets mit dem Hitlergruß eingeleitet. Die Germanisierungspolitik zog sich bis in die eingedeutschte Untersteiermark. Kritische Geister und als fremd kategorisierte PädagogInnen wurden aus der Lehrerschaft ausgegliedert und die Organisationen Hitlerjugend (HJ) und der Bund deutscher Mädchen (BDM) wurden gegründet. Es gab auch oppositionelle Jugendgruppen, wie die Swing-Jugend, die Edelweißpiraten und die Schlurfs. Sie kleideten sich amerikanisch, hatten lange Haare, sträubten sich gegen die vorgegebenen Geschlechterrollen, hörten Swingmusik, die von den Nazis als „Negermusik“ bezeichnet wurde und verteilten Flugblätter, in denen sie zum Widerstand ermutigten.
Zentrale Aufgabe der Schule heutzutage ist es, SchülerInnen hinsichtlich ihrer Reflexionsgabe zu fördern. Neben der Wissensvermittlung sind die Fähigkeiten Dinge zu hinterfragen, Zusammenhänge zu erkennen und Quellen kritisch zu beleuchten wesentlich. Obwohl sich das System von den nationalsozialistischen Ideologien klar distanziert und größtenteils gelöst hat, gibt es dennoch historisch-bedingte ambivalente Wurzeln. Aufgrund anderer Priorisierungen und Herausforderungen im Bildungssystem werden Freigeister, QuerdenkerInnen und Talente zu wenig geschätzt und kaum gefordert. Das Streben nach Höherem, die Entfaltung der Talente jedes und jeder Einzelnen und ein ganzheitliches Bewusstsein für gesellschaftliche Zusammenhänge verkümmern häufig im Schulalltag. Auch Anreize und Gegenleistungen für außerordentliche SchülerInnen sind wenig vorhanden. Im Rahmen einer kritischen Auseinandersetzung mit Systemen und deren Entwicklungen sollte dieses Projekt richtungsweisend sein.
Nach der Eröffnungsrede von Bettina Vollath und der Landtagsabgeordneten Sandra Holasek und Landesrätin Ursula Lackner folgte die Projektvorstellung durch Gerald Lamprecht vom Centrum für Jüdische Studien und Bettina Ramp vom Verein CLIO. Die Zeitzeugin Johanna Janko sprach über ihren Leitgedanken eines friedlichen Miteinanders und Schülerin Helene Bauer berichtete über die Einsichten, die sie aus der Geschichte gewinnen und für die Zukunft nützen könne. Abschließend ermutigte Robert Hinteregger die Jugend zu eigenständigem Denken und zur Selbstverantwortlichkeit. Musikalisch wurde die Eröffnungsfeier von den Grazer Keplerspatzen vom BG/BRG Kepler untermalt.