15/02/2024

Szalay nimmt mit diesem Text die Fäden wieder auf, die er – Lyriker wie Ausdauersportler – eine Zeit lang hat ruhen lassen. Er schreibt nun wieder, will in den nächsten Beiträgen den architektonischen Typus des Chalets aus einer anderen, erzählenden und zitierenden Perspektive betrachten. Eine seiner Fragen: Wie lässt es sich erklären, dass aus einer funktionalen, bäuerlichen Architektur, eine Architektur der Exklusivität wird?

15/02/2024
©: Ada Hauser

In einem Blick zurück, sehe ich, dass Zeit vergangen ist. Viel Zeit. Der letzte Text unter dem Titel Vom besseren Leben datiert noch aus einem anderen Jahr. Ende August 2023 habe ich über den Begriff des Erlebnis als essentiellem, als konstituierendem Begriff im Umgang mit und in der Präsentation der Alpen geschrieben. Es war ein Versuch, ein Versuchen, etwas zu benennen, das hier allgegenwärtig ist. Dazwischen liegt ein Herbst und der mittlerweile verschwindende Winter ­– ein Jänner der, folgt man dem Klimawandelwetterdienst Copernicus, als bislang wärmster seit Aufzeichnungsbeginn gilt. [1] 1,66 Grad höher als im vorindustriellen Referenzzeitraum lag die globale Durchschnittstemperatur im gerade erst zu Ende gegangenen Monat. Ich frage mich, wie von hier einen Faden wieder aufnehmen.

Word is thread and the thread is language.
Non-linear body.
A line associated to other lines. [2]

Zitiere ich die Künstlerin und Dichterin Cecilia Vicuña aus einem Online Dokument, weil ich ihre Publikation zwischen all meinen Büchern gerade nicht finde. Vor mittlerweile bald zehn Jahren bin ich auf sie gestoßen. In Chile geboren, sind es unter anderem ihre Textilarbeiten, an denen entlang sich ihre Praxis und Poetik formuliert. Literally. Quipus sind eine Zähl- und Erzählform der indigenen Bewohner:innen in den Anden Südamerikas. Informationen werden an Fäden entlanggeknüpft. Ein großer Teil von  Vicuñas' Arbeiten sind Quipus, oder Quipoems, wie sie es nennt, Texte auf Stoff, an Fäden entlang.

Um meinen eigenen Faden wieder aufzunehmen, weiterzuspinnen, will ich zurückgehen, bevor ich einen Schritt nach vorne mache. Vor einem Jahr habe ich versucht, vom Chalet zu erzählen. Es ist genau dort, wo ich wieder hinwill, wo ich weiter hinwill. Eine für den Herbst geplante Lecture, bringt mich intensiv in die Recherche zu einer Architektur, die eine Vielzahl jener Probleme abbildet, mit denen die Landschaften im Alpenraum konfrontiert sind. Es ist vor allem am Chalet, an dem sich die Bruchlinien zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in den Alpen offenbaren, zwischen dem, wie und woher etwas gewachsen ist, und wohin weiter. Wie es sich erklären lässt, dass aus einer funktionalen, bäuerlichen Architektur, eine Architektur der Exklusivität wird, für jene, die es sich leisten können. Romantische Kulisse, traumhafte Alleinlage, exklusive Ausstattung, Freiheit, Wellness, Abenteuer sind nur einige der Stichwörter, die sich in den unterschiedlichen Angeboten für Chalets finden lassen. Cala. Geschützter Ort, ist die präromanische Wurzel des Wortes. Immer wieder denke ich dabei an eine Zeile aus einem Gedichtband, der mich ebenso seit mehr als zehn Jahren begleitet. ich habe mir ihren körper dann einfach / umgebunden wie eine schürz [3] heißt es in einem Gedicht von Daniela Seel. Dieses Bild der Ummantelung ist es, das mich berührt, das mich weich werden lässt, das ich mit mir trage, wenn ich vom geschützten Ort lese. Hier also den Faden wieder aufnehmen. In den kommenden Wochen und mehr, will ich aus der Recherche zum Chalet erzählen, Stoff spinnen, weben und sehen, welches Bild sich am Ende ergibt.

 

_____Quellen:
[1] https://orf.at/stories/3348081/
[2] https://jacket2.org/commentary/cecilia-vicuña
[3] Daniela Seel. ich kann diese stelle nicht wiederfinden. Berlin: kookbooks 2011, S.

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