05/11/2020

Folge 7 der Serie

we want our street back – street back toys

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05/11/2020
©: Klammer | Steinegger

sub Urbane ent Täuschungen                    
Essay von Waltraud Sprung mit Lesung. Ein psychoanalytischer Blick auf die „Suburbia“ zwischen Erwartung und Enttäuschung.

Das Automobil als Liebesobjekt?    
Der Kulturwissenschaftler Hartmut Böhme hat diese unbewusste Verehrung des Automobils sogar in eine Nähe zum Fetischismus gebracht und deshalb durchaus Anlass für eine psychoanalytische Betrachtung gesehen. Die Kernaussage Böhmes lautet in diesem Zusammenhang (in Fetischismus und Kultur. Eine andere Theorie der Moderne, S. 57):

„Es gibt keine Dinge, die nur und allein Gebrauchsdinge wären“. Darin kommt die Fähigkeit der Menschen zur Sprache, Dinge über ihren rein funktionalen Wert hinaus mit Bedeutung aufzuladen. Für das Auto würde dies bedeuten, „...dass es niemals nur ein Auto, sondern stets auch das Medium von Ästhetik, Prestige, Emotionen, Leidenschaften, von sozialen Distinktionen und statuserzeugenden Ausstrahlungen ist, es ist Schmuck, Ich-Ausstattung, Requisit, Accessoire, Schutzraum, Waffe, Geliebte, Gefährte, kurz: eine semantisch höchst variable soziokulturelle Figuration“.

Die Mehrheit der Menschheit lebt in von Massenmedien geprägten Ichzuständen des Bedürfnisses nach einem materiellen Lebensglück mit Einfamilienhaus und Automobil, zugleich aber in der geradezu absurden metapsychologischen Sehnsucht nach sozialen Kontakten in urbanen, öffentlichen Räumen. Der Beweis für diese Behauptung ist im Erfolg der weltweiten Tourismusindustrie zu sehen, die diese Sehnsüchte nach Gemeinschaft in historischen Städten bedient und damit durch Überkommerzialisierung gefährdet. Dieses unbewusste Verschieben von Privatheit zu Öffentlichkeit spiegelt sich im Zustand unserer Städte. Die „Tyrannei der Intimität“, der „Verfall und Ende des öffentlichen Lebens“ nach R. Sennett ist in der „autogerechten Stadt“ auf die Spitze getrieben, ohne dass ihren Bewohnern der Verlust der sozialen Beziehungen bewusst ist. Stadtplanerische Versuche scheitern nicht selten an den metapsychologischen, beinahe libidinösen Beziehungen zum Automobil, das zu einem Mythos in einer rationalisierten Welt geworden ist.

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