08/11/2023

Unter dem Titel „Kragkuppelbauten. Ein internationales Architekturphänomen – auch in Wachauer Weingärten“ zeigt Renate Löbbecke im museumkrems eine Auswahl ihrer Fotografien von Kragkuppelbauten, die sie an verschiedenen Orten der Welt aufgenommen hat. 

08/11/2023

Ansicht der Ausstellung "Kragkuppelbauten. Ein internationales Architekturphänomen" von Renate Löbbecke, Museum Krems, 2023

©: Milena Dimitrova

Renate Löbbecke bereist seit über 30 Jahren Orte überall auf der Welt, an denen Kragkuppelbauten zu finden sind. Sie macht diese ausfindig, erforscht und dokumentiert sie und hat ihre fotografische Sammlung erstmals 2012 in einem Band im Verlag der Buchhandlung Walther König herausgegeben.

Im Vorwort zu dem Band beschreibt Horst Bredekamp Löbbeckes Arbeit zur Technik des Kragkuppelbaus als künstlerische „Erschließung eines Grundmotivs allen Bauens“. 

Das traditionelle Handwerk des Trockensteinmauern, Beispiele dafür sind auch in den Terrassen der Wachau zu finden, wurde 2021 in die Liste des immateriellen UNESCO-Kulturerbes gesetzt. Renate Löbbecke hat die Schutzhütten in der verwandten Bauweise des Kragkuppelbaus erforscht und solche Bauten bereits in Spanien, Frankreich, Kroatien oder auch Ägypten oder Oman fotografiert. Der Kragkuppelbau ist eine der Urformen des Bauens mit Steinen, ohne weitere Hilfsmittel, bei dem die Steine immer weiter nach innen überstehend zu einer Kuppel geschichtet werden. 

In die Wachau führte Löbbecke 2019 eine Empfehlung und auf Nachfragen bei den Weinbauern fand sie hier auch entlegene und überraschenderweise auch sehr alte, bis ins 16. Jahrhundert zurückgehende Weingartenhütten in Kragkuppelbauweise. Das 2022 bei Walther König erschienene Taschenbuch „Kragkuppeln in Wachauer Weingärten“ erschließt ihre Standorte und fungiert als Guide, um sie zu finden. 

Die ältesten Beispiele für Kragkuppelbauten gehen bis zu den Grabkammern im 5. Jahrhundert v. Ch. zurück. Jedoch erst vor 200 Jahren hatte die Bauweise eine Renaissance. Vor allem im landwirtschaftlichen Bereich, für den Bau von Schutzhütten, kam die Bauweise wieder in Verwendung. Man vermutet, dies könnte mit Holzknappheit einhergegangen sein, aber auch mit dem Bedarf an Schutzhütten an den immer entlegeneren erschlossenen Landwirtschaftsflächen, welche durch wachsende Bevölkerung und veränderte sozioökonomische Bedingungen notwendig wurden. Als Grund hinter dem weltweiten Vorkommen der Kragkuppelbauten wird vermutet, dass Landschaften, die reich an steinigem, für den Kragkuppelbau geeignetem Rohmaterial sind, die gleichen Grundbedingungen für deren Entstehung und Bau schufen. Für die Erschließung von neuen Landwirtschaftsflächen musste der Boden von Steinen freigeräumt werden und dieses nahe gelegene, vorgefundene Material wurde für Konstruktionen – Steinmauern, Terrassen und Schutzhütten sinnvoll genutzt. Oft waren die Steine auch die einzige Möglichkeit, mangels anderen Materials, sich eine Schutzhütte zu bauen. 

Bredekamp vergleicht die anonyme Bauweise mit der spontanen Architektur der heutigen Favelas der Städte Mittel- und Südamerikas und erwähnt in diesem Zusammenhang auch Bernard Rudofskys „Architecture without Architects“ (1964) sowie die Bemühungen der Stadtverwaltung in Rio de Janeiro, die wild errichteten Viertel in reguläre Stadtviertel umzuwandeln, zu stärken und zu erhalten. 

Die Technik des Kragkuppelbaus hat vielfältige Formen hervorgebracht, die nach Bredekamp einem „Kunstwollen“ unterliegen. Renate Löbbecke geht in ihrem Werk auf diese unterschiedlichen Ausformungen der Bauweise ein, beschreibt die Formen und unterteilt sie in Typen – etwa mit Sockel, Stufen, Ummantelung, Dach oder einer Fortsetzung der Kuppelform nach außen. 

Dafür, dass die Künstlerin ihre Arbeit als Erschließung, Dokumentation und Erforschung versteht, spricht auch die Präsentation ihrer Fotografien im museumkrems. Diese sind auf Tafeln gedruckt, auf einer Tafel auch mehrere Bauten gezeigt, Bilder und Texttafeln sind in Größe und Präsentation gleichwertig. Sie sind einer Präsentation in Buchform oder in einem Fotoalbum näher als einer Hängung in einer Galerie. Die Künstlerin zieht es vor, die Kragkuppelbauten als zu erforschende und zu dokumentierende Objekte zu präsentieren, denn einen Schwerpunkt auf den Kunstwerkcharakter ihrer Fotografien durch entsprechende Rahmung und Hängung in einem White-Cube zu legen. Die ästhetischen Qualitäten der Fotografien wird in der Präsentation nicht der Vorrang gegeben, da das Motiv einen anderen konzeptuellen Zugang und Präsentationsform verlangt.

museumkrems, 
Körnermarkt 14, täglich von 10:00-18:00 Uhr 
bis 15. November. 

Zur Ausstellung ist ein Buch im Verlag Walther König erschienen. 
 

Rainer Vogler

Hallo,
die Ausstellung ist lt. Autorin Renate ab 23. März 2024 im Museum der Stadt Krems wieder geöffnet. Ich bin derjenige, der mit 15 Trainern als Trockensteinmauernschule Österreich das Handwerk des Trockensteinmauerns weitergeben will, den Antrag UNESCO 2021 gestellt hat und auch jetzt bei der internationalen Einreichung (2023, Entscheidung der UNESCO Dez 24) beteiligt war.
Als Zusatz für alle Interessierten kann ich anbieten:
- auf www.agrovideos.at liegen Filme zum Trockensteinmauern, darunter eine Handwerks-Doku des SWR über den Bau einer Kragkuppeldach-Hütte in Deutschland. Damit kann man sich über die Entstehung sehr viel vorstellen, nicht aber über historische Bauten.
- Das Buch kann bei mir auch bestellt werden, unser Verein hat als Helfer und Vor-Ort-Organisator für die Autorin Renate Löbbecke einen Vorrat gekauft. (inkl. Versand 22,50).
- Foto kann ich ja hier beim Kommentar nicht hochladen von meinen eigenen Fotos. Aber: "Kragkuppel" googeln, da kommen genug Bilder. Etwas ganz Eindrucksvolles neben den bekannten Trulli sind z.B. die "Dragon houses" in Griechenland (bei Suche am besten mit corbelled dome oder stone roofs oder historical ergänzen, sonst kommen auch Baufirmen). Ein Foto einer alten Hütte
- Falls sich wer für Trockensteinmauern generell interessiert, kann ich gerne Kursprogramm zusenden, in der Steiermark sind 2024 zwei Kurse geplant.
lg Rainer Vogler
rainer.vogler@wbs-krems.at

Mo. 13/11/2023 17:24 Permalink
redaktion_gat.news

Antwort auf von Rainer Vogler

Lieber Herr Vogler, schicken Sie gerne eine Auswahl ihrer eignen Fotos an die Redaktion. Bitte nur solche, die auch frei urheberrechtlich verwendbar sind. Wir könnten den Text ergänzen. Bitte per wetransfer oder filedownload an redaktion@gat.st. Besten Dank.

Di. 14/11/2023 13:24 Permalink

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