21/01/2013
21/01/2013

Das Haus Graz bekommt wieder seinen Hausmeister. Die konstituierende Sitzung des Gemeinderates am 24. Jänner wird Siegfried Nagl für eine weitere Legislaturperiode zum Bürgermeister wählen. Die neue, nun um zwei Stadträte geschrumpfte Regierungsmannschaft ist auch aufgestellt, die Ressorts sind grundsätzlich verteilt.  Die nach dem Wahlergebnis hochgekommenen Befürchtungen, mit monatelangem, taktischem Geplänkel der Parteien und dem Menetekel neuerlicher Wahlen als Begleitung konfrontiert zu werden, sind  ausgestanden – vorerst.

Auch wenn sich ÖVP, SPÖ und FPÖ aus Vernunftgründen, wie alle Parteiobleute betonen, auf ein Arbeitsübereinkommen einigten – die KPÖ als zweitstärkste Kraft in Graz, aber auch die Grünen wollten dem, dieser Vereinbarung zugrunde liegenden Stabilitätspakt nicht restlos zustimmen. Diese Haltung mag einerseits als politisches Kalkül der beiden Parteien gewertet werden. Elke Kahr hat schon im Vorfeld der Verhandlungen die Bereitschaft der KPÖ zu einer Regierungsbeteiligung mit vielen Fragezeichen versehen. Grün und Schwarz hegen nach der gescheiterten Koalition auch nicht gerade tiefe partnerschaftliche Gefühle füreinander. Andererseits finden sich im Stabilitätspakt Positionen, die – nur äußerst vage formuliert – durchaus Unbehagen erzeugen.

Zwar sind alle Parteien beim roten Faden des Übereinkommens, der da wenig überraschend Sparen heißt, im Geiste vereint. Das hehre Ziel in der laufenden Regierungsperiode, einen Maximalschuldenstand von rund 1,3 Milliarden Euro nicht zu überschreiten, findet durchaus auch einen Konsens. Spätestens aber beim Maßnahmenpaket für die Bewältigung dieser Herausforderung mit politisch-kryptischen Formulierungen mancher Punkte, die für die Zukunft alles offen lassen, beginnen die Meinungen auseinanderzudriften. Als Position 15 soll das Subventionswesen der Stadt Graz evaluiert werden, Position 16 sieht neue Abgaben – „nach Möglichkeit und unter Betrachtung der sozialen Verträglichkeit“ – vor, Position 18 zieht weitere Ausgliederungen und den Verkauf von stadteigenen Liegenschaften und Unternehmensanteilen – „um die Budgetstabilität zu gewährleisten“ – in Betracht. Auch für die unter Position 8 – weiterhin –  anzudenkenden und gemeinsam zu prüfenden PPP-Modelle, also die gemeinsame Projektentwicklung von öffentlicher Hand und Privatinvestoren, müssten zuerst – schon allein aufgrund der Erfahrungen in der jüngeren Vergangenheit – neue transparentere Strukturen als bisher geschaffen werden, bevor überhaupt geplant werden darf.

Bei der Erwartung, dass ein jährlicher Bevölkerungszuwachs von 2000 Personen rund 240 Millionen Euro Mehreinnahmen bedeutet, stellt sich die Frage, ob dabei von natürlichem Zuzug die Rede sein kann oder ob eventuell Eingemeindungen diesen Effekt auslösen sollen. Jedenfalls wird man das Gefühl nicht ganz los, dass dieser Stabilitätspakt nur ein weiteres Papier ist, bisherige Marschrichtungen trotz des letzten Wahlergebnisses unbeirrt weiterzugehen.  So bleiben auch die Schlüsselressorts weiterhin fest auf ÖVP-Gebiet. Gerhard Rüsch übernimmt zu seinem bisherigen Bereich – Finanzen und Beteiligungen – die Wirtschafts- und Tourismusagenda der ausgeschiedenen Stadträtin Sonja Grabner.

Etwas pikant dagegen ist die nunmehrige Aufteilung im Baubereich. Während Stadtplanung und -entwicklung nach wie vor im Einflussbereich von Siegfried Nagl stehen, wandern Bau- und Anlagenbehörde durchaus überraschend zu Elke Kahr. Wie stark sie auf dieses, für sie völlig neue Ressort Einfluss nehmen kann und will, wird ein spannendes Thema für die nächste Zukunft.

Ab sofort ist Grün die Hoffnung für die Kultur. Lisa Rücker, in deren Zuständigkeitsbereich nun auch Gesundheit und wie bisher Umwelt fallen, muss sich nun an dem in den letzten Jahren am meisten herumgereichten Stiefkind von Graz beweisen.

Der Verkehr wandert neu zu Mario Eustacchio, der – was für manchen Aufschrei sorgte – auch der erste Sicherheits- und Kontrollmann der Stadt wird. Nun, wir werden sehen, die Ordnungswache ist ja schon von einem anderen erfunden worden.

Die politische Lage in Graz bleibt ohnehin weiter fragil. Die Irritation der ÖVP durch den Wahlsieg der Kommunisten, die deutliche Ablehnung Nagls gegenüber Elke Kahr als potentielle Vizebürgermeisterin sowie die generelle Indifferenz aller Parteien, wie sie miteinander umgehen sollen, tragen auch nicht zu einer Festigung des Vertrauens in unsere Volksvertreter bei. Eine echte Erneuerung hat (noch) nicht stattgefunden. Dafür sind wir wieder um einige Absichtserklärungen, Zitate und Slogans reicher. Wir warten mit angehaltenem Atem. 

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