07/08/2024

Wie verhält man sich, wenn man beschenkt wird? Welche Auswirkungen hat geschenkte Architektur und welche Beziehungen bestehen zwischen Schenkenden und Beschenkten? Diese Fragen stellen sich Forscher*innen, die Fallstudien aus vier Kontinenten im Architekturmuseum München zeigen: „Dazu gehören Berichte von humanitären Geschenken für Skopje, Nordmazedonien, das Schenken von Boden in Kumasi, Ghana, diplomatische Geschenke für Ulaanbaatar, Mongolei, sowie philanthropische Geschenke in East Palo Alto, Kalifornien, USA.“ 

Susanne Karr elaboriert diese Fragen der zweischneidigen Ambivalenz und lädt zu einem ersten Rundgang der Ausstellung ein: „Geschenke in gebauter Form wirken auf den ersten Blick wie großzügige Gaben edler Spender:innen. Häufig sind sie von wohlhabenden Privatpersonen, internationalen Organisationen oder Regierungen finanziert. Diese Institutionen oder Einzelpersonen teilen ihren Reichtum mit weniger Begüterten oder mit jenen, die von Umweltkatastrophen erschüttert wurden. Eigentlich ein löbliches Vorgehen. Aber sind solche Geschenke wirklich selbstlos? Was wird im Gegenzug erwartet? Und wie viel können die Beschenkten selbst mitreden, was Gestaltung und Zweckbindung des geschenkten Gebäudes betrifft?“

Die Ausstellung „The Gift“ im Architekturmuseum der TUM in der Pinakothek der Moderne läuft bis 8. September 2024, Eintritt frei. 

07/08/2024

Die vier Städte heute: Skopje, Kumasi, East Palo Alto und Ulaanbaatar (im UZS), Ausstellung „The Gift“, ©Architekturmuseum der TUM

Archivbilder der vier Städte: Skopje, Kumasi, East Palo Alto und Ulaanbaatar (im UZS), Ausstellung „The Gift“, ©Architekturmuseum der TUM

Die Uneindeutigkeit von Geschenken als echte Gabe einerseits beziehungsweise Handlungsauftrag andererseits wird auf den zweiten Blick deutlich. Denn die Zweckbestimmung gibt ja vor, was Priorität sein soll. Auch in Schenkungen spiegeln sich Hierarchien wider – allein schon finanziell. Im Fall von Schenkungen von Gebäuden – Bibliotheken, Schulen oder Theater beispielsweise – lässt sich auch ein kulturelles Dominanzgebaren nicht immer leugnen. Diejenigen, die mit ihren hervorragenden Architekt*innen an Orte gehen, um diesen beim (Wieder)Aufbau meist kultureller Infrastruktur zu helfen, geben gleichzeitig einen Modus vor, eine Art und Weise, wie bestimmte Gebäude auszusehen haben, wo sie am besten platziert sind und welcher Formensprache sie folgen.

Mit diesen Fragen setzt sich eine Ausstellung im Architekturmuseum der TU München derzeit auseinander, und sie regt eine weitgehende sozialkritische Diskussion an. Man möchte Geschichten über die wohltätige und gewalttätige Dynamik des Schenkens vermitteln, ohne zugleich die positiven Einflussmöglichkeiten zu verwerfen. In der Ausstellung werden Beispiele aus vier Kontinenten präsentiert. Es sind unterschiedliche Gebäudetypen: In Skopje/ Nordmazedonien wird die Universal Hall, ein öffentliches Kultur- und Veranstaltungszentrum gezeigt, in Kumasi/ Ghana handelt es sich um KNUST Universitätscampus in Kumasi, in Ulaanbaatar/ Mongolei geht es um Wohn- und Büroanlagen Microdistrict III und IV, in Palo Alto/Kalifornien ist es das Bloomhouse, ein partizipativer Community-Ort in East Palo. Durch Modelle, Pläne, Schautafeln, Luftaufnahmen und Interviews gewinnt man einen Eindruck von den Projekten.

Kultur- oder Wohnraum?

Die Universal Hall in Skopje von Vladimir Jaroslav, Ljubomir Stankov, and K. Stankova-Mutafova, fertiggestellt im Jahr 1965, wurde Landmark und Symbol für internationale Solidarität. Spenden aus 35 hauptsächlich asiatischen und afrikanischen Ländern ermöglichten nach dem verheerenden Erdbeben von 1963 die Errichtung. Die Universal Hall war das erste, starke Symbol für den Wiederaufbau und das erste Gebäude mit öffentlichem und kulturellem Charakter für die „Treffen der Solidarität”, Sport- und Kulturveranstaltungen.

Zahlreiche Diskussionen wurden geführt, ob die Gelder nicht besser für Wiedererrichtung von Wohnraum genutzt werden sollten. Doch die Argumentation folgte der Ansicht, es gäbe eine moralische und politische Verpflichtung der Stadt und ihrer Behörde, die sich auch nach den Wünschen der Geber:innen richten sollte. Eine weitere Frage war immer wieder, wer die Instandhaltungskosten tragen sollte – was im Laufe der Jahre zur stetigen Verschlechterung des Gebäudezustands führte. Intensive Renovierungsarbeiten im Zuge der Vorbereitungen von Skopje als Kulturhauptstadt 2028, wurden in diesem Jahr von einem Brand des Gebäudes unterbrochen. Die Universal Hall hat inzwischen einen hohen Stellenwert für die Öffentlichkeit, und es gab starken Widerstand gegen einen Neubau, obwohl einige Jahre lang Architektur aus der sozialistischen Epoche als ungeliebte Zeitzeugin abgerissen worden war. Der Wiederaufbau des Originalgebäudes hat begonnen.

Philanthro-Kapitalismus

Wie gestalten philantropische Sponsor:innen? Das Emerson Collective versteht sich als Social-Impact-Organisation und gestaltet unabhängig von staatlichen Geldern eigene Projekte. Man beschreibt die Initiativen als Kombination aus Philanthropie und gezielten Investitionen, die es ermöglichen sollen, eine Welt des Überflusses für zukünftige Generationen zu schaffen. Man möchte Veränderungen ermöglichen, besonders in Bezug auf soziale Fragen, rassistische Ausgrenzung und Umweltschutz. Das Projekt Bloomhouse in East Palo Alto im Silicon Valley kann als Paradebeispiel fungieren. Seit der Ansiedlung der Tech-Riesen wie Apple, Microsoft oder Meta sind die Preise für Wohnraum explodiert, während neue Arbeitsplätze entstanden. Nun möchte man Zugang zu erschwinglichem Wohnraum, inklusiven Jobangeboten und öffentlichen Verkehr ermöglichen. Die Unternehmen investieren in die Infrastruktur ihrer unmittelbaren Umgebung und gewinnen immer mehr Einfluss.

Hochhäuser statt Jurten

Auch aus einer anderen Perspektive stellt sich die Frage, wer die Gestaltungsmacht innehat. Am Beispiel der Stadt Ulaanbaatar wird deutlich, wie stark der Einfluss von Geldgebern sein kann. Früher war die Stadt nicht einmal an einem Ort fixiert, sondern eine wandernde Zeltstadt, als Sitz des buddhistischen Religionsoberhauptes. Erst 18. Jahrhundert wurde der Ort permanent festgelegt. Die Stadt bestand aus Jurtensiedlungen und Tempelbezirken. Seit der Gründung der Mongolischen Volksrepublik 1924 begannen große Veränderungen im Stadtbild, die Stadt wurde nach sowjetischem Vorbild modernisiert, was mit der Zerstörung alter Bausubstanz und der Jurtensiedlungen einherging. In der sozialistischen Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg hielten immer mehr Wohnblocks Einzug, meist finanziert von der Sowjetunion und China.

Geschenk für die Bildung

Eine der besten Universitäten des afrikanischen Kontinents ist auf geschenktem Land errichtet worden: KNUST, die Universität für Wissenschaft und Technik in Kumasi, Ghana. Die Stadt war 200 Jahre lang, bis 1896, die Hauptstadt des Königreichs Asante gewesen. König Prempeh I., der 13. König des Asante-Königreichs, regierte bis 1931 und kämpfte gegen die britischen Besatzer. Er hatte der Bevölkerung das Grundstück für die Errichtung einer Universität geschenkt. 1952 wurde seinem Willen gemäß die Universität errichtet, und nach der Unabhängigkeit von der britischen Kolonialmacht entwickelte sich Kumasi zum Bildungszentrum.

 

__________Bildbeschreibungen:

Die vier Städte heute: Oben links: Universal Hall in Skopje, N. Mazedonien, Foto: Mila Gavrilovska; Oben rechts: KNUST Universitätscampus in Kumasi, Ghana, Foto: Joe Cann; Unten links: Microdistrict III und IV in Ulaanbaatar, Mongolei; Unten rechts: Bloomhouse, Emerson Collective in East Palo Alto, CA, USA. Fotos © Architekturmuseum TUM
 
Archivbilder der vier Städte: Oben links: Universal Hall in Skopje, Nord-Mazedonien, 1964; Oben rechts: KNUST University Campus in Kumasi, Ghana, 1957; Unten links: Microdistrict III und IV in Ulaanbaatar, Mongolei, 1986; Unten rechts: Highway 101 in East Palo Alto, CA, USA, 1937. Fotos © Architekturmuseum TUM

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