31/05/2024

In der Rückschau auf die Veranstaltung „Eine Zukunft für unsere Gegenwart - Teil II“ im Haus der Architektur Graz steht außer Frage, dass gegenwärtig ein verantwortungsvoller Umgang mit Bauten des späten 20. Jahrhunderts unabdingbar ist. Im Zuge von vier Kurzvorträgen sowie einer anschließenden Diskussion unternahm Maik Novotny in der Moderatorenrolle den Versuch, Antworten auf die in der Ankündigung gestellte Frage „Wie sollten wir mit dem baukulturellen Erbe von Gebäuden des späten 20. Jahrhunderts umgehen?“ zu finden.

Diese Veranstaltungsreihe findet im Rahmen der Architekturtage statt.

 

31/05/2024

v.l.n.r.: Hans Gangoly, Eva Kuß, Tilwin Cede, Angelina Pötschner, Maik Novotny, ©The Schubidu Quartet

©: HDA – Haus der Architektur

Veranstaltungsreihe "Eine Zukunft für unsere Gegenwart", Beate Engelhorn, Leiterin HDA, ©The Schubidu Quartet

©: HDA – Haus der Architektur

Am 22. Mai 2024 fand im HDA die Diskussion „Eine Zukunft für unsere Gegenwart – Teil II“ statt, welche Teil der Architekturtage 2024 war. Die Kurzvorträge von Tilwin Cede, Hans Gangoly, Eva Kuß und Angelina Pötscher thematisierten den verantwortungsvollen Umgang mit Gebäuden des späten 20. Jahrhunderts. Dieser ist in Zeiten der Klimakrise, in denen von Umnutzung, verlängerter Lebenszyklen von Gebäuden sowie von grauer Energie gesprochen wird, unausweichlich.

Im ersten Vortrag präsentierte Eva Kuß (coabitare/Docomomo, Austria, Graz) das unter Denkmalschutz stehende Bundesschulzentrum in Wörgl als frühes Beispiel einer respektvollen Herangehensweise im Kontext von Schulsanierungen. Das Gebäude wurde zwischen 1970 und 1973 von Viktor Hufnagel als Hallenschule entworfen und zwischen 1998 und 2003 von Märkli und Kühnis saniert und erweitert. Im Rahmen der Sanierung wurden unter anderem Lösungen für bauphysikalische Probleme, aktuelle Vorgaben zum Brandschutz und Schallschutz entwickelt. Durch den verantwortungsvollen Umgang mit den Gebäuden haben diese nichts von ihrer Großzügigkeit und dem Gemeinschaftsgefühl verloren.

Auch das Bundesschulzentrum Feldbach, dessen Errichtung zwischen 1972 und 1980 durch das Team A Graz (Franz Cziharz, Dietrich Ecker, Herbert Missoni, Jörg Wallmüller) erfolgte, wurde von 2013 bis 2015 durch Zinterl Architekten ZT GmbH einer Sanierung und Erweiterung unterzogen. Im Rahmen der energetischen Erneuerungen wurde hier unter anderem ein kompletter Austausch der Fenster vorgenommen, was von Eva Kuß positiv oder negativ bewertet werden kann.

Im zweiten Vortrag stellte Tilwin Cede (riccione Architekten, Innsbruck) die Pädagogische Hochschule in Salzburg vor. Das aus den 1960er Jahren stammende Gebäudeensemble wurde 2020 im Auftrag der Bundesimmobiliengesellschaft saniert und erweitert. Für riccione Architekten war das Ensemble ein „schlüssiges Konzept“, weshalb sich die Entscheidung gegen einen Totalabriss und für Adaptierungen sowie die Ergänzung einer zentralen Halle durchsetzte. Das Büro wurde in Folge mit dem Bauherrenpreis 2022 ausgezeichnet. Die Zentralvereinigungen der Architekt:innen Österreichs sagt dazu: „Mit der Sanierung der Pädagogischen Hochschule zeigt die BIG vor, wie wir in Zukunft mit dem nicht immer hochgeschätzten baulichen Bestand aus den Nachkriegsjahren umgehen können. Und liefert zugleich ein wunderbares Praxisbeispiel für Kreislaufwirtschaft und sorgsamen Umgang mit Ressourcen.“ [1]

Angelina Pötschner (Stv. Leiterin des Landeskonservatorats Burgenland, BDA) widmete sich in ihrem Vortrag der Rolle und Sanierungsbedürftigkeit von Bauten aus dem späten 20. Jahrhunderts. Sie stellte exemplarisch das Kulturzentrum Mattersburg (Herwig Udo Graf, 1973-1976, Teilunterschutzstellung 2016), das Haus Dellacher (Raimund Abraham, 1965-1969, Unterschutzstellung 2008) und die Osterkirche in Oberwart (Günther Domenig und Eilfried Huth, 1966-1969, von Beginn an unter Denkmalschutz), das Kulturzentrum Güssing (Heinrich Wolfgang Gimbel, 1973-1977, seit 2021 unter Denkmalschutz) und das Hallenbad Neusiedl (Rüdiger Stelzer und Walter Hutter, 1974-1976, Teilunterschutzstellung seit 2019) vor. Denkmalpflegerische Herausforderungen, die sich in Bezug auf Schäden und Änderungswünsche an vergleichbaren Gebäuden stellen, werden seitens des Bundesdenkmalamtes stets in Abstimmung mit den Eigentümer:innen verantwortungsvoll gelöst.

Den Abschluss bildete der Vortrag von Hans Gangoly (Gangoly & Kristiner Architekten, Graz) über eine Studie zur Sanierbarkeit der heutigen Mittelschule in Weiz von Viktor Hufnagl. Das als Doppelhauptschule konzipierte Gebäudeensemble wurden in zwei Bauphasen zwischen 1964 und 1968 sowie zwischen 1976 und 1978 errichtet und steht aktuell größtenteils unter Denkmalschutz. [2] Die Mittelschule zeichnet sich insbesondere durch eine strenge Rasterung, freie und offene Grundrisse sowie eine großzügige zentrale Halle aus. Aufgrund der bauphysikalischen, thermischen und konstruktiven Probleme, mit denen die Schule vergleichbar mit anderen Gebäuden aus dieser Zeit zu kämpfen hat, entwickelte das Büro Gangoly & Kristiner Architekten im Rahmen der Studie unterschiedliche Lösungsansätze.

Im Anschluss an die Vorträge wurde eine Diskussion zwischen Tilwin Cede, Hans Gangoly, Eva Kuß und Angelina Pötschner unter der Moderation von Maik Novotny initiiert.

Maik Novotny leitete die Diskussion mit der Frage ein, was ein Best-Practice-Beispiel ausmacht. Tilwin Cede antwortete in Bezug auf die Pädagogische Hochschule in Salzburg, dass „es oft ein langer Weg bis dahin sei“. Gerade bei diesem Projekt habe der fehlende Denkmalschutz eine Entscheidung ermöglicht, die sich letztlich als richtig erwiesen hat. Für Angelina Pötschner spielt vor allem die Rolle des*der Bauherr*in und dessen*deren Zusammenarbeit mit dem Bundesdenkmalamt eine wichtige Rolle. Dies funktioniere mal besser, mal weniger gut.

Eva Kuß führt derzeit im Auftrag des Landeskonservatorats Steiermark des Bundesdenkmalamtes eine Bestandsanalyse von Gebäuden der Nachkriegsmoderne in der Steiermark durch. Dabei hat sie in letzter Zeit viele Gebäude besichtigt, von denen allerdings nur wenige saniert sind. Allen gemeinsam sind aber oft die Großzügigkeit und die handwerklichen Details, die heute aus Kostengründen kaum mehr bei Bauprojekten zu finden sind.

In Bezug auf den Umgang mit technischen Sanierungen sind laut Angelina Pötschner einerseits die Expert*innen, die Auseinandersetzung mit neuen Materialien sowie das Bundesdenkmalamt selbst gefordert. Hans Gangoly plädierte für das Potenzial der Nutzung von Bauten des späten 20. Jahrhunderts in Bezug auf Konstruktion und Fassade. Insbesondere die Schulbauten wiesen schon damals Qualitäten auf, die heute im Schulbau wieder zum Tragen kommen.

Ein wesentlicher Aspekt ist die Suche nach einer Antwort auf die Frage, wie abermals eine Verbindung zwischen den Begriffen Wertschätzung und Stolz in Bezug auf Bauten des späten 20. Jahrhunderts hergestellt werden kann. Denn ungeachtet der sehr intensiven Diskussionen um diese Bauten ist die Abrissquote laut Angelina Pötschner aktuell zu hoch. Als Beispiel nannte sie das ehemalige Landeskrankenhaus Oberwart, das nach den Plänen von Matthias Szauer und Gottfried Fickl von 1973 bis 1988, bzw. 1993 errichtet wurde. Die Tatsache, dass ein Gebäude nicht unter Denkmalschutz steht, impliziert nicht automatisch dessen Abriss.

Aber wie kann man sich nun sachlich mit der Kultur des Umbaus und Energiefragen auseinandersetzen? Müssten in diesem Zusammenhang Normen geändert oder spezielle Regelungen eingeführt werden? Die Diskussionsteilnehmer*innen sind sich einig, dass das österreichische Normenwesen für den Neubau, nicht jedoch für den Bestand geeignet ist. In diesem Kontext werden häufig Haftungsdiskussionen geführt, die letztlich entscheidend für den Bauprozess sein können. Speziell zum Material Beton wird derzeit viel geforscht. Angelina Pötschner zufolge sind diesbezüglich selbstverständlich Sanierungen möglich, allerdings bedürfen diese einer restauratorischen Begleitung. Eva Kuß weist zudem darauf hin, dass die Eigentümer*innen nicht den Anspruch erheben sollen, dass ein Gebäude nach einer Sanierung wie neu aussieht.

Auf die Frage, wie denn nun Baukultur vermittelt werden kann, könnte speziell für die Mittelschule in Weiz von Viktor Hufnagel die persönliche Identifikation mit dem Gebäude eine Möglichkeit sein. Seitens DOCOMOMO Austria ist eine Postkartenaktion mit Bauten der Nachkriegsmoderne angedacht.

Wenn wir nun über eine Zukunft für unsere Gegenwart sprechen, darf abschließend die Frage der Klimakrise und wie sie dabei helfen kann, nicht fehlen. Für Hans Gangoly kann sie definitiv helfen und ein Umdenken bewirken und führt laut Tilwin Cede und Eva Kuß zu Diskussionen auf verschiedenen Ebenen, vor allem im Hinblick auf den Denkmalschutz und die Qualitäten des Bestandes.

Hinweis:

Die erste Veranstaltung zum Thema „Eine Zukunft für unsere Gegenwart“ fand im April 2023 im Haus der Architektur statt. Der Fokus lag dabei auf Bauten der „Grazer Schule". 

[1] Zentralvereinigung der Architekt:innen Österreichs: Pädagogische Hochschule Salzburg. Preisträger BHP22, online zv-architekten.at/bauherrenpreis/bauherrenpreis-2022/paedagogische-hochschule-salzburg

[2] Ausgenommen sind der Turnsaal, das Schulwarthaus sowie die Hauptschule.



 



 



 

 

Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
GAT+