2012 wurde der 05.17.0 Bebauungsplan „Oeverseegasse – Lissagasse – Lazarettgasse im Anlassfall erstellt. Das Gebiet war damals als WA - Wohnen allgemein mit einer Maximaldichte von 1,4 gewidmet. Aufgrund von großem Protest der Anrainer*innen mit über 70 Einzeleinwendungen wurden die geplanten Hofeinbauten um zwei Geschosse reduziert und die Dichte von maximal 1,4 auf 1,25 reduziert.
Im Herbst 2018 änderte das Stadtplanungsamt den bis dato rechtswirksamen 05.17.0 Bebauungsplan „Oeverseegasse – Lissagasse – Lazarettgasse, mit der Begründung, „dass sich nach genauer Prüfung Widersprüche zwischen der Verordnung und dem Planwerk des rechtswirksamen Bebauungsplan ergeben haben. In dieser Bebauungsplan-Änderung werden diese Widersprüchlichkeiten bereinigt.“
Hier die wichtigsten zwei Änderungen:
ÄNDERUNG des §2 Bauweise des BEBAUUNGSPLANS 05.17.0
Ziel des Bebauungsplans ist es, wie die bestehenden Gebäude abbilden, an den Straßenzügen Oeverseegasse, Lissagasse und Lazarettgasse eine straßenbegleitende und geschlossene Bebauung errichten zu können. Im Eckbereich Lissagasse und Lazarettgasse (Gst.Nr. 174/7) und im Bereich Lazarettgasse 27a (Gst.Nr. 174/9 und 174/3) sind noch Entwicklungsmöglichkeiten vorhanden. Um diese Lücken zu schließen, ist die geschlossene Bauweise notwendig. Im Planwerk war die Möglichkeit der geschlossenen Bebauung immer eingetragen. Durch die Ergänzung der geschlossenen Bauweise in der Verordnung wird ein bis jetzt bestehender Widerspruch zwischen Planwerk und Verordnung des rechtswirksamen Bebauungsplanes ausgeräumt.
ÄNDERUNG des §7 PKW-Stellplätze des BEBAUUNGSPLANS 05.17.0
Der Paragraph der Verordnung wurde um einen Absatz ergänzt.
Bei einer Bauplatzgröße von weniger als 800 m² entfällt die Verpflichtung zur Herstellung von PKW-Stellplätzen gem. §89 (4) des Stmk. Baugesetzes.
Die beiden unbebauten Liegenschaften Eckbereich Lissagasse und Lazarettgasse (Gst.Nr. 174/7) und im Bereich Lazarettgasse 27a (Gst.Nr. 174/9 und 174/3) sind so klein, dass auf diesen Bauplätzen keine Tiefgarage errichtet werden kann.
Der einzige Widerspruch zur Erstversion war, dass die geschlossene Bebauung, obwohl diese die vorherrschende Bebauungsweise im Planungsgebiet ist, in der Verordnung nicht vorgesehen war. Im Stadtplanungsamt war man so sehr darum bemüht, das Anlassfall-Bauprojekt des Projektentwicklers Immola realisieren zu helfen, dass so ein „klitzekleiner Fehler“, der die gesamte vorhandene Bebauung nicht mehr absicherte, schon mal passieren kann!!! Nach sechs Jahren hat man den Widerspruch ganz plötzlich entdeckt.
Interessant an dieser Bebauungsplan-Änderung ist der zeitliche Zusammenhang mit einem fragwürdigen Bauvorhaben für das Grundstück mit Hausnummer 27a. Im Juni 2019 wurde ein Baubescheid für die Errichtung von 10 WE an dieser Adresse ausgestellt. Die Geschäftszahl des Bauakts stammt aus dem Jahre 2018! Projektentwickler war die Wohninvest, diese verkaufte an EIDOS Immobilien Development GmbH. EIDOS kam, laut Auskunft Wohninvest, in Turbulenzen (Mittlerweile ist sie in Konkurs). So habe Wohninvest das Projekt zurückgekauft. Ein Jahr später trat wi Immobilienvorsorge Jade GmbH & Co KG, eine Tochterfirma der Wohninvest als neuer Bauherr auf. Die Wohnungsanzahl war auf 14 WE erhöht worden. Die Baustelle kam jedoch nicht über die Herstellung der Bodenplatte hinaus. 2021 wurde sie eingestellt und die Baustelleneinrichtung entfernt.
Im Frühjahr 2023 reaktivierte Wohninvest das Bauvorhaben, jedoch mit nur 10 Wohnungen.
Dieses Projekt und seine Entstehungsgeschichte sind ein Skandal der Sonderklasse.
Ein Bebauungsplan wird so geändert, dass die Wohninvest auf einem ca. 170 m² winzigen Grundstück ein Bauherrenmodell mit 10 Anlegerwohnungen auf sechs Geschossen ohne Tiefgarage errichten kann. Nach Logik des Stadtplanungsamts ist damit natürlich auch eine Überschreitung des Bebauungsgrades von ursprünglich 0,6 und des Versiegelungsgrades von ursprünglich 50% in der besagten Änderung zu erlauben. Das Stadtplanungsamt begründet das im Erläuterungsbericht so:
„Die straßenbegleitende Bebauung im Bestand und die beiden Baulücken (Lazarettgasse 27a und das Eckgrundstück Lissagasse/Lazarettgasse) können diesen festgelegten Wert nicht einhalten.“
Nach dieser umwerfenden Begründung müssten viele Bebauungspläne, in denen sich auch Altbestände finden, abgeändert werden! Das ist letztlich schlecht versteckte Unterstützung von Investorengier.
Wie Fotos zeigen, ist das Grundstück nun zu 90 Prozent versiegelt. Wie sonst könnte die von der Stadtplanung festgestellte Entwicklungsmöglichkeit realisiert werden? Die von der Stadtplanung angestrebte geschlossene Verbauung für die Lücke 27a ist aufgrund der Gegebenheiten des nördlichen Bestandsgebäudes jedoch ausgeschlossen, denn dieses Gebäude steht nicht an der Grundgrenze und die relevante Fassade hat neun Fenster und eine Gartentür. Also ist hier die Abstandsregel laut §13 Baugesetz anzuwenden.
Was soll’s! Wohninvest darf mit Zustimmung der Behörde dennoch an der Grundgrenze mit 6-geschossiger Feuermauer seine 10 Kleinwohnungen bauen. Das Baugesetz wurde ignoriert, denn sonst wäre das „gierige Bauen“ auf diesem Minigrundstück gar nicht möglich. Wohninvest bezieht sich in seinem Projektfolder auch auf das Stadtentwicklungskonzept:
„Das Grazer Stadtentwicklungskonzept stellt die Verdichtung von Wohnraum in den Vordergrund. Mehr Wohneinheiten in Zentrumsnähe helfen, Grünraum und Lebensqualität zu erhalten, verkürzen Wege zu Arbeit und Studium und verringern das Verkehrsaufkommen.“
Wo wurde hier Grünraum und Lebensqualität erhalten? Früher stand hier ein eingeschossiger Kiosk mit fast 4 m Abstand zur nördlichen Grundgrenze, der zuletzt ein Fachgeschäft für Musikinstrumente beherbergte und das Viertel bereicherte.
Zum Nachlesen für die Grazer Bauämter:
Abstände laut Steiermärkischem Baugesetz.
§13 Abstände
(1) Gebäude sind entweder unmittelbar aneinander zu bauen oder müssen voneinander einen ausreichenden Abstand haben. Werden zwei Gebäude nicht unmittelbar aneinandergebaut, muß ihr Abstand mindestens so viele Meter betragen, wie die Summe der beiderseitigen Geschoßanzahl, vermehrt um 4, ergibt (Gebäudeabstand).
(2) Jede Gebäudefront, die nicht unmittelbar an einer Nachbargrenze errichtet wird, muß von dieser mindestens so viele Meter entfernt sein, wie die Anzahl der Geschosse, vermehrt um 2, ergibt (Grenzabstand).
(8) Die Behörde kann geringere Abstände von den Nachbargrundgrenzen und Nachbargebäuden zulassen für Nebengebäude oder -wenn dies im Interesse des Ortsbildschutzes, der Altstadterhaltung, des Denkmalschutzes oder der Erhaltung einer baukulturell bemerkenswerten Bausubstanz (Ensemble) liegt.
Schlussfolgerung: Das Erlauben geringerer Abstände ist in diesem Fall gesetzwidrig.