Der Auftakt war gelungen – einhelliger Tenor jener, die das Treiben und die Stimmung am Eröffnungstag hautnah miterlebten. Frostig war’s, aber heiter, neugierig und erwartungsvoll wirkten die gefühlt 10.000 Besucher und Besucherinnen der offiziellen Eröffnung im Kurpark, die auf einer riesigen Bühne auf der Terrasse der Kaiservilla mit 23 Lichtmenschen als Opening und späterer Pausenfüller begann.
Hubert von Goisern, mit einem beeindruckend anschwellenden 1000-stimmigen Chor, in dem er vermutlich Groß und Klein aller Chöre des Salzkammerguts vereinte, beendete seinen Auftritt mit einem Jodler, bei dem er das Publikum zum Mitsingen ermunterte. Den meisten war es wohl zu kalt dafür, aber durchaus nicht, um bei Conchita Wurst alias Tom Neuwirth bei seinem Auftritt im schulterfreien Sissi-Kostüm freudig im Takt mitzutanzen. Marketenderinnen fehlten, die, durch die dicht gedrängte Menge gehend, von innen Wärmendes anbieten hätten können.
Bei den vielen Indoor-Veranstaltungen „Durch die Nacht“ – Konzerten in den beiden Kirchen, dem Ballet Mécanique, das im ungeheizten, aber bezaubernd „abgefuckten“ Lehar-Theater stattfindet und den Cross-Overs im Pfarrsaal, bei dem die Besucherinnen und Besucher aufgefordert wurden, mitzutanzen – bei dem so bunten Angebot kann man resümieren, dass für jede und jeden etwas dabei war.
Wäre da nicht Doris Uhlich, die aus der Gegend stammende Tänzerin und Choreographin mit ihrem Ensemble gewesen, das anscheinend alle verstörte und empörte, mit einem „Pudertanz“ – zumindest die (die honorige Ischler Bürgerschaft?), die den Tanz der vielgesichtigen Nackten, vor dem Fernsehschirm sitzend, als Zumutung und „Schande für die Kaiserstadt Bad Ischl“ empfanden. Worauf in den sogenannten sozialen Medien kurz danach ein Shitstorm losbrach, der wiederum Großstadtkultur geeichte Zuagroaste daran erinnerte, dass man sich, wie hartnäckig behauptet, in einer der konservativsten Gegenden der österreichischen Provinz befand.
Wie auch immer: mit einem bunten Strauß an unterschiedlichsten Veranstaltungsformaten wird das Kulturhauptstadtjahr bis Ende Oktober Fahrt aufnehmen und Leserinnen und Leser sind gut beraten, sich frühzeitig in das umfangreiche Programm zu vertiefen. Gewiss: es gibt ein paar Höhepunkte, die jeder europäischen Großstadt angemessen wären, aber sicher kann man sich einen bunten Reigen nach persönlichem Interesse und Gusto (ja, auch die Kulinarik wird hervorgehoben) zusammenstellen und heuer einmal nicht in exotische Destinationen und Hideaways abtauchen, sondern eine CO-2 sparende Reise ins landschaftlich so herrliche Salzkammergut planen.
Über das Programm wird noch im Einzelnen berichtet – vorweg nur ein kleiner Ausschnitt als kurzer Appetizer: die japanische Künstlerin Chiharu Shiota wird eine ihrer umwerfend schönen, sinnlichen Installationen für den KZ-Gedenkstollen in Ebensee entwerfen (vielleicht erinnern sich einige von euch an ihre Installation The Key in The Hand, mit der sie 2015 bei der Biennale in Venedig verzauberte).
Die Eröffnung der ersten Ausstellung „sudhaus. kunst mit salz & wasser“ im ehemaligen Ischler Salinenhaus, mit zahlreichen großen Namen wie der israelischen Künstlerin Sigalit Landau (2019 im Museum der Moderne am Mönchsberg) fand bereits am Eröffnungstag statt, wird jedoch bis zum Oktober zu besuchen sein. Unterhaltsames wird die „Hausmusik Roas“ an mehreren Terminen bieten, vielleicht auch die „Wirtshauskultur reloaded“ an verschiedenen Orten (die erste Veranstaltung ist bereits ausgebucht).
Wissenswertes wird in vielen Talkrunden und Vorträgen dabei sein, zum Beispiel in der Villa Toscana in Gmunden, in den Jahren 1870 bis 1877 durch die Großherzogin Marie Antonie als „Prinzendomizil“ erbaut, 1913 erworben mit der gesamten Halbinsel Toscana samt Park und zwei Villen von Margaret Stonborough-Wittgenstein, der Schwester des Philosophen Ludwig Wittgenstein. Dieses damals äußerst kreative Zentrum sommerlicher Zusammenkünfte von Intellektuellen, Künstlerinnen und Künstlern, die sich um die Verbreitung von fortschrittlichem Gedankengut, moderner Lebensweise und der Künste der Moderne verdient machten, soll in zahlreichen Veranstaltungen wieder zu einem Zentrum kreativen Austauschs belebt werden (in den letzten Jahren verkam es zur Hochzeits- und Eventlocation).
Frei nach Ludwig Wittgensteins Anmerkung: „Ich bin ein Sammler von guten Menschen“, stellt die Intendantin des Salzkammergutjahres 2024, Elisabeth Schweeger, drei international bekannte Frauen mit Bezug zum Salzkammergut in den Mittelpunkt dieses Ortes – Grete Wiesenthal, die den Tanz revolutionierte und in die Moderne führte, Emilie Flöge, die in ihrem Kampf gegen das Mieder den Frauen die Luft zum Atmen gab, um die Befreiung der Frau voranzutreiben, und die Hausherrin, Margarethe Stonborough-Wittgenstein (Programmzitat).
So schließt sich der Kreis zu einem vielversprechenden Veranstaltungsreigen, der mit einer Eröffnung begann, die von vier Frauen des Produktionsteams um Elisabeth Schweeger mit den Worten: „Die Zukunft gehört dem ländlichen Raum – und den Frauen“ eingeleitet wurde.
Überzeugen Sie sich selbst: www.salzkammergut-2024.at